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Lucas Cejpek Die große Kurve

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Das steinerne Untier mit einer Krone und einem Schweif aus Eisen sitzt in einer Nische hoch oben in der Fassade des Hauses Schönlaterngasse 7 und erinnert an das statistische Ungeheuer, das seit März 2020 auf unseren Bildschirmen erscheint. – Allein schon der Atem des Eidechsenkönigs ist tödlich, warnte der Weltweise, der 1212 von der Wiener Stadtregierung um Rat gebeten wurde. – Nach 808 Jahren ist das im Hausbrunnen verschüttete Mischwesen aus Schlange, Kröte und Hahn als gelber Kranich zu neuem Leben erwacht. Cui Hao schrieb im 8. Jahrhundert, dass die Kranichpagode von Wuhan das Einzige sei, was an den Vogel erinnere: Der gelbe Kranich ging und kehrt nicht wieder, / Weiße Wolken ziehen langsam über tausend Jahre. – Um 77 nach unserer Zeitrechnung hat Plinius der Ältere in seiner 37-bändigen Naturgeschichte zum ersten Mal den König der Schlangen beschrieben, mit einem weißen Fleck auf dem Kopf, der an eine Krone erinnert. – In mittelalterlichen Tierbeschreibungen schlüpft der Basilisk aus einem Ei, das ein Hahn gelegt und eine Schlange oder eine Kröte ausgebrütet hat. Sein Atem ist giftig, und wer in seine Augen schaut, wird zu Stein. Wenn man ihm einen Spiegel vorhält, zerplatzt das Untier vor lauter Wut in tausend Stücke. – Wie verhält sich eine Kurve zu einem Spiegel? Ein Verkehrsspiegel kann die Sichtverhältnisse verbessern, aber auch zur Entstehung von toten Winkeln führen. – Der Verlauf der roten Kurve muss abgeflacht werden, damit die nationalen Gesundheitssysteme nicht überfordert werden. Bis dahin müssen alle Gesichtsmasken tragen. – 2004 hat Georg Hofer das rotglühende Auge des Basilisken in einem Spiegel fotografiert und das Foto ins Netz gestellt. – Historische Ungeheuer wurden in vielen Naturaliensammlungen gezeigt, Kombinationen von Körperteilen unterschiedlicher Tiere. Der Basilisk hatte eine große blaue Nase und drei Hörner auf dem Kopf und Stacheln am Hinterkopf, am Hals und am Rücken. Sein Leib war mit Schuppen bedeckt wie der Leib des Pangolin, das als Überträger des Virus auf den Menschen gilt. Auf dem Wildtiermarkt von Wuhan werden neben dem Schuppentier Stachelschweine, Schleichkatzen, Waschbären, Schlangen und Fledermäuse verkauft. – Der Basilisk war in einem feuchten Keller aus dem Ei geschlüpft und hatte sich im Brunnen des Hauses Schönlaterngasse 7 eingerichtet, wo er von einer Magd entdeckt wurde. In einer Mauernische im Parterre des Nachbarhauses kauert sie neben dem Untier am Boden, das weiße Kleid wirft Falten, wie die weiße Haube des Mannes, der sich über den Brunnenrand beugt, einen Spiegel in der Hand: Der Rahmen des Spiegels ist so rot wie die Lippen der Frau. – Der Chefberater des österreichischen Gesundheitsministers trägt die Uniform des Roten Kreuzes. – Das Basiliskenhaus wurde in den Kriegsjahren 1939–45 beschädigt und 1952–53 wiederhergestellt, steht auf einer Tafel neben dem Eingangstor, die Tafel darunter erinnert an Erwin Abeles, Sissel Berkowicz, Pauline Ekstein, Rudolf Ekstein und Alois Löwy, die bis zu ihrer Deportation 1939–42 hier gewohnt haben. Eine historische Tafel wirbt für das Schreibbüro E. Petrovsky, das Geschäft Treasures & More hat Gemälde, Gläser und Porzellan in der Auslage, und in den Auslagen von Georg Fritschs Antiquariat & Buchhandel sind aufgrund des Ausnahmezustands VER SACRUM- und Die Gesellschaft-Hefte, hrsg. v. Martin Buber, liegen geblieben, in der Mitte Jörg Schlicks Plattencover KEINER HILFT KEINEM. – 2001 hat mir Jörg seinen Ausstellungskatalog mit dem Titel GLEICH SCHEUEN HIRSCHEN IN WÄLDERN VERSTECKT ZU LEBEN mit K.H.K. signiert. – H. C. Artmanns Proklamation des poetischen Actes von 1953 hängt in den Fenstern des Antiquariats, im Original und in englischer Übersetzung: Der poetische Act ist jene Dichtung, die jede Wiedergabe aus zweiter Hand ablehnt, das heißt, jede Vermittlung durch Sprache, Musik oder Schrift. – Der Basilisk machte sich durch einen infernalischen Gestank bemerkbar, der aus dem Brunnen aufstieg. Die Magd des Bäckers konnte kein Wasser schöpfen und rief um Hilfe, worauf sich der Geselle an einem Seil in den Schacht hinabließ, der Wien an der Donau mit Wuhan am Zusammenfluss von Jangtsekiang und Han-Fluss verbindet. Dort hat Hans der Gelbhaar gelernt, wie man Garnelenknödel macht: Weizen- und Maniokmehl mischen, kochendes Wasser unterrühren und Öl hinzufügen und kneten, bis der Teig glatt und glänzend ist – einen Teelöffel davon nehmen und zum Ball rollen und mit dem Messer flachdrücken – einen gehäuften Teelöffel gehackte Garnelen in die Mitte geben und den Teig mit Daumen und Zeigefinger über der Füllung falten: Ein Har Gow sollte mindestens zehn Falten haben.

Sagen reloaded

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