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Vorwort

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Es gibt Momente, die verändern das Leben für immer: die Geburt eines Kindes genauso wie der, in dem man die Liebe seines Lebens trifft, eine bedeutsame Freundschaft schließt oder neue Prioritäten für sich entdeckt.

In diesem Buch geht es um die Ereignisse, die in Menschen den Wunsch weckten, sich für den Klimaschutz und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen einzusetzen. Es geht darum, wie grundlegend sich das Handeln, ja das Leben eines Menschen nach dieser Erkenntnis verändern kann. Prominente Persönlichkeiten sowie Aktivist*innen und Klimaschützer*innen erzählen, welche Erfahrung sie dazu gebracht hat, sich einzusetzen, und warum dieser Einsatz sich lohnt. Ihre Texte sind eine Liebeserklärung an die Natur, sie sind wütend und hoffnungsfroh, und sie zeigen: Wir können viel verändern!

Und das ist dringend nötig. Wie ein Killervirus zerstört die Menschheit ihren eigenen Wirt – unseren Planeten – und gefährdet damit ihr eigenes Überleben. Liebe Erde, du fragst dich bestimmt, was nur über die Menschen gekommen ist, dass sie derart maßlos in deinem Paradies wüten. Leider haben wir Menschen – speziell in Europa – die Denkweise, die zu diesem Ökozid, zu deiner großflächigen Zerstörung führt, seit Jahrhunderten eingeübt und perfektioniert. Unser Denken und Wirtschaften war lange Zeit darauf ausgerichtet, dich zu bezwingen, um selbst zu überleben. Und noch immer beruht das Wirtschaftssystem der westlichen Welt darauf, dass wir andere Länder nutzen, um unseren unendlichen Ressourcenhunger zu stillen. Dieses Denkmuster wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Es hat sich tief in unser Wirtschaftssystem eingebrannt, so tief, dass es bisher unmöglich war, als Gemeinschaft neue Verhaltensweisen anzunehmen und in Gesetze zu gießen. In Deutschland und Europa erließen wir zwar hier und da Gesetze zu deinem Schutz, aber diese reichen nicht aus, um dein CO2-Fieber zu senken.

Wann also fällt uns hochintelligenten Menschen nun endlich ein, wirksame Maßnahmen gegen die herannahende Klimakatastrophe zu treffen? Da wir die Natur mittlerweile derart beschnitten, verändert, zurückgedrängt und nach unserem Gutdünken verändert haben, dass deine jetzige Erscheinungsform und damit unser Lebensraum gefährdet ist, gibt es für mich nur eine logische Schlussfolgerung: In einem revolutionären Schritt sprechen wir dir ein Recht auf Existenz zu – oder räumen dir zumindest so viel gesetzlichen Schutz ein, dass unsere Lebensbedingungen gesichert sind. Für das Senken deines CO2-Fiebers müssten jahrhundertealte Denkweisen ungültig werden. Neue Werte und Verhaltensregeln müssten in Kraft treten und entwickelt werden. Eine beängstigend große Aufgabe für uns Menschen, obwohl wir uns zu den intelligentesten Lebewesen auf diesem Planeten erklärt haben.

Dir fällt ein Widerspruch auf, liebe Erde? Indem wir deine Zerstörung über Jahrhunderte so schlau perfektioniert haben, handelten wir Menschen offensichtlich irrational gegenüber unseren Lebensgrundlagen. Das Problem ist, dass wir eine Wirtschaftsweise geschaffen haben, in der es kurzfristig belohnt wird, also rational ist, die Natur zu zerstören. Die Gewinnmaximierung ist in unserem Wirtschaftssystem momentan die einzige Maxime. Dieser Widerspruch zeigt leider eine prägende Eigenschaft der Menschen: Wir denken schlau und handeln dumm, in Fachkreisen auch kognitive Dissonanz genannt.

