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Zur Definition des Dispositivs

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Sein maßgebliches Fundament findet der Begriff des Dispositivs in der Epistemologie Michel Foucaults, der seine Schriften als latentes Konzept durchzieht und der für Foucault einen allgemeinen Fall der Episteme, also einer spezifischen Anordnung, darstellt.1 Der Begriff Dispositiv, der im Französischen recht gebräuchlich ist und mit Werkzeug, Gerät, Maßnahme, Vorrichtung, Apparat oder Modell übersetzt werden kann, steht hierbei für eine offene Ordnung, die je nach Zeiten und Räumen aus unterschiedlichen Elementen besteht, die wiederum je spezifisch konstelliert sind und gerade in ihrer Offen- und Unabgeschlossenheit die wesentliche Funktionsweise eines Dispositivs bestimmen. Anders als beispielsweise ein Mechanismus oder Apparat – Termini, mit denen der Begriff Dispositiv ebenfalls immer wieder übersetzt wird und die stärker auf technische oder kausal-logische Verknüpfungen abheben – versteht sich das Dispositiv als eine abstrahierte Ordnung, die nach bestimmten, jedoch nicht immer durchschaubaren Regeln funktioniert.

In der zweiten Hälfte der 1970er verwendet Foucault in seinen Texten den Begriff Dispositiv immer häufiger, womit auch eine maßgebliche Erweiterung seiner Epistemologie einhergeht. Auch das Dispositiv wird von ihm als ein „entschieden heterogenes Ensemble“2 gefasst, das diskursive und nicht-diskursive Phänomene, „Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes“3 beinhaltet. Es ist weniger die Rejustierung des Modells auf Nichtdiskursives, Materielles und Tätigkeiten, mithin Praxen, die das Dispositiv vom Konzept der Ordnung unterscheidet. In der Neukonzeption verschiebt sich die Aufmerksamkeit von der Heterogenität und Inkommensurabilität der Elemente auf ihre Ausrichtung und Anordnung, auf ihre Konstellation und Dynamik. Der Begriff Dispositiv soll daher primär die Verbindung zwischen diesen Elementen deutlich machen und die Ordnung als eine dynamische und energetische Konstellation fassen, die sich zu einer bestimmten Zeit ausbildet, um ein Problem in anderen, gesellschaftlichen und kulturellen, Ordnungen zu lösen. Damit werden vor allem die Kräfteverhältnisse einer Ordnung und ihre Lenkung bedeutsam. Foucault beschreibt das Dispositiv als eine „Formation, deren Hauptfunktion zu einem historischen Zeitpunkt darin bestanden hat, auf einen Notstand zu antworten.“4 Es reagiert mittels seiner Dynamik auf die Dysfunktionalität einer Anordnung, manipuliert Dinge und deren Verhältnis untereinander zu einem bestimmten Zweck. Dispositiven kommt somit ein intentionaler, strategischer Charakter zu. In ihnen tritt vornehmlich das hervor, was die Ordnung der Dinge regiert.

Dispositive sind mithin Anordnungen, dis-positio, die Wissen und Subjekte produzieren. Sie folgen als Antwort auf einen Notstand einer Machtstrategie. Folgt man diesem Modell, so ist die Aufführung als eine mögliche Antwort in der Ordnung der darstellenden Kunst zu verstehen, genauso wie die Partitur, eine allfällige Verfilmung, ein Buch oder ein Hörstück andere Formen des Antwortens darstellen. Vor dem Hintergrund der Abstraktion und Verallgemeinerung darf allerdings nicht übersehen werden, dass der Begriff Dispositiv eine stark alltägliche Konnotation zeitigt, was nicht zuletzt darauf hinweist, dass sich jedes Dispositiv konkretisieren, oder materialisieren muss, wie Louis Althusser festhält: Aus jedem Dispositiv „ergibt sich völlig natürlich das (materielle) Verhalten“ seiner Elemente.5 Letztlich wird immer etwas Bestimmtes disponiert, muss sich ein Dispositiv immer materialisieren. Andernfalls bleiben seine Kräfte und Wirkungen leere Behauptung. Trotz seiner Abstraktion zeigt sich das Dispositiv folglich in einem begrenzten und konkreten Rahmen, in einer bestimmten Materialisation – als ein bestimmtes Dispositiv.6 Dispositive sind nicht bloß abstrakt relationale Gebilde. Sie schaffen materielle Realität. Gerade diese Notwendigkeit zur Materialisation legt es nahe, Kunst als ein spezifisches ästhetisches Dispositiv zu verstehen: Da Kunst, weder als Werk noch als Aufführung, Ereignis oder performativer Akt ontologisch zu fassen ist, beruht sie zwangsläufig auf der Materialisation einer ihr vorangehenden, konzipierten Ordnung.7 Versteht man nun Theater als ein derartiges ästhetisches Dispositiv, dann ist die Aufführung eine mögliche und zugleich notwendige Materialisation dieser Ordnung, genauso wie die Partitur, eine allfällige Verfilmung, ein Buch, oder ein Hörstück andere mögliche Materialisationen darstellen.

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