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Der Weg in den Bundestag

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Wie konnte es dazu kommen? In einem Satz: Als Spätfolge verfassungsrechtlicher Vorgaben für ein Wahlrecht, das sich an dem Grundsatz orientiert, jeder abgegebenen Stimme gleich viel Gewicht zu geben und dabei die Vorteile zweier unterschiedlicher Wahlsysteme zu verknüpfen. Es gibt Demokratien, in denen ausschließlich diejenigen das Volk repräsentieren, die in den einzelnen Wahlkreisen die Nase vorn haben. Das ist ein Mehrheitswahlrecht. Sein Vorteil liegt in der Nähe des Gewählten zum Bürger. Der Nachteil liegt darin, dass alle Stimmen für sämtliche anderen Kandidaten und politischen Konzepte unter den Tisch fallen.

Es gäbe auch die Möglichkeit, bundesweit nur Parteien zu wählen, die vorher zentrale Listen mit Bewerbern aufgestellt haben. Von diesen Listen zögen dann der Reihe nach so viele Politiker ins Parlament, wie den einzelnen Parteien im Verhältnis der abgegebenen Stimmen zueinander zustehen. Das nennt man Verhältniswahlrecht. Der Vorteil ist, dass jede Stimme gleich zählt, der Nachteil besteht darin, dass vor Ort eine Identifikation mit einem Volksvertreter immens schwerfällt. Deutschland versucht diese unterschiedlichen Auswahlprinzipien miteinander zu verschmelzen, indem es sich für ein „personalisiertes Verhältniswahlrecht“ entschieden hat.

Das Problem des negativen Stimmengewichtes

Das ist vom Grundsatz her leicht verständlich. Mit der Erststimme wird vor Ort derjenige gewählt, der den Wahlkreis direkt vertreten soll, mit der Zweitstimme wird geklärt, in welchem Stärkeverhältnis die Parteien im Bundestag insgesamt vertreten sein sollen. Dafür ist Deutschland in 299 Wahlkreise aufgeteilt, in denen jeweils annähernd gleich viele Menschen wohnen. Dann wird nach Einwohnerzahl der Bundesländer und nach Wahlbeteiligung ermittelt, wie viele Sitze (einschließlich Direktmandate) auf welche Partei aus den einzelnen Bundesländern entfallen.

Für 276 Abgeordnete ist es die erste Wahlperiode, das sind fast 40 Prozent.

Das alte Wahlrecht trug lediglich dem Umstand Rechnung, dass eine Partei in einem Bundesland sehr viele Mandate direkt über die Erststimme gewinnen kann, obwohl ihr nach der Berechnung der Zweitstimmen gar nicht so viele zustehen. Würde man als Folge Direktmandate einfach streichen, wären Mehrheiten für Erststimmen unterschiedlich viel wert. Also entstanden „Überhangmandate“. Die direkt gewählten Abgeordneten saßen alle im Bundestag, wodurch die betroffene Partei dann entsprechend stärker vertreten war. Dieses Prinzip lässt Verschiebungen zu. Wie unter einem Brennglas war das 2005 zu besichtigen, als wegen des Todes eines Bewerbers in Dresden eine Nachwahl nach der eigentlichen Bundestagswahl nötig wurde. Die Wähler konnten einer Partei zu mehr Sitzen verhelfen, indem sie sie nicht mit der Zweitstimme wählten. Das Bundesverfassungsgericht entschied daraufhin, dass es ein derartiges „negatives Stimmengewicht“ nicht geben dürfe.

Um das künftig auszuschließen, wurde ein komplizierter Mechanismus entwickelt. Wo immer ein Überhangmandat entsteht, muss der Verstärkungs-Effekt durch Ausgleichsmandate für andere Parteien wieder aufgefangen werden. Die Gefahr einer zusätzlichen Aufblähung ist dann besonders groß, wenn mehr Parteien über die Fünf-Prozent-Hürde kommen und Anspruch auf zusätzliche Ausgleichsmandate haben. Und sie wächst noch mehr, wenn die traditionell großen Parteien deutlich schwächer abschneiden bei den Zweitstimmen, dennoch aber in den meisten Wahlkreisen knapp vorne liegen und ihre Bewerber direkt durchbringen. Beides geschah 2017: Die Union gewann 43 Überhangmandate, die SPD drei. Dadurch wurden 65 Ausgleichsmandate fällig: 19 für die SPD, 15 für die FDP, elf für die AfD und je zehn für Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Alles in allem sind das 111 Abgeordnete mehr als eigentlich vorgesehen – da verstand es sich fast von selbst, dass schnell Forderung nach einer zügigen Überarbeitung des Wahlrechts laut wurden. Am 8. Oktober 2020 beschloss der Bundestag eine Änderung in zwei Schritten. Bei der nächsten Bundestagswahl am 26. September 2021 wird es kleinere Veränderungen bei den Berechnungen und der Zahl der Überhangmandate geben. Die Zahl der Wahlkreise wird für die übernächste Wahl verringert.

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