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ОглавлениеGrammatikalische Unzulänglichkeit
MARKUS TELGMANN
Es war der 19. April 1997, Bundesliga-Auswärtsspiel in Hamburg. Wir fuhren morgens gegen 9:30 Uhr mit dem Bus in Münster los. Die Tour stand schnell unter dem Motto: „Wir sind bescheuert, jawoll, und finden Schalke toll!“ Auf jedem Rastplatz grölten wir unser Tourmotto heraus und ernteten von den nicht Fußballbekloppten eher ungläubige Blicke und den einen oder anderen „Scheibenwischer“.
Nach gefühlten fünf Stunden und einige Staus später rollten wir auf den Parkplatz Volksparkstadion. Noch bevor sich die Türen öffneten, wurde wieder der Mottosong ausgepackt, und ich denke mal, wir waren trotz geschlossener Türen weit über den Parkplatz zu hören. Als die Türen sich öffneten, war ich der Erste, der draußen war, und fing plötzlich an zu singen: „ALLE SIND BESCHEUERT AUSSER MICH!!! ALLE SIND BESCHEUERT AUSSER MICH!!!“ Keine Ahnung, wie ich auf diese grammatikalische Glanzleistung gekommen war, aber die Mitfahrer aus unserem Bus reihten sich, ohne zu überlegen, in den Gesang mit ein.
Mit dem ein oder anderen Bier unterm Arm ging es dann gegen 14:30 Uhr Richtung Stadion, und immer wieder wurde nun „mein“ Song angestimmt, wobei es immer mehr in ein Gekrächze überging, da auch die stärksten Stimmbänder irgendwann den Dienst quittierten. Das Spiel ist schnell erzählt: Wir verloren mit 1:0 durch ein Tor des späteren Schalkers Sven Kmetsch.
Bevor es wieder zurück nach Münster ging, wurden noch mal die Stimmen geölt, und alle Mitfahrer stimmten erst in den Mottosong und dann noch mal minutenlang in die andere Kreation mit ein. Unser Busfahrer erklärte sich dann noch bereit, mit uns nach St. Pauli zu fahren, was dieser Fahrt dann endgültig den Namen „Bescheuerten-Tour 97“ einbrachte. Hallo? Mal ehrlich, wat will man gegen 19 Uhr auf St. Pauli? Irgendwo mit 50 Leuten noch ’ne Kneipe aufgetan und dann gegen 21 Uhr, die einschlägigen Läden öffneten gerade erst ihre Pforten, wieder Richtung Münster aufgebrochen. Gegen 00:30 Uhr erreichten wir müde und stimmenlos die Stammkneipe, die ich dann irgendwann um halb vier verließ.
Drei Tage später stand das Halbfinal-Rückspiel im UEFA-Cup gegen CD Teneriffa auf dem Plan. Beim Gang über Parkplatz A hörte ich hinter mir auf einmal: „ALLE SIND BESCHEUERT AUSSER MICH!!!“ Als ich mich umdrehte, liefen hinter mir drei mir unbekannte Jungs, denen ich in Hamburg aufgefallen sein musste, und schmetterten mein Lied.
Selbst neun Jahre später wurde ich noch nach dem Spiel in der verbotenen Stadt von ’nem Pärchen angesprochen: „Du bist dat doch, der da vor Jahren in Hamburg mit angefangen hat, oder?“