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Schöpfungsmythen von Homer bis Hesiod

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Homer (seine Lebensdaten können nicht annähernd festgelegt werden, sie changieren zwischen 1200 und 750 v.Chr.) gilt als Dichter der ersten großen griechischen Versepen: Ilias und Odyssee, seine Autorenschaft ist allerdings umstritten, das nährt die „Homerische Frage“.

Bei Homer ist Okeanos der Ursprung der Götter und Ursprung von allem: „Okeanos’ wallende Fluten, jenes Stroms, der allen Geburt verlieh und Erzeugnis“ (Ilias, V, 245–246)45. Er ist der Strom, der die Welt im Kreis umfließt, immer wieder in sich zurückströmend, und sie zugleich abgrenzt vom Jenseits.


Abbildung 11: Homers Weltkarte 46


Abbildung 12: Okeanos und Thetys, Zeugma Mosaic Museum Gaziantep 47

Er ist der Ursprung der Götter sowie aller Flüsse, Meere, Quellen und Brunnen. Im Besitz unerschöpflicher Zeugungskraft hat er mit seiner Gattin, der Meeresgöttin Tethys, dreitau-send Söhne gezeugt, das sind die Flüsse, und genauso viele Töchter, das sind die Okeaniden, Meerwesen ähnlich den Nereiden und Nymphen. Er befindet sich aber nun mit ihr im Streit, sie haben die Zeugung eingestellt – damit wird auch auf dieser Ebene Kreislauf und Begrenzung entsprochen.

Okeanos strömt im Kreis und nährt die Quellen, Flüsse und das Meer.48

Eine ähnliche Erzählung vom Anbeginn der Welt wurde von den Anhängern und Verehrern des Sängers Orpheus im orphischen Kult weitergegeben. „Am Anfang war die Nacht …“, beginnt diese, Nyx genannt und eine der wichtigsten Göttinnen auch bei Homer. Die Urnacht ist ein großer, schwarzer Vogel, dieser legt ein vom Wind befruchtetes Ei. In der oberen Hälfte des Eis gähnt der Himmel (Empedokles schöpft dafür erst später den Begriff „Chaos“), unten befindet sich die Erde. Eros erblickt das Licht der Welt, und über seine Wirkung zeugen die beiden Okeanos und Thetys.49

Vasenmaler sind Erzähler der Götter- und Heldengeschichten, ihre Malereien sind jedoch nie Illustrationen zum Wort, sondern alternative, eigenständige Erzählvarianten.

Wie über das Medium Schrift haben auch die einzelnen Maler jeweils ihren eigenen Erzählstil und Duktus, den zeichnerischen Schriftzug, entwickelt.

Bemalt wurden alle Arten von Gefäßen, sie stellen wichtige Quellen dar und geben Auskunft über Alltagsleben und Mythologie der Griechen und ihre Bildkultur.50


Abbildung 13: Orpheus, Rotfigurige Vasenmalerei, Antikensammlung Berlin, Mitte 5. Jh.v.Chr. 51

Hesiod, neben Homer einer der Begründer der griechischen Literatur, lebte um 700 v.Chr. in Askra in Böotien. In seinem großen Epos Theogonie („Entstehung der Götter“) vereint er in über tausend Hexametern die gesamte Genealogie der griechischen Götterwelt. Mit Homers Ilias und Odyssee gehört es zu den ältesten und wichtigsten Quellen der griechischen Mythologie. Hesiods Theogonie ist eine Schilderung der Abfolge der Göttergenerationen „von Anfang an“ (ex archês), ihr Thema ist die Weltentstehung bis zur Herrschaft des Zeus. Hesiod beginnt mit einer Anrufung der Musen, als Dichter und Sänger bittet er um göttliche Eingabe. Die Wahrheit kann er aufgrund seiner begrenzten menschlichen Sicht nicht garantieren – und Dichtung ist zur Erbauung da.

Damit hat sich auf dem Boden der vorderorientalischen Mythen und noch in mythischer Sprache eine wesentliche Veränderung vollzogen: Hesiod schildert seine Berufung zum Dichter durch die Musen, die Entstehung der Welt, und ihre Geschichte bis zur Gegenwart wird bei ihm zu Literatur.

Die Theogonie ist eine Geschichte unübersichtlicher (nur teilweise geschlechtlicher) Zeugungen und daraus resultierender Verwandtschafts- und Neidverhältnisse, von Wut, Kränkung, List, Rache, vor allem aber Macht und den Kämpfen jeder Göttergeneration gegen die vorhergehende und nächste, die in serieller Unablässigkeit und mit äußerster Brutalität geführt werden. „Zuallererst wahrlich entstand das Chaos“, setzt die Erzählung an; um die Beseitigung des Chaos (von griech. kaíno = klaffen, gähnen) oder eine lineare Entwicklung „Vom Chaos zum Kosmos“52, eine Kosmogonie, geht es nicht.53

Wie fast alle mythischen Geschichten über den Anfang der Welt weist aber auch die Theogonie ein vierstufiges Schema auf:

1. Am Beginn existiert eine Urmasse (wie das Wasser oder das Chaos), die belebt und gestaltend – göttlich – tätig wird.

2. Diese Urmasse spaltet sich und bildet ein erstes Gegensatzpaar, meist ein heterosexuelles Götterpaar, z.B. Himmel und Erde.

3. Weitere Göttergenerationen werden gezeugt.

4. Alle anderen Lebewesen, allen voran der Mensch, werden geschaffen. In jüngeren Mythen etabliert sich zuerst ein junger Götterkönig, indem er die alten Götter besiegt (Marduk; Zeus); dieser regiert fortan die Welt und nimmt die Erschaffung der Lebewesen vor.

Damit ist auch der fundamentale menschliche Zyklus beschrieben: Geburt – der heterosexuelle Gegensatz – Fortpflanzung – Generationenkonflikt.54

Das Anthropozän lernen und lehren

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