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Louisa Dellert

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Ungefähr zwei Jahre bevor es mit Greta und der Fridays-for-Future-Bewegung losging, war ich mit meinem damaligen Freund im Urlaub auf Malta. Ich liebe das Meer. Es ist für mich ein Ort, an dem ich abschalten kann, und dafür bin ich dankbar.

Nach ein paar Tagen wollten wir ein perfektes Unterwasserfoto beim Schnorcheln in einer Bucht aufnehmen. Typisch Blogger halt! Aber überall im Wasser schwamm Müll herum, der natürlich auch auf allen Bildern zu sehen war. Das fand ich unglaublich. Es gab kein Bild, auf dem kein Müll war. Im ersten Moment war mein größtes Problem, dass ich diesen Müll selbst mit Photoshop nicht herausretuschieren konnte. Im zweiten Moment dachte ich, Mensch, Lou, das ist nun aber echt oberflächlich. Du solltest den Müll lieber aufsammeln und recherchieren, wie er da überhaupt hingekommen ist.

Das tat ich dann auch: Ich wollte wissen, wie all das Plastik ins Meer kommt und was ich selbst damit zu tun habe.

Natürlich war mir an diesem Tag auf Malta noch nicht klar, dass er mein Leben verändern würde. Doch ich merkte, dass alles, was mit Plastikverschmutzung und Kunststoff zu tun hatte, mich mit einem Mal viel mehr interessierte als irgendwelche Fitnessshakes und die anderen Sachen, die ich bis dahin auf Instagram gemacht hatte. Ich bin quasi ungewollt über das Thema gestolpert, und es hat mich nicht mehr losgelassen. Dass ich auf Instagram nicht so weitermachen konnte wie bisher, ergab sich damit von selbst.

Erstmals setzte ich mich überhaupt mit den Themen Umwelt und Politik auseinander. Wenn ich ehrlich bin: Früher war mir das nicht wichtig. In meinem Umfeld hat sonst niemand über politische Themen gesprochen, auch wenn das alles gebildete Menschen waren. Bei mir stand früher eher GZSZ auf der Tagesordnung, und ich war viel unterwegs und habe mich mit Freunden getroffen. Ich habe nicht mal die Tagesschau gesehen. Wie auch, die lief ja zur selben Zeit wie GZSZ. Zeitung habe ich auch nicht gelesen. Dass mir ein Thema wie der Müll im Wasser plötzlich so naheging, war also eine große Veränderung für mich.

Damit entstand in mir der Wunsch, meinen Alltag nachhaltiger zu gestalten. Ich fragte mich: Warum wird immer noch so viel in Kunststoff verpackt? Was gibt’s da für Gesetze? Auf diese Weise dachte ich insgesamt viel politischer.

Wenn mich etwas interessiert, dann bleibe ich dran. Und das ist auch gut so: Alles, was mir begegnet ist, hat mich – früher oder später – immer weitergebracht. Ich bereue nichts, was ich einmal angefangen habe. Schon als Kind konnte ich mich in Dinge versenken, und doch war die Umweltsache eine neue Erfahrung für mich. Sie ist mir über Jahre nicht aus dem Kopf gegangen und hat meinen Alltag von Grund auf verändert.

Inzwischen beschäftige ich mich seit rund drei Jahren mit Umweltschutz und Politik. Ein Zurück zu meinen alten Themen als Influencerin ist für mich unvorstellbar. Mich interessiert eigentlich alles in der Politik, was ich nicht verstehe – und deswegen nehme ich es mir dann vor. Ich glaube, das geht vielen jüngeren Leuten so: Klimaschutz ist ein wichtiges Ziel, aber wenn du die Politik an sich nicht verstehst, dann verstehst du auch im Bereich Klimapolitik nicht alles. Deswegen befasse ich mich mit vielen verschiedenen Fragen, zum Beispiel habe ich intensiv zu Lobbyismus und zu Verschwörungstheorien gearbeitet.

