Читать книгу ACT in Klinik und Tagesklinik - Группа авторов - Страница 65
4.2.4 Die Mühen der weiten Ebene – Umgang mit Motivationstiefs
ОглавлениеEin typisches Phänomen im Rahmen des Behandlungsverlaufs sind Schwankungen der Motivation. Aber woran genau erkennen wir, dass eine Patientin oder ein Patient sich nicht mit der Intensität für die festgesteckten, werte-geleiteten Ziele einsetzt, wie wir als Therapeutinnen und Therapeuten es für produktiv und angemessen ansehen? Klare Motivationstiefs oder auch andere Blockaden in der Behandlung entgehen dem therapeutischen Team kaum und löst dort eine Vielzahl inneren, meist aversiven Erlebens hervor. Meist sprechen schon die non-verbalen Reaktionen der Teammitglieder in den Teamrunden eine deutliche Sprache, z. B. in Form von Augenrollen oