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1.3.2 Widerstand und Übertragung

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Beim Erschließen unbewusster Inhalte und Strukturen ist nicht nur die Deutungskunst (Freud GW V 1904a, 1903) des Analytikers gefragt, wesentlicher ist die sorgsame Erforschung und Bearbeitung des Widerstandes, also derjenigen Kräfte, die in der psychoanalytischen Behandlung der Erkenntnis des Unbewussten entgegenstehen. Verdrängte seelische Inhalte und Prozesse einfach zu erraten wäre, selbst wenn die Möglichkeit bestünde, nicht ratsam. Denn: »Der therapeutische Effekt (des Erratens, d. V.) wird in der Regel zunächst gleich Null sein, die Abschreckung von der Analyse aber eine endgültige« (Freud 1913c, S. 474). Als technische Regel gilt: Verdrängungswiderstände müssen zuerst erkannt und bearbeitet werden, bevor eine Bewusstmachung des Verdrängten sinnvoll werden kann. Der Widerstand soll weder gebrochen noch vorschnell überwunden werden (wie es bspw. in Suggestions- und Hypnosebehandlungen stattfindet). In der psychoanalytischen Behandlung, und dies trifft ohne Einschränkung auch aufs Erstinterview zu, gilt es, den Widerstand des Patienten gezielt zu beachten und zu erforschen. Dies allein ermöglicht dem Analytiker die entscheidenden Einblicke in den psychischen Konflikt des Patienten, in seine Abwehrorganisation und die fallspezifische Dynamik innerer Kräfteverhältnisse, in die er einzugreifen beginnt.

Neben der Arbeit am Widerstand hat Freud eine weitere Besonderheit der analytischen Behandlungsmethode hervorgehoben, die er ›Übertragung‹ nannte. Dieser Begriff beschreibt die Tatsache, dass der Patient die unbewussten, aus der Kindheit stammenden Komplexe wiederholt, statt sie qua Erzählung zu erinnern. D. h., unbewusste Konflikte streben zu einer Inszenierung im Hier und Jetzt der Beziehung zum Analytiker. »Der Analysierte erinnere überhaupt nichts von dem Vergessenen und Verdrängten, sondern er agiere es. Er reproduziert es nicht als Erinnerung, sondern als Tat, er wiederholt es, ohne natürlich zu wissen, daß er es wiederholt. Zum Beispiel: Der Analysierte erzählt nicht, er erinnere sich, daß er trotzig und ungläubig gegen die Autorität der Eltern gewesen sei, sondern er benimmt sich in solcher Weise gegen den Arzt« (Freud 1914g, S. 129–130).

Obwohl die Übertragung, wie Freud verschiedentlich deutlich machte, in Bezug auf das Verbalisieren von Erinnerungen als Widerstand erscheint, sind die Übertragungen, die agierten und inszenierten Beziehungs- und Verhaltensmuster eine unschätzbare Gelegenheit, die Elemente des infantilen Konflikts im Hier und Jetzt der analytischen Situation zu erfassen. Die Übertragung ist der Schauplatz, auf dem sich die individuell-einmalige Problematik des Patienten manifestiert, das originäre und konstitutive Feld, auf dem Analytiker und Patient sich der bedeutungsstiftenden Kräfte der unbewussten Wünsche, Phantasien und verinnerlichten Objektbeziehungen konfrontiert sehen: Auf diesem Feld der Übertragungen, der agierten Wiederholungen, findet die analytische Hauptarbeit statt (Freud 1912b).

Auch wenn die Übertragungs- und Beziehungsvorgänge außerhalb des Verbalisierten stattfinden, sind sie sinnhaft strukturierte seelische Gebilde, d. h. Sinn- und Konfliktstrukturen, die als solche zu entziffern sind und Aufschluss über die innere Realität des Patienten, über das Unbewusste geben können. Bei diesen Verstehensoperationen sind einige weitere Besonderheiten zu beachten:

1. Die Vergangenheit, die der Analytiker im Übertragungsgeschehen zu erfassen versucht, setzt ein neuartiges, dialektisches Verständnis der Geschichtlichkeit des Subjekts voraus. Die Vergangenheit wird dabei nicht, wie im chronologischen Zeitverständnis üblich, als eine abgeschlossene, feststehende Form ehemaliger Präsenz gedacht. Die Vergangenheit, auf die der Analytiker abzielt, konstituiert sich in der Gegenwart der analytischen Beziehung – ihre Bedeutung ergibt sich retrograd aus der jeweiligen Gegenwart des Übertragungsgeschehens. Sie entsteht im Zeitmodus ›antizipierter Nachträglichkeit‹ (›die Vergangenheit wird gewesen sein‹, Eickhoff 2005, Weiß 1988, S. 215f.). Im Licht dieser Überlegungen gilt es auch den Freudschen Wiederholungsbegriff (Bayer 1996) auszulegen: Eine dialektische Interpretation seines Wiederholungsbegriffs zeigt, dass das Übertragungsgeschehen weniger als Reproduktion präexistenter Bedeutungsstrukturen, sondern vielmehr als Neu-Schöpfung angesehen werden muss, die einer »verfehlten« Geschichte nachträglich zur Konstitution verhilft (Lacan 1980)

2. Die Übertragungen und Inszenierungen des Patienten bewirken beim Analytiker eine ganz besondere Form der affektiven Reaktion: die sogenannte Gegenübertragung. Sie bezeichnet »den Einfluß des Patienten auf das unbewußte Fühlen des Arztes« (Freud 1910d, S. 108). In der Weiterentwicklung der Psychoanalyse nach Freud, so auch bei Argelander erlangte das Konzept der Gegenübertragung eine immer größere Relevanz, die in dem Maße zunahm, in dem die psychoanalytische Behandlung als ein grundsätzlich intersubjektives Geschehen begriffen wurde.

Die psychoanalytische Ambulanz

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