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Sven Plöger

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Liebe Erde,

ich muss mich entschuldigen. Bei Dir! Und zwar aus tiefstem Herzen! Dafür, dass Du Homo sapiens hast. Das sind eigentlich wir Menschen in Wissenschaftlersprache, es klingt aber irgendwie eher nach einer Krankheit. Jetzt muss ich schmunzeln über diese selbsterkannte Wahrheit, auch wenn es so lustig eigentlich nicht ist. Und auch wenn mancher nun möglicherweise witzeln wird, dass das ja vorübergeht, so ist meine Entschuldigung auch mit großer Sorge verbunden.

Wir Menschen nutzen die vielen Ressourcen, die Du uns bietest, als gäbe es kein Morgen oder als hättest Du irgendwo einen Zwilling, auf den wir im schlechtesten Fall einfach umsiedeln könnten. In unserem sich immer schneller drehenden Hamsterrad des Höher-Schneller-Weiter-Mehr, dessen Sinn kaum jemand von uns je ernsthaft hinterfragt, verlieren wir mehr und mehr den Respekt. Vor Dir, aber auch vor den vielen Menschen, die durch unsere seltsame Form der Verteilung dessen, was wir Wohlstand nennen, unter immer ärmlicheren Verhältnissen leben müssen. Von Flora und Fauna ganz zu schweigen.

Wir drängen andere Lebewesen rücksichtslos zurück und erschrecken erst dann, wenn wir bemerken, dass sie plötzlich fehlen. Seien es die Bienen oder andere Insekten, die wir im Alltag im Wesentlichen ignorieren und die uns allenfalls nerven, wenn sie im Sommer die Scheiben unserer über die Autobahnen rasenden Fahrzeuge verschmieren. Warum fliegen die nicht einfach woanders lang? Aber das Problem schmutziger Autoscheiben verschwindet ja mit dem Insektensterben nun gleich mit. Wer gar keine Antennen für die Umwelt hat, freut sich drüber, aber viele von uns merken so langsam, dass da – und an vielen anderen Stellen – etwas einfach nicht mehr stimmt. Apropos Rasen auf Autobahnen: Das ist ein echter deutscher Sonderweg und der ist wirklich be.scheuer.t. Ich verspreche Dir, liebe Erde, dass ich mich weiter dafür einsetzen werde, dass auch wir es bald schaffen, ein Schild aufzustellen, wo draufsteht, dass wir »nur noch« 130 Kilometer pro Stunde fahren dürfen. Wer 250 km/h will, kann Bahn fahren. Die machen das!

Aber manchmal fehlt nicht nur etwas, wie unsere wichtigen Blütenbestäuber, die eine so wesentliche Aufgabe für unsere Nahrungskette erfüllen, sondern es kommt auch etwas neu dazu. Das Coronavirus zum Beispiel. Das gab es früher nicht, und ich finde es eigentlich überflüssig, denn das Leben ohne Pandemie war besser als mit! Mit dieser Meinung stehe ich übrigens nicht alleine, auch wenn manche behaupten, es gäbe gar keine Pandemie. Von welchem Virus diese Damen und Herren befallen sind, würde mich übrigens brennend interessieren. Dir, liebe Erde, könnte genau das helfen: Gelangen wir nämlich zur Durchseuchung mit diesem Wahnsinnsvirus, dann könnten wir durch vollkommen widersinniges Verhalten dazu beitragen, Dich schneller als gedacht von uns zu befreien. Aber ganz ehrlich fände ich es schon cool, wenn wir einen anderen Weg fänden. Einen, bei dem Du und wir uns irgendwie arrangieren könnten. Ich habe verstanden, dass Du einfach da bist und wir die Aufgabe haben, unser Miteinander zu gestalten. Sinnvoll und fair. Mein bescheidener Gestaltungsbeitrag soll darin bestehen, anderen Menschen zu erklären, warum es vernünftig ist, nicht an dem Ast zu sägen, auf dem man sitzt. Meine Erfolgschancen hängen davon ab, ob es mir gelingt, die richtigen Worte zu finden: Ich muss es schaffen, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger zu missionieren, sondern an den Verstand zu appellieren und schwierige Themen – wie die Zusammenhänge beim komplexen Thema Klimawandel – so zu übersetzen, dass das auch jemand kapiert, der sich nicht den ganzen Tag mit der Lösung nichtlinearer Differenzialgleichungssysteme beschäftigt. Bevor ich Dir nun aber meine Begeisterung über Physik, Mathematik, Meteorologie und besonders Wolkenformen wie Cumulonimbus capillatus incus in epischer Länge aufdränge, möchte ich mit einer Erkenntnis schließen: Die Ästhetik dieser Wolken und überhaupt der gesamten Natur, die Du uns bietest, ist so unendlich beeindruckend, dass wir zumindest theoretisch befähigt wären, den Respekt vor Dir zurückzugewinnen! Zum Beispiel durch Entschleunigung unseres raffgierigen Lebens und das schlichte Betrachten der Schönheit unseres Planeten. Ich freue mich jedenfalls, dass Du mich trotz allem beherbergst, und möchte Dir dafür sehr danken!