Offensichtlich fällt es uns Menschen schwer, einen neuen Verhaltenskodex zu entwickeln, der den jahrhundertelangen Krieg gegen dich, liebe Erde, endlich beenden würde. Die Veränderung, die nötig ist, um weiterhin dein Gast sein zu dürfen, ist derart groß, dass wir von dieser schier unlösbaren Aufgabe häufig überwältigt sind. Einige ziehen sich zurück und genießen ihren Aufenthalt auf Erden, ohne sich um die Beherbergungskosten zu kümmern. Obwohl die Wissenschaft seit geraumer Zeit darauf hinweist, wie sehr wir Menschen unser Ressourcenbudget überreizen, toben wir uns weiterhin maßlos aus. Erst jetzt, wo sich die Warnzeichen – stärkere und häufigere Hitzewellen, allgemein steigende Temperaturen, Dürren und Überschwemmungen – mehr und mehr in unseren westlichen Alltag drängen, wächst die Zahl derjenigen, die dagegen aktiv werden.

Inzwischen merken immer mehr Menschen auch in Deutschland, wie sehr du dich, liebe Erde, veränderst: Dass wir uns immer häufiger nachts bei tropischen Temperaturen schwitzend im Bett wälzen und nicht zur Ruhe kommen, ist nur ein Beispiel dafür. Und je mehr Nachrichten uns über die tauenden Eismassen an den Polen erreichen, desto häufiger beschleichen uns beunruhigende Gedanken: Was bedeutet der steigende Meeresspiegel für die Küsten und Küstenbewohner*innen weltweit? Was muss also geschehen, bis wir Menschen die Klimakrise angehen und deinen Erhalt für uns und die nächsten Generationen sichern, liebe Erde? Wenn die Küsten erst überschwemmt, fruchtbare Böden erst verdorrt und Flüsse erst versiegt sind, dann bleibt kaum noch Handlungsspielraum.

Es braucht einen radikalen Wandel dringender denn je, jetzt, sofort. Es ist an der Zeit, etwas Neues zu versuchen.

Dass dieses Neue nichts ist, wovor man Angst haben muss, sondern im Gegenteil Spaß macht, das zeigen die im Folgenden gesammelten Briefe. Sie berichten vom Wertewandel, der bereits stattgefunden hat, und von den Erlebnissen, die ihn auslösten. Denn bevor wir nach Lösungen für ein Problem suchen können, müssen wir erst einmal wissen, dass wir ein Problem haben. Dieser Punkt ist die Voraussetzung für alles Handeln, und so steht er im Fokus dieses Buches: Was ist nötig, um Menschen zum Umdenken zu bewegen?

Die entscheidende Idee hatte ich bei der Klimawache Berlin, einer kleinen monatlichen Klimademo, die ich mit anderen Aktivistinnen und Aktivisten ab September 2018 über ein Jahr lang organisierte, mal vor dem Kanzlerinnenamt, mal vor dem Brandenburger Tor. Ziel war es, auf der Straße für den Klimaschutz einzutreten, Wissen auszutauschen und sich zu vernetzen.

An einem eisigen Februarabend im Jahr 2019 sprach dort Luisa Neubauer, die damals die deutsche Fridays-for-Future-Bewegung mit ins Leben rief. Ich fragte sie, wie es dazu kam, dass sie sich bei Fridays for Future engagiert. Luisa erzählte, wie beeindruckt sie gewesen war, als sie bei der Klimakonferenz in Kattowitz im Dezember 2018 Greta Thunberg und ihren Vater traf. Sie selbst wollte nun freitags auch auf die Straße gehen. Das blieb mir in Erinnerung, und ich beschloss, in Zukunft mit allen Redner*innen der Klimawache über ihren persönlichen Aha-Moment in Sachen Klimaschutz zu sprechen.

Viele Momente, von denen ich auf diese Weise erfuhr, waren privater als der, von dem Luisa erzählte. Influencerin Louisa Dellert wurde klar, dass sie kaum etwas über den Plastikmüll in unseren Ozeanen wusste, bis sie bei einem Fotoshooting mittendrin schwamm. Es war der Impuls, ihr Leben als Fitnessbloggerin komplett umzukrempeln und das, was sie über ein nachhaltiges Leben lernte, mit den Menschen zu teilen, die ihr auf ihrem Social-Media-Kanal folgen.