Da mich oft viele Sachen gleichzeitig beschäftigen, trage ich auch viele Sachen nach außen, indem ich auf Instagram dazu schreibe. Wenn heute eine Abstimmung im Bundestag wichtig ist und morgen eine Initiative gegen Müll im Ozean, dann habe ich das Bedürfnis, Informationen zu sammeln und darüber zu reden. Auch wenn es manchmal viel ist. Ich habe zum Glück inzwischen ein relativ großes Netzwerk aus Journalistinnen und Journalisten oder Verbänden, auf das ich zurückgreifen kann und das mich weiterbringt. Ich informiere mich über diese Kanäle und diverse Plattformen, führe Interviews mit Politikerinnen und Politikern. Auch meine Reichweite hilft mir weiter, weil ich dann schnell mal eine AKK oder einen Christian Lindner vor der Linse habe, obwohl ich keine ausgebildete Journalistin bin. So kann ich meine Leserinnen und Leser gut über aktuelle Themen informieren. Manchmal bin ich auch mit jemandem unterwegs, der mir beispielsweise etwas über illegale Fischerei erzählt. Das sensibilisiert mich wiederum für neue Themen, und ich lerne weiter dazu.

Mein Umfeld hat durchweg positiv auf meine Entwicklung reagiert. Viele haben sich gemeinsam mit mir auf die neuen Themen eingelassen. Es ist auch nicht so, dass ich Leserinnen und Leser verloren hätte – im Gegenteil, die meisten fanden das gut und sind mir weiter gefolgt. Das ist toll, denn das waren Leute wie ich, die vorher kaum mit Umweltthemen oder Politik zu tun hatten, sondern sich für Fitness interessierten. Trotzdem sind sie den Weg mit mir gegangen und mit mir daran gewachsen. Das gibt mir Kraft zum Weitermachen.

Trotzdem habe ich kein Patentrezept, wie man Umweltfragen »richtig« kommuniziert. Es ist wichtig, das Gegenüber nicht gleich moralisch abzuwerten, sobald er oder sie eine andere Meinung hat. Vor allem aber hat jede Plattform ihre eigene Zielgruppe. Mir folgen Leute gerne, weil ich Lou bin – und weil ich authentisch über Themen spreche und auch mal zugebe, dass ich etwas nicht verstehe. Dann hören die Leute mir zu.

Das würde bei der Tagesschau so nicht funktionieren, und andersrum würde ich mit der Methode der Tagesschau nichts erreichen. Wenn jemand etwas von mir annimmt, hat das damit zu tun, dass ich es so sage, wie ich bin. Es überrascht die Menschen, wenn jemand ihnen zeigt, wie er oder sie wirklich ist.

Mein Bauchgefühl sagt mir, wie ich mit der Community spreche: Manchmal ist es besser, ein wenig drastischer zu berichten, mit Bildern, die sehr emotional sind – oder es ist besser, das zu lassen. Manche sind aber auch mit guten Argumenten nicht zu erreichen. Man merkt in einer Diskussion, wenn jemand gar nichts anderes verstehen möchte und gar keine andere Meinung zulässt. Dann ist es Zeitverschwendung. Das gibt’s auch.

Mein Ziel ist es, andere Menschen auf meinem Weg mitzunehmen. Ich möchte mich für das einsetzen, woran ich glaube. Es ist mir ein Anliegen zu überlegen, wie wir unsere endlichen Ressourcen an nachfolgende Generationen weitergeben können – anstatt sie einfach zu verballern, nur weil sich unsere Wirtschaft am stetigen Wachstum orientiert und alles immer größer, schneller, höher werden soll. Ich möchte, dass die Welt erhalten bleibt. Nicht für einen bestimmten Menschen, sondern für alle.

