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9 Neue Lexika der Romanistik am Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert
ОглавлениеAus der Impasse der Romanistik mussten neue Gemeinschaftsunternehmungen und vor allem die umfangreichen Lexikonbände herausführen, die in Deutschland in drei Veröffentlichungsschritten den Stand der Wissenschaft darstellen und zugleich eine Öffnung zur Internationalität bilden. Neue englischsprachige Großpublikationen liefern außerdem neuerdings eine internationale Abrundung.
Kommen wir zunächst zu den Sammelbänden, die im Wesentlichen den Status der Romanistik abbilden, wie er in erster Linie, wenn auch keineswegs ausschließlich, im deutschen Sprachraum erzielt wurde! Die acht Bände des Lexikons für Romanistische Linguistik (LRL), die in 12 Einzelbänden zwischen 1988 und 1995 von Günter Holtus, Michael Metzeltin und Christian Schmitt veröffentlicht wurden, eröffnen die Reihe. Was die Wahl der Darstellungssprache anbelangt, war man offen: Man findet Beiträge in deutscher, englischer, französischer, spanischer, portugiesischer und italienischer Sprache; einen „nationalistischen Ausreißer“ stellen lediglich die auf Galizisch geschriebenen Beiträge zum „galego“ (Band VI, 2, 1–129) dar, die durch ihre Abkehr von den internationalen Wissenschaftssprachen schon dadurch auffallen, dass beispielsweise kein einziger Beitrag auf Rumänisch geschrieben ist. Insgesamt enthält das LRL 583 Artikel (VIII, 98), die jeweils zwischen grob zehn und zwanzig Seiten mit Bibliographie umfassen. Die Artikel richten sich an die „Lehrenden und Studierenden der Romanischen Sprachwissenschaft“, darüber hinaus sollen sie ein Hilfsmittel für alle sein, die „in der Sprachwisssenschaft und speziell in der Romanistik eine funktionale Hilfswissenschaft erkennen“ können (VIII, 5).
Das zweite Unternehmen, das von Gerhard Ernst, Martin-Dietrich Gleßgen, Christian Schmitt und Wolfang Schweickard zwischen 2005 und 2008 herausgegeben wurde, trägt den Titel Romanische Sprachgeschichte; es handelt sich um drei umfängliche Lexikonbände, die als Band 23 in die Reihe der Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft eingeordnet werden. Thematisch sind die Bände auf die Sprachgeschichte eingeschränkt, wobei der Umfang der Beiträge umfangreicher als beim LRL ausgefallen ist.
Das zeitlich dritte, jetzt vom De Gruyter Verlag betreute Unternehmen, das inzwischen den Niemeyer-Verlag übernommen hat, firmiert unter dem (englischen!) Gesamttitel Manuals of Romance Linguistics, mit den romanischen Entsprechungen Manuels de linguistique romane = Manuali di linguistica romanza = Manuales de lingüística románica. Die Herausgeber sind Günter Holtus und Fernando Sánchez-Miret, und die Planung ist auf ungefähr sechzig Bände veranschlagt, also ein Riesenunternehmen wahrhaft pharaonischer Dimension; inzwischen (2019) sind mehr als ein Dutzend Bände erschienen, und man erkennt auch allmählich, dass die Menge der romanistischen Sondergebiete unendlich ist, die Menge der Romanstinnen und Romanisten aber nicht, so dass bislang viele Gebiete von denselben Persönlichkeiten unter verschiedenen Aspekten behandelt wurden – schlimm ist das nicht, aber es erhöht die Übersichtlichkeit keineswegs. Prinzipiell ist für jeden Band eine und nur eine romanische Darstellungssprache oder das Englische vorgesehen, wobei dieses Prinzip gelegentlich durchbrochen wurde; das Deutsche ist aus dem Kreis der Darstellungssprachen ausgeschlossen, wenn man so will, ein typischer Fall des autoodi cap a la llengua pròpia der deutschsprachigen Romanistinnen und Romanisten, der sich mit der zurückgehenden internationalen Fähigkeit, deutsche Texte zu verstehen, trifft.
Die englischsprachige Tradition der substantiellen Einführungen in Wissensgebiete basiert auf umfangreichen einbändigen Sammelbänden. Das beste Beispiel dafür ist der neue Oxford Guide to the Romance Languages (mit LIV + 1194 Seiten), der 2016 von Adam Ledgeway und Martin Maiden herausgegeben wurde. In 60 Kapiteln, aufgeteilt auf zehn Sachgebieten („parts“), wird ein Panorama der sprachwissenschaftlichen Romanistik geboten, das von internationalen Fachleuten dargeboten wird, die die einführenden Kapitel in englischer Sprache schreiben konnten oder wollten – der vielsprachige Charakter der Romanistik, in der im Wesentlichen jeder in seiner Lieblingssprache internationaler Verbreitung schreibt, wird damit natürlich zu Grabe getragen. Wir haben hier aber ein Werk vor uns, das das, „was man in der englischsprachigen Welt für das Grundwissen in der sprachwissenschaftlichen Romanistik hält“ überzeugend, wenn auch nicht immer leicht lesbar, darstelllt, technisch-struktureller ausgeführt, als man das in den Bänden aus dem Niemeyer-De Gruyter-Verlag findet, die eher kulturhistorische und soziolinguistische Fragestellungen mitberücksichtigen (Kramer 2018b, 1251).