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Von der Aufführung zum Dispositiv

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Gerald Siegmund und Lorenz Aggermann

Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist die Frage, wie die Aufführung unter zeitgenössischen Bedingungen, in denen Kunst produziert und rezipiert wird, definiert und untersucht werden kann. Denn wie wir gegenwärtig verstärkt bemerken und erfahren dürfen, sind ihre Grenzen und damit auch sie selbst nicht mehr klar zu umreißen. Was gehört noch zur Aufführung, wenn Künstler wie etwa Heiner Goebbels nicht nur Bühnenstücke in Szene setzen, sondern daraus Hörstücke entwickeln, Partituren und Bücher veröffentlichen oder gar, wie im Falle von Schwarz auf Weiß, Filme realisieren? Oder wenn Hans Neuenfels, wie zum Beispiel im Falle von Europa und der zweite Apfel den Film als einen notwendigen Katalysator seiner Inszenierung Der tollwütige Mund ansieht, ohne welchen die Aufführung nicht ihre Gestalt fände? Woran sich halten, wenn bspw. bei Marten Spangberg die Choreographie die Form eines Buchs annimmt, auf dessen ersten Seiten sogleich behauptet wird: „this book is a performance.“ 1?

Zeitgenössische darstellende Kunst ist, wie der britische Philosoph Peter Osborne es formuliert, post-konzeptionelle Kunst, die sich in verschiedenen Formaten und Medien materialisiert und deshalb überall auf der Welt stattfinden kann. In unserem Verständnis sind diese anderen Formate der Aufführung nicht äußerlich. Sie sind nicht in erster Linie ökonomische Zweitverwertungen, sondern dem Material bereits eingeschriebene Formen, die sich in der Aufführung allein nicht umfassend materialisieren können. Der Ansatz, der uns zu einem erweiterten Verständnis von Aufführung führen soll, ist jener des Dispositivs. Die Aufführung ist die Materialisation eines ästhetischen Dispositivs.2

Rückt man von der Vorstellung von Theater und seiner Aufführung in diesem Sinne als einem gegebenen Gegenstand ab und versteht es unter epistemologischen Prämissen als ein historisches und konzeptionelles Phänomen, das erst in seiner Vermessung konturiert oder gar produziert wird, so ergeben sich andere Fragen, die infolge womöglich im Zentrum einer zeitgenössischen Theaterwissenschaft stehen – nicht jene nach dem ontologischen Status der Aufführung oder der Kunst, sondern jene nach ihrer epistemischen und dispositivischen Verfasstheit: Was weiß die darstellende Kunst und ihre spezifische Ordnung, und mehr noch, was lässt uns ihre Rezeption wissen? Welche Elemente finden darin Eingang, welche Beziehung haben diese zueinander, zu den Beobachtenden, zu anderen Ordnungen? Welche Dynamiken sind innerhalb dieser Beziehungen am Werk, und in welcher Konstellation materialisieren sich diese Elemente und Beziehungen? Wer oder was regiert die Ordnung der Aufführung? Welche anderen Materialisationen gibt es darüber hinaus? Und vor allem: worauf antworten das je spezifische Dispositiv Theater respektive seine Materialisation in der Aufführung oder in anderweitigen Formaten?

Methoden der Theaterwissenschaft

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