Dass wir irgendwann ein System haben, das am Gemeinwohl ausgerichtet ist, wie es einigen Parteien vorzuschweben scheint, finde ich eine sehr romantische Erzählung. Ich würde es mir tatsächlich wünschen, aber ich glaube nicht, dass es klappt. Dass alles zu 100 Prozent nachhaltig sein wird, geht heutzutage einfach nicht mehr, glaube ich. Wir sollten daher lieber auf dem Teppich bleiben – und die Vision einer besseren Welt klar trennen von dem, was möglich ist. Ich fände es gut, wenn wir alle und auch die Regierenden achtsamer mit unserer Zukunft umgingen. Ich selbst würde nicht in eine Partei eintreten, weil ich neutral bleiben will. Aber sicher wird sich viel ändern, sobald die junge Generation von heute erst mal im Parlament sitzt. Ich glaube auch, dass wir unser Wissen und den Willen zur Veränderung sehr gut an die Generationen weitergeben können, die noch kommen.

Für mich ist es ein Lichtblick, dass es möglich geworden ist, mit politischen Themen und Umweltschutz auf Instagram so viele Menschen zu erreichen. Das verbreitet sich wie eine Welle: Nachdem ich von meinem Erlebnis mit dem Plastik im Meer erzählt hatte, fingen Leute an, Müll zu sammeln, wenn sie am Meer waren – und posteten das. Damit inspirieren sie wieder andere Leute, und so geht es immer weiter. Das ist für mich das Schönste, was ich mit meiner Arbeit erreichen kann: Menschen zu bewegen, anders mit der Natur umzugehen. Es ist sinnstiftend für mich, wenn das, was ich mache, funktioniert. Wenn die Leute es verinnerlichen und mit in ihren Alltag nehmen.

Das Wichtige ist doch, dass wir uns überhaupt etwas trauen, wenn es uns wichtig ist. Viele Politikerinnen und Politiker sprechen nicht aus dem Herzen, und es ist ein Problem, dass sie allzu oft ihre Zukunft im Hinterkopf haben: Was könnte mein nächster Job sein, wenn ich nicht mehr in der Politik bin, und wie sollte ich mich darum jetzt verhalten? Da haben wenige den Mut, das Richtige zu tun – weil sie damit riskieren, dass sie nicht wiedergewählt werden.

Verständlicherweise ist der Umweltschutz auch durch Corona in den Hintergrund gerückt. Viele Menschen haben jetzt ganz andere Sorgen. Wenn jemand Angst hat, seinen Job zu verlieren, wenn sich jemand um seine Eltern oder Großeltern sorgt, dann erscheinen Themen wie Nachhaltigkeit und Umwelt womöglich zweitrangig. Jemanden in dieser Situation wirst du nicht davon überzeugen können, dass der Klimawandel deswegen nicht weniger wichtig ist. Wenn man merkt, dass da im Moment keine Türen offen sind, dann muss man es vielleicht auch mal eine Weile gut sein lassen.

Warum ich dennoch nicht hinschmeiße? Im Grundtenor bin ich ein optimistischer Mensch, da denke ich mir: Was bringt es, mich aufzuregen und etwas nicht anzupacken, nur weil ich glaube, dass es vielleicht nicht funktioniert? Und dann mache ich es einfach.

Alle Menschen sollten ihre Chancen nutzen, so oft und so gut sie es können: Jede und jeder von uns ist eine Influencerin oder ein Influencer. Wir alle haben Menschen in unserem Umfeld, die wir mit dem, was wir tagtäglich tun, beeinflussen.

Anders gesagt: Es ist wichtig, dass du deinen Mund aufmachst, wenn dir etwas nicht gefällt und wenn du etwas zu sagen hast. Ohne erhobenen Zeigefinger, aber so persönlich, aufrichtig, humorvoll und mutig, wie du bist.

Louisa Dellert (*1989) ist Influencerin und Unternehmerin. Sie gründete zunächst eine erfolgreiche Fitnessseite und widmet sich heute in ihrem Podcast und auf ihren Social-Media-Kanälen den Themen Nachhaltigkeit und Politik. www.louisadellert.com

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