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Praktisches Beispiel

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In der Teambesprechung einer Tagesklinik kommt Herr N. zur Sprache. Herr N. ist wegen schlecht einstellbarem Diabetes mit schmerzhafter Polyneuropathie, Adipositas und einer langjährig bestehenden Depression seit drei Wochen in Behandlung der Einrichtung.

Ergotherapeutin: Also, bei mir macht er zwar mit, lässt sich aber lieber von mir die Aufgaben geben. Es kommt wenig eigene Initiative.

Physiotherapeutin: Na, das ist ja wenigstens etwas. Bei mir zieht er sich total raus. Zweimal hat er einfach gesagt, er muss sich hinlegen, statt zur Therapiestunde zu kommen. Einmal war er dabei und hat die ganze Zeit auf der Bank gesessen.

Schwester: Morgens kommt er meistens zu spät. Er sagt, er schläft schlecht und will auch früh erst mal nur Blutdruckmessen und dann was zur Beruhigung und gegen Schmerzen. Er scheint mir richtig fixiert darauf.

Ärztin: Ja, auch in der Visite können wir kaum was anderes besprechen, als Medikamente rauf und runter. Und Massagen will er. Da kann er richtig fordernd werden. Aber selbst nichts machen… Da geht er mir dann ganz schön auf die Nerven.

Psychologin (nimmt die Frustration des Teams wahr und geht zum Flipchart): Okay, ich spüre gerade eine Menge Ärger bei uns. Das ist ein wichtiges Zeichen, dass das, was wir wollen, nicht mit dem zusammenpasst, wie wir es angehen, richtig? (Einige im Team nicken). Was haltet ihr davon, wenn wir uns das mal gemeinsam anschauen und auf dem Flipchart zusammentragen, was hier grad vorgeht. Lasst uns einmal in einer ACT-Matrix zusammentragen, was wir über Herrn N. wissen und was wir beobachten können:

1. Was ist ihm wichtig und liegt ihm am Herzen?

2. Welche inneren Barrieren gibt es für ihn?

3. Wie geht er damit um? …

Im Folgenden trägt das Team eine kurze Fallkonzeption anhand einer ACT-Matrix zusammen ( Kap. 13), aus der deutlich wird, dass Herr N. in Vermeidungsverhalten verstrickt ist. Es wird offensichtlich, dass der Patient zum jetzigen Stand der Therapie vor allem weniger Beschwerden haben möchte: keinen Schmerz, weniger Angst und Sorgen, weniger Erschöpfung und Lustlosigkeit, und dass er offenbar annimmt, dies könne durch Medikation, Massagen und Ausruhen erreicht werden. Diese vermeintlichen Lösungsstrategien setzt er seit Jahren ein, ohne nachhaltigen Erfolg. Stattdessen sind sein Schmerzproblem und seine depressive Verstimmung nunmehr erheblich chronifiziert. Auf der anderen Seite zeigt die ACT-Matrix, dass das Team noch wenig über die Werte weiß, an denen Herr N. sich orientiert. Außerdem ist dem Team offensichtlich noch nicht ganz klar, mit welchen schwierigen inneren Ereignissen im Sinne von Gedanken, Gefühlen, Regeln und Selbstkonzepten Herr N. fusioniert ist. Es wird deutlich, dass der Druck und die Frustration vieler Teammitglieder daraus resultieren, dass das Team eine klare Idee hat, wo es bei Herrn N. hingehen sollte (z. B. sich mehr bewegen, Gewicht reduzieren, an Gruppenaktivitäten teilnehmen etc.), wohingegen der Patient sehr wahrscheinlich an einem anderen Punkt des Behandlungsverlaufs steht. Aus der ACT-Matrix leitet das Team folgende Schritte ab, die in den nächsten Tagen gemeinsam mit Herr N. angegangen werden sollen:

1. Bessere Klärung der Werte als Hilfe zur Motivation und auch für das bessere Verstehen des Patienten durch das Team

2. Verbesserung der Selbstwahrnehmung im Sinne von Achtsamkeit. Förderung der Wahrnehmung und Verbalisierung von Gedanken und Gefühlen bei dem Patienten.

Wenn es dem Team gelingt, Herrn N. bei der Klärung der Werte zu helfen und die Präsenz im Hier und Jetzt zu verbessern, können in den folgenden Wochen weitere Schritte folgen, wie etwa die Förderung der Bereitschaft zur Akzeptanz schwieriger Gefühle (Frustration, Lustlosigkeit, innere Unruhe) und Defusion von selbstentwertenden bzw. wenig hilfreichen Gedanken (»Ich kriege nichts auf die Reihe«, »Die Ärzte sollen mir endlich helfen«, »Es ist eh alles zu spät«).

ACT in Klinik und Tagesklinik

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