So, und jetzt mache ich mir mal einen Kaffee – habe mir Fair-Trade-Bohnen aus Burundi gekauft. Sind nicht billig, aber das Gebräu ist super! Also, danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diese Zeilen von einem Siebenkommaachtmilliardstel der Menschheit zu lesen – und ich drücke uns gemeinsam die Daumen!

Dein Sven Plöger (diplomierter Wetterfrosch)

PS:

Ich habe es gestern noch nicht geschafft, den Brief zur Post zu bringen, deshalb liegt alles noch hier rum. Drum füge ich schnell noch eine Frage an. Vielleicht kannst Du sie mir beantworten, denn so wie ich ja auf Dich schauen kann, wirst Du mutmaßlich auch auf uns schauen und Dir so einige Gedanken machen. Mutmaßlich wirst du viel über uns Menschen staunen. Dieses Wahnsinnsvirus, von dem ich im Brief schrieb und von dem einige immer noch glauben, es sei eine Grippe und Kinder würden an Luftmangel sterben, wenn sie eine Maske tragen, und welches zulässt, dass wir auch so verrückt widersprüchliche Wortkonstrukte wie »alternative Fakten« flüssig aussprechen können, ohne entweder einen Lachkrampf zu kriegen, weil diese beiden Worte doch einfach nicht zusammengehen, oder wenigsten massiv ins Stolpern kommen … also … ist dieses Wahnsinnsvirus auch dafür verantwortlich, dass wir in demokratischen Ländern, wo es heute so viel Meinungsfreiheit gibt, wie wir es auf dieser Welt noch nie erlebt haben, glauben, die Meinungsfreiheit würde extrem eingeschränkt? Warum fangen Menschen an zu denken, Meinungsfreiheit bedeute, dass sich andere gefälligst der eigenen Meinung anzuschließen haben? Ein Phänomen, was meiner Meinung nach – huups, jetzt muss ich wieder schmunzeln, bilde ich mir doch gerade eine Meinung über die Meinung – besonders dann mit Inbrunst verfolgt wird, wenn die eigene Meinung auf dünnen oder am besten gar keinen Fakten basiert. Ich habe vor einiger Zeit in einer TV-Talkshow den Satz »Je lauter, desto blöd!« formuliert. Den finde ich immer noch ganz gut! Du auch? Aber es wäre toll, wenn Du mir ein solches Gebaren erklären könntest. Das kann doch nicht alles allein an Social Media liegen. Social Media zeitigt zwar einige üble Auswüchse, aber man bekommt da – wenn man möchte – auch richtig tolle Informationen. Es ist wie überall, nichts ist »nur gut« oder »nur schlecht«. Gute Nacht.

PPS:

Bin gerade kurz aufgewacht, weil mir in einem Traum ein Klimaforschungsleugner mit schriller Stimme ins Gesicht schrie: »Die Sonne macht das Klima, und der Mensch kann nichts dafür, und 1 Grad ist auch bedeutungslos. Das ist meine Meinung und damit Basta!« Und dann kam noch ein übles Schimpfwort, das ich hier nicht hinschreiben möchte. Zum Thema Meinung fiel mir außerdem noch ein, dass bei den Tagesthemen – Du weißt, für die wettere ich ja allabendlich – der Kommentar nun nicht mehr Kommentar heißen darf, sondern Meinung. Verrückt. Willst Du meine Meinung dazu wissen?

