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Berliner Erwachen

CHRISTOPH HÜMMELER

Mein Pokalfinale 2005: Über das Spiel selbst gibt es ja nicht viel zu berichten, das war eher langweilig. Höhepunkt der 90 Minuten war ein außer der Reihe anspringender Rasensprenger.

Nach Berlin war ich mit dem Motorrad angereist, zuvor war ich einige Tage bei einem Motorradtreffen in Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Daher war das Moped beladen mit einer fetten Gepäckrolle samt Zelt und Schlafsack. Die Idee war, das Gepäck irgendwo an einem Bahnhof ins Schließfach zu stecken und dann das Moped abzustellen und zum Spiel zu gehen. Aber ein leeres Gepäckfach war nicht aufzutreiben. Daher habe ich mir ein sicheres Plätzchen gesucht, um das Motorrad samt Gepäck während des Spiels und über Nacht abstellen zu können, denn völlig außerhalb der Norm pflege ich während eines Fußballspiels Bier zu trinken, an eine abendliche Abreise war also nicht zu denken …

Nachdem ich hier und dort gesucht hatte, hatte ich einen geeigneten Platz entdeckt. Auf dem Grünstreifen in einem nahe am Stadion gelegenen Wohngebiet. Hier schien die Haute-Volée zu residieren, und eine massive Polizeipräsenz im Straßenbild suggerierte Sicherheit für Motorrad und Gepäck. Also stellte ich das Motorrad dort ab, betrachtete den Platz näher und stellte fest: Ja, hier war nicht nur mein Moped gut geparkt, nein, nach Spiel und anschließendem Biergenuss in der Stadt würde auch ich hier einen perfekten Platz für meinen Schlafsack vorfinden.

Nun ging es aber erst mal vor und dann später in das Stadion. 90 Minuten geringen Unterhaltungswerts, immerhin gab der Schalker Block die geschätzt letzten 20 Minuten durchgängig „Ein Leben lang“ zum Besten, in Verbindung mit ein paar Bier eine hervorragende Möglichkeit, mal wieder eine erotisch heisere Stimme zu bekommen. Immerhin etwas, wenn mit den Blau-Weißen auf dem Platz nicht allzu viel los ist.

Nach dem Spiel ging es hinein ins Berliner Nachtleben. Gemeinsam mit einem Freund, wir hatten uns im Stadion getroffen und noch eine Menge Bier getrunken. Er musste einen Zug früh morgens nehmen, fünf oder sechs Uhr, so genau weiß das niemand mehr, da blieb ausreichend Zeit, die Nacht zu rocken. Irgendwann morgens ging es also zurück zum Motorradparkplatz, Schlafsack rauskramen, ablegen, schlafen.

Morgens um elf Uhr, es war immer noch herrliches Wetter, weckte mich ein Polizist. Jajaja, dachte ich, natürlich, ich weiß, ich darf hier nicht schlafen, ja, ich werde gleich weggehen, ja doch, ich mach das auch nie wieder … „Sie sollten sich ein Stück dort rüber in den Schatten legen, hier in der Sonne ist es nicht so angenehm!“ Wie bitte? Hier lag ein nicht ganz nüchterner Schalker im Schlafsack im Edelwohngebiet neben seinem Motorrad, und der Polizist empfahl mir, der Sonne zu weichen und den Schatten aufzusuchen? Sachen gibt’s … „Oh, ähm, danke. Nein, nein, ich bin ja jetzt wach und rolle mal den Schlafsack ein. Danke, das ist ja toll.“

Ich schälte mich also aus dem Schlafsack, zur allgemeinen Erheiterung im Wesentlichen nur mit einem Schalke-Trikot bekleidet. Der Rest meiner Kleidung war fein säuberlich auf dem Motorrad drapiert. Während ich noch darüber nachdachte, ob ich nach einer langen Nacht selbst meine Sachen so ordentlich auf das Moped gehängt hatte oder ob da auch der Polizist dahintersteckte, öffnete sich gegenüber die Tür einer zugegebenermaßen sehr schönen Villa, die Frau des Hauses erschien, und es kam die nächste Überraschung: „Guten Morgen, möchten Sie vielleicht einen Kaffee?“ „Ähm, ja, also, ein Kaffee, ein Kaffee wäre brillant.“ Drei Minuten später hatte ich einen Kaffee, ein Glas Orangensaft und ein paar Stullen neben mir stehen. Und jede Menge sehr netter Gesprächspartner, die sich um mich sammelten. Hätten sie mich nicht andauernd auf die Niederlage von Schalke angesprochen, ich glaube, ich wäre auf dem Grünstreifen eingezogen.

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