Ich bemerkte, dass die wenigsten Menschen wissenschaftliche Daten aufzählen, wenn sie nach den Gründen für ihren Einsatz im Klimaschutz gefragt werden. Sich über den Gesundheitszustand unseres Planeten und die Klimakrise zu informieren, ist in der Regel der zweite Schritt. Zuvor kommt meist eine persönliche Erkenntnis, die eine Veränderung im Denken und Wahrnehmen auslöst.

Selten vergessen wir den Moment, in dem wir uns entscheiden, etwas für den Erhalt unserer Welt zu tun. Erlebnisse wie die gerade geschilderten haben die Macht, unser Leben zu verändern. Im Gespräch mit der Autorin Anne Weiss entstand die Idee, ein Buch über eben diese persönlichen Wege zum Engagement herauszugeben. Wenn wissenschaftliche Daten die Mehrheit der Gesellschaft über Jahrzehnte nicht dazu brachten, für den Erhalt der Natur einzutreten und ihren rechtlichen Schutz einzufordern, würden dann diese persönlichen Gedanken vielleicht einen Unterschied machen?

Die Menschen, die in Sachen Klimaschutz aktiv geworden sind, veränderten ihre Prioritäten: Sie gehen achtsamer mit sich, der Welt und ihren natürlichen Ressourcen um. Diese Menschen haben das, was im Leben wichtig ist, neu geordnet. Und sie stecken andere mit ihren Ideen an. Mir wurde klar: Es ist genau dieser innere Wandel, der einen gesellschaftlichen Wandel bewirken kann. Und der ist mehr als überfällig. Ich hoffe, liebe Erde, dass wir Menschen schnell verstehen, dass wir Teil deines Lebensnetzes sind und dass wir nur mit vereinten Kräften gegen die rasante Veränderung deiner klimatischen Bedingungen und den Verlust ganzer Ökosysteme angehen können. Denn die Natur ist die majestätische, unbezwingbare, ruhige, uralte, wunderbare, vielfältige, kreative und unendlich mächtige Quelle allen Lebens auf der Erde. Mit jedem Atemzug, den wir machen, gibt uns die Natur die Kraft zum Leben.

Vor allem steht die Entscheidung der Menschen, dich, liebe Natur, mindestens als gleichwertig zu behandeln, zu achten und deine Grenzen anzuerkennen – auch wenn das heißt, uns neue Regeln aufzuerlegen und uns von Bequemlichkeiten zu verabschieden. Die Zeit dafür ist mehr als reif. Hoffnung ist da. Immer mehr Menschen sehnen sich nach einer Gesellschaft, die sich am Buen Vivir orientiert – also am guten Leben und an den Rechten der Natur – statt am stetigen Wirtschaftswachstum. Die große Frage ist, kommt der Wandel noch früh genug, bevor wir Menschen das Netz des Lebens zu sehr aus der Balance gebracht haben?

Wir haben jetzt die Wahl zu entscheiden, wie wir leben wollen und wie wir dich – unsere Welt – unseren Kindern hinterlassen möchten.

Wie fangen wir an?

Folgen wir den Menschen, liebe Erde, die sich, manche seit Jahrzehnten, mit großem Engagement für dich einsetzen, folgen wir ihren Wünschen und Hoffnungen für dich, unsere Welt. Ihre Briefe zeigen, wie unterschiedlich das Engagement für den Erhalt unserer Lebensbedingungen aussehen kann. Doch eins haben alle 33 Briefe gemeinsam: Sie sind Teil der Lösung, die uns ein Überleben auf diesem Planeten sichern kann.

Lassen wir uns überraschen!

Molina Gosch

Berlin, Dezember 2020

PS: Ich freue mich, von Ihnen zu hören:

liebeerde@posteo.de

PPS: Maximaler Dank gilt allen Beitragenden, die wie ich honorarfrei an diesem Buch mitwirkten, um mit dem Erlös die Arbeit der Michael Succow Stiftung zu unterstützen.

Liebe Erde

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