PPPS: Ich finde das Wort Klimaforschungsleugner wirklich gut. Es ist übrigens gar nicht meine eigene Erfindung, sondern ich habe das neulich in einem Podcast von Katharina Nocun gehört – was wieder zeigt, wie bereichernd das Internet sein kann! Ein Ausdruck wie Klimaskeptiker trifft die Sache schließlich gar nicht. Skepsis ist sehr gesund, und jeder sollte sie haben. Aber einfach den Forschungsstand nicht zu kennen oder bewusst zu ignorieren oder sich schlicht nicht die Mühe zu machen, etwas Komplexes verstehen zu wollen, mündet ja nicht in das vernünftige Wort Skepsis, sondern ist allenfalls mit dem Wort bräsig zu umschreiben. Und Klimaleugner ist unvollständig. Denn niemand leugnet ja das Klima. Wenn es das nicht gäbe, dann gäbe es auch kein Wetter, denn Klima ist ja nun mal die Statistik des Wetters. Und dass es Wetter gibt, würde ich gerade mit meiner beruflichen Ausbildung nicht bezweifeln wollen. Das wäre so ähnlich, als würde jemand die Schwerkraft bezweifeln. Das ist übrigens sehr gefährlich, wenn man etwa an einer Dachkante steht und einen Schritt nach vorne machen möchte. Hier wird der »alternative Fakt«, dass die Schwerkraft eine Erfindung der Chinesen sei und es sie eigentlich gar nicht gebe, übrigens von nur sehr wenigen Leuten bemüht. Und wenn, dann auch nur sehr kurz …

PPPPS: Ich weiß nicht, welche Briefmarke ich brauche, um die Post an Dich loszuschicken? Ich muss nachfragen, aber da mein kleines Postamt um die Ecke geschlossen wurde und ich jetzt weit fahren muss (mit dem Fahrrad natürlich!), komme ich erst morgen dazu, den Brief zu versenden. Ich könnte natürlich stattdessen in den kleinen Laden, der nun Postamt spielen darf oder muss, gehen. Der ist nicht so weit entfernt. Aber mir fällt gerade ein, dass er heute, wie jeden Mittwoch, geschlossen hat. Das ist aber nicht so schlimm, denn einkaufen kann man hier sowieso nie etwas. Schließlich sind die Gänge zwischen den Warenregalen so sehr mit Paketen zugestellt, dass man beim Versuch, ein Regal zu erreichen, automatisch randaliert, egal was für ein defensiver Mensch man eigentlich ist. Aber wo kommen diese Massen von Paketen her? Klar, wir brauchen stets viel Neues, und in den sterbenden Innenstädten ist es mittlerweile ja auch recht langweilig, weil sich die Geschäfte mit den überteuerten Mieten gar nicht mehr halten können. Da lässt man sich das ein oder andere Paket dann lieber schicken, und der Chef eines großen Onlineversandhändlers mit großem A freut sich, dass der Aufstieg vom Multimilliardär zum Billionär vielleicht doch leichter ist, als er befürchtet hatte. Aber mich beschäftigt ein anderer Gedanke, wenn ich auf die Massen an Waren schaue, die in unseren Industrienationen täglich erworben werden: Unser ganzes Wirtschaftssystem ist unendlich fragil. Wenn wir nicht ständig Waren konsumieren, dann bricht alles zusammen. Das haben uns die Shutdowns während der Coronaepidemie deutlich gemacht. Blitzschnell kann man in die Pleite rauschen, und das wünsche ich natürlich niemandem. Aber im Prinzip zeigt uns das auch, dass unser gegenwärtiges System nur in Gang gehalten werden kann, wenn wir, liebe Erde, in einem fort Dinge aus Deinen kostbaren Ressourcen herstellen. Diese verwenden wir mal mehr, mal weniger oder manchmal auch gar nicht, Am Ende zerkleinern wir sie zu Müll, von dem wir oft nicht so genau wissen, wo wir ihn lagern sollen. Wir sind wirklich verrückt! Und noch verrückter ist, dass viele von uns nicht merken oder merken wollen, dass das Ganze auf Dauer nicht funktionieren kann. Deshalb wird ja auch immer öfter das Wort Nachhaltigkeit benutzt, manchmal sogar inflationär. Aber wir tun viel zu wenig, um das Problem anzupacken. Meistens reden wir nur drüber und beklagen uns oft sogar weinerlich über unsere Situation. Das ist wie beim Klimawandel. Durch unsere fortschreitenden Emissionen von Kohlendioxid und anderen Gasen erwärmen wir Deine Lufthülle mehr und mehr. Dadurch ändern sich die gewohnten Wetterabläufe, und das Wettergeschehen wird spürbar extremer. Am Ende sind wir dann Opfer und Täter zugleich. Das ist eine schwierige Doppelrolle, die für viele von uns schwer einzusehen ist. Und noch schwerer ist es, daraus dann ernsthafte Konsequenzen zu ziehen – mit Rücksicht auf Dich und damit eben auch wieder auf uns selbst. Wir müssen also bereit sein, uns zu verändern, und das fällt Gewohnheitstieren wie uns Menschen ganz besonders schwer. Wenn nur zehn Prozent Idealisten bereit sind, das zu tun, so reicht dies leider nicht. Deshalb müssen wir in einem demokratischen Diskurs Regeln ersinnen, die aus unserer Marktwirtschaft eine ökosoziale Marktwirtschaft machen. Dafür muss man handeln und bereit zur Veränderung sein. Wer das nicht für sich selbst tun will, weil ihm oder ihr das alles egal ist, der soll diese Konsequenzen dann eben nicht für sich, sondern für seine Kinder und Enkel ziehen. Gründe für vernünftiges Verhalten findet man immer.

