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5.3 Wie sieht die Behandlung aus? – Besonderheiten der ACT im stationären und teilstationären Rahmen, klinische Beispiele und Übungen
ОглавлениеWie bereits vielfach beschrieben, versteht sich die ACT als flexibler und kontextabhängiger Ansatz. Auch für die stationäre Umsetzung der ACT gibt es kein rigides, vorgeschriebenes oder manualisiertes Vorgehen. Vielmehr versteht sich die ACT als übergeordnete Haltung und Vorgehensweise, die flexibel auf äußere und situative Kontexte angepasst werden kann sowie eine übergeordnete gemeinsame Sicht- und Denkweise ermöglicht. Setzt man sich mit der Frage auseinander, was die Besonderheiten der ACT im stationären und teilstationären Rahmen sind, so führt dies zwangsläufig zu der Frage, was die Unterschiede zu alternativen therapeutischen Ansätzen sind. Als wir uns als Autorenteam dieses Beitrags zur Ausarbeitung des vorliegenden Kapitels austauschten, mündete dies in zwei aus unserer Sicht relevante Fragestellungen, um die Besonderheiten der ACT im stationären und teilstationären Rahmen zu illustrieren: Welches sind die Gemeinsamkeiten unserer drei stationären ACT-basierten Behandlungsansätze? Und worin unterscheiden sich diese von anderen stationären therapeutischen Vorgehensweisen?
Im Austausch und der Diskussion dieser Fragen wurde ersichtlich, dass die Besonderheiten der ACT in einem stationären Setting nicht in den einzelnen Behandlungsbausteinen liegen und sie sich hier nicht speziell von anderen psychiatrisch-psychotherapeutischen Konzepten unterscheiden. Die Behandlungsprogramme können ganz unterschiedlich an das äußere Setting und die Bedürfnisse aller Betroffenen angepasst sein. Ein großer Vorteil der ACT liegt darin, dass es ein transdisziplinärer Ansatz ist, der somit auch über alle einzelnen Therapieangebote hinweg zum Tragen kommt, unabhängig davon, ob diese bereits bestehend sind und die ACT-Haltung sozusagen darübergestülpt wird, oder ob man bei der Konzeptualisierung einer neuen Abteilung einzelne Bausteine neu zusammensetzt. Zudem kann es sowohl auf Stationen mit einem eher interaktionellen und gruppentherapeutischen Fokus, als auch auf einer Abteilung mit einzeltherapeutischem Schwerpunkt gleichermaßen als therapeutische Grundausrichtung dienen. Bezüglich der einzelnen therapeutischen Bausteine wie z. B. Gruppentherapien, Bezugspersonenarbeit der Pflegefachpersonen, milieutherapeutische Angebote, der Physiotherapie, musik- oder aromatherapeutischen Inhalten usw. unterscheidet es sich nicht von anderen integrierten psychiatrisch-psychotherapeutischen Ansätzen, welche eine interdisziplinäre und ganzheitliche Behandlung avisieren.
Vielmehr scheinen die Unterschiede zu anderen therapeutischen Konzeptualisierungen und somit die Besonderheiten der ACT für stationäre und teilstationäre Settings in einer alternativen therapeutischen Haltung zu liegen. Diese spiegelt sich vor allem im Krankheitsverständnis, der therapeutischen Zielformulierung und der Behandlungsmethodik wider.
Im Gegensatz zu weit verbreiteten Ansichten und häufigen Erwartungen von Patientinnen und Patienten und Behandlungspersonen in medizinischen Institutionen versteht die ACT Leiden nicht auf der Basis der Existenz psychiatrischer Symptome, die im Rahmen einer Behandlung sozusagen »wegtherapiert« werden müssen, sondern legt den Fokus auf persönliche verhaltensbezogene Funktionsanalysen und die zielgerichtete Förderung der Lebensqualität. Dies verändert auch das stationäre Behandlungsverständnis grundlegend. So wird in Folge einer gemeinsam gelebten Haltung durch alle involvierten Fachpersonen im stationären Rahmen nicht nur das Krankheitsverständnis der Patientinnen und Patienten verändert, sondern auch das Aufgabenfeld und das Behandlungsziel jeder Fachperson im interdisziplinären stationären Setting neu definiert. Wenn das ganze therapeutische Setting nicht darauf ausgelegt ist, Symptome »weg zu machen«, sondern gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten an ihren oder seinen werteorientierten Zielen zu arbeiten, wirkt sich dies in sehr bedeutsamer Weise auf die therapeutische Zusammenarbeit aus. So ist beispielsweise nicht eine Berufsgruppe für das (Weg)Behandeln eines spezifischen Symptoms zuständig, sondern das ganze interdisziplinäre Team und jede einzelne behandelnde Person sieht sich vielmehr mit der Fragestellung beauftragt, was sie im speziellen zur Zielerreichung beitragen kann bzw. wie sie die Patientinnen und Patienten dabei unterstützen kann, werteorientierter zu handeln, um sich ein erfüllteres Leben zu ermöglichen. In dieser Haltung begegnet man nicht nur den Patientinnen und Patienten auf Augenhöhe, sondern auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Verantwortungs- und Aufgabenteilung wird flexibler und gemeinschaftlicher definiert. So ist beispielsweise nicht die Physiotherapeutin oder der Physiotherapeut für Schmerzen, die Psychiaterin oder der Psychiater für psychiatrische Begleitsymptomatik, die Pflegefachperson für die Tagesstrukturierung und die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut für belastende Erinnerungen zuständig, sondern alle sind gemeinsam beauftragt zu erarbeiten, wie die Patientin oder der Patient bei der Förderung werteorientierten Verhaltens unterstützt werden kann. Diese veränderte Sicht- und Herangehensweise und die damit alternative Haltung jeder unserer Fachpersonen und des ganzen Teams ist unser Ansicht nach die Besonderheit der ACT, worin sich auch stationäre Behandlungssettings maßgeblich neu gestalten. Um genauer zu illustrieren, dass die Besonderheit nicht im Inhalt oder der spezifischen Methodik, sondern in der Haltung liegt, illustrieren wir weiterführend drei Implementierungen stationärer ACT-Behandlungen in drei unterschiedlichen Schweizer Spitälern.