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Praktisches Beispiel
ОглавлениеSchwester K. empfängt Herrn L. (74 J.), der wegen langjähriger Depression mit Rückzug und sozialer Isolation auf die Station aufgenommen wird. Schwester K. ist es wichtig, dass Patientinnen und Patienten sich auf ihrer Station willkommen fühlen. Sie möchte ihnen als Pflegekraft Unterstützung geben und Mut, den eigenen Weg wieder zu finden. Sie weiß, dass sie aufgebracht reagiert, wenn sie den Eindruck hat, dass Patientinnen und Patienten nicht »richtig mitmachen« wollen und dann anfängt zu argumentieren oder auf die Regeln zu pochen. Da dies aber nach ihrer Erfahrung oft zum Gegenteil des gewünschten Erfolgs führt, versucht sie, sobald sie dieses Verhalten bemerkt, bewusst einen »inneren Schritt zurück zu treten«, die Situation der Patientin oder des Patienten zu validieren und zu signalisieren, dass die Entscheidungsfreiheit bei ihr oder ihm liegt.
Schwester K.: Guten Tag, Herr L., willkommen auf unserer Station.
Herr L.: Ja, guten Tag.
Schwester K.: Sie sind zum ersten Mal hier bei uns?
Herr L.: (einsilbig) Ja.
Schwester K.: Ist es okay, wenn wir beide erstmal zusammen den Aufnahmebogen ausfüllen und dann zeige ich ihnen die Station?
Herr L.: Ich weiß nicht. Ich fühle mich zu nichts imstande. Kann ich mich nicht irgendwo hinlegen?
Schwester K. (Nimmt wahr, dass Ärger in ihr aufsteigt, sie diesen wieder loswerden will und dass sie den Impuls hat, Herrn L. streng zu sagen, dass der Bogen jetzt gleich ausgefüllt werden müsse. Ihre Erfahrung sagt ihr gleichzeitig, dass diese Reaktion sie ggf. von dem wegführt, was ihr in ihrer beruflichen Tätigkeit wichtig ist (etwa dem Wert, »hilfreich und wirksam sein«). Sie entscheidet sich deshalb bewusst dafür, zunächst den Kontakt zum Patienten zu verbessern. Dies gelingt oft z. B. durch Perspektivübernahme im Sinne einer validierenden Rückmeldung): Herr L., ich sehe, dass ihnen dies hier sehr schwerfällt. Es muss eine große Überwindung für sie sein, überhaupt hierher zu kommen.
Herr L.: Das können sie wohl glauben.
Schwester K.: Davor habe ich wirklich großen Respekt. Was hat ihnen denn geholfen, sich zu überwinden und trotz dieser Erschöpfung hier in Behandlung zu kommen?
Herr L.: Das weiß ich selber nicht. Ich glaube nicht wirklich, dass sie mir hier helfen können.
Schwester K.: Wenn ich mich in ihre Lage versetze, so fühlt sich das bestimmt sehr schlimm an, nicht zu wissen, was mich eigentlich hierher bewegt und auch nicht zu glauben, dass es Hilfe gibt.
Herr L. schaut überrascht, wirkt aber berührt und nickt.
Schwester K.: Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?
Herr L. nickt erneut.
Schwester K.: Mir ist es wichtig, dass wir ihnen hier so gut wie möglich helfen. Auch wenn das bedeutet, dass wir erst einmal genau schauen müssen, wohin es eigentlich gehen soll, weil sie es selbst im Moment gar nicht mehr wissen. (Pause, der Patient hat Zeit zum Nachdenken, fühlt sich nicht überrumpelt!) Ich sehe auch, dass ihnen vieles sehr schwerfällt. Mein Vorschlag ist deshalb: lassen sie uns beide erst einmal mit dem Fragebogen anfangen. Das ist ein erster Schritt und wir schauen, wie weit wir kommen. Und sie signalisieren mir, wenn sie eine Pause brauchen, okay?