PPPPPS: Wir könnten als Deine Gäste gemeinsam so viel leisten und verbessen, aber wir sind einfach kognitiv dissonant. Wir sagen so oft A und tun dann B und wundern uns, dass wir unsere Ziele nicht erreichen. So sprachen wir noch nie so oft wie 2019 – dem Jahr vor Corona – über Umwelt- und Klimaschutz! Auf allen Kanälen rauf und runter. Verbal eine richtige Aufbruchstimmung. Aber in der Praxis ist die Bilanz das Gegenteil: Noch nie wurde so viel geflogen wie im Jahr 2019, noch nie wurden so viele Kreuzfahrten auf riesigen schwerölverbrennenden Kähnen gemacht wie im Jahr 2019, noch nie wurden so viele riesige SUVs zugelassen wie im Jahr 2019, und noch nie haben wir auf der Welt so viel Plastikmüll produziert wie im Jahr 2019. Verstehst Du das? Ich nicht. Aber wir sagen ja auch seit Jahrzehnten, dass wir die Welt gerechter machen wollen, und sorgen gleichzeitig dafür, dass die 85 reichsten Menschen der Welt genauso viel besitzen wie die – Achtung, kein Schreibfehler – 3,5 Milliarden ärmsten. Verrückt!

PPPPPPS: Zum Schluss möchte ich noch flott die Gelegenheit nutzen, Dir in aller Kürze zu erzählen, wie genau ich als Meteorologe die Klimakommunikation ein bisschen verbessern möchte. Abgesehen davon, dass ich die komplizierten Zusammenhänge in unserem Klimasystem mit all seinen natürlichen Schwankungen mit stoischer Geduld immer wieder erkläre, ist es die Haptik des Klimawandels, die helfen kann. Den Leuten muss klar werden, dass der Klimawandel die Wetterabläufe verändert. Wir erleben heute die Wettererscheinungen, die uns die Klimaforschung vor circa 30 Jahren vorhergesagt hat: lange Dürrephasen, wie die Dürre seit 2018, aber auch Starkregen mit Überschwemmungen und Schlammlawinen, Schwergewitter, Waldbrände auf immer größeren Flächen, wie zum Beispiel in Australien oder Kalifornien. Das zeigt übrigens die große Qualität dieser Wissenschaft. Es muss jedem klar werden, dass es vernünftig ist, auf diejenigen zu hören, die sich auf wissenschaftlicher Basis mit bestimmten Themen beschäftigen, und dass frei erfundene Narrative mit dem Ziel, sich die Welt schönzureden, einfach nicht helfen. Das ist wie beim Coronavirus. In den Ländern, wo man auf die Wissenschaft gehört hat, ist man wesentlich besser durch die Pandemie gekommen als dort, wo teilweise bis ins höchste Staatsamt wirre Beiträge von narzisstischen Figuren abgesondert wurden. Das ist tragisch, denn dadurch sind Menschen ums Leben gekommen, die nicht hätten sterben müssen. Genau dasselbe wird uns beim Klimawandel passieren, wenn wir nicht auf die Fachleute hören. Das trifft auch auf alle anderen Lebensbereiche zu. Eine schwierige Herzoperation kann auch nicht mal eben so der Gärtner um die Ecke durchführen, da sollte ein Facharzt im Einsatz sein!

Man muss den Menschen klarmachen, dass eine Erwärmung um 4 Grad, die uns bis zum Ende des Jahrhunderts widerfahren könnte, wenn wir keinen Klimaschutz betreiben, wirklich dramatisch ist. Nicht weil es nicht schon immer Klimawandel in Deiner Atmosphäre gab, sondern weil dieser Klimawandel global viel schneller passiert, als das früher der Fall war. Und solch raschen Veränderungen können viele von uns, aber vor allem auch Pflanzen und Tiere nicht folgen! Diese Beschleunigung des Klimawandels verursachen wir Menschen, das müssen alle verstehen. Und weil es so schwer ist, 4 Grad einzuordnen, erkläre ich oft, wie eine global 4 Grad kältere Welt einmal aussah. Das war am Ende der letzten Eiszeit. Die damalige Welt war eine ganz andere als die heutige: Alle Alpentäler waren mit Eis aufgefüllt, niemand hätte dort leben können. Berlin lag 500 Meter unter Eis, Skandinavien sogar zwei bis drei Kilometer, und die heute so wichtige Stadt New York war unter 1500 Meter dickem Eis vergraben. Da ist es doch logisch, dass eine 4 Grad wärmere Welt ganz genauso mit der heutigen Welt nichts zu tun haben wird. Dazu gibt es Kipppunkte im System: Wenn wir das Grönländische Eis verlieren, wird es nicht einfach wieder zurückkommen, und das wird fatale klimatische Folgen für viele Regionen dieser Welt haben. Dann ist da noch die mögliche Zerstörung Deiner Lunge, liebe Erde. Wenn wir den Amazonas-Regenwald so weit abholzen, dass er zu einer Savanne wird, dann ist das nicht nur gnadenlos dümmlich von uns, sondern wir zerstören auch unseren zentralen Sauerstoffproduzenten. Ein Fünftel des Sauerstoffs für alle Menschen wird schließlich hier produziert. Dass Du dafür sorgst, dass der für uns ja nun mal nicht ganz unwichtige Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre bei 21 Prozent liegt, ist keine Selbstverständlichkeit. Das verstehen aber so einige Homo sapiens leider nicht. Sauerstoff ist für sie eben einfach da – und fertig. Ich werde es ihnen aber immer wieder und wieder erklären, dass die Produktion von Sauerstoff kein willkürlicher schöner Zufall ist. Was ich trotz aller Dramatik aber auch immer wieder tun werde, ist, den Menschen zu sagen, dass wir wirklich noch Chancen haben. Daran zu glauben, dass wir das alles in den Griff bekommen können, ist nicht naiv, sondern unsere einzige Möglichkeit! Denn weinerlich und passiv in einen selbstgemachten Untergang zu taumeln, ist wirklich trostlos und der nachfolgenden Generation gegenüber maßlos unfair. Den Satz »Das schaffen wir alles nicht, es ist zu spät« will ich von niemandem mehr hören. Schließlich sagt auch die Klimaforschung, dass wir es theoretisch noch packen können, auch wenn wir in der Praxis noch arg hinterherhinken. Aufzugeben wegen eigener Unbeweglichkeit – so was kann ich nicht leiden. Und Du bestimmt auch nicht.

Herrje, wie die Zeit vergeht. Jetzt radle ich endlich zur Post, damit Du meinen Brief auch schnell bekommst und er nicht einfach jeden Tag länger und länger wird! Irgendwann gehen schließlich die PS aus.

Sven Plöger (*1967) ist Diplom-Meteorologe, moderiert Wettersendungen in der ARD und wurde als Bester Wettermoderator Deutschlands ausgezeichnet. Er hält Vorträge über Wetter und Klima. Zuletzt schrieb er den Bestseller »Zieht euch warm an, es wird heiß« und entwickelte gemeinsam mit dem SWR »Sven Plögers Klimablick« (u.a. ARD-Mediathek). Hier gibt es auch eine Folge, bei der es um die in ihrer Klimabedeutung oft unterschätzten Moore geht. www.meteo-ploeger.de

Liebe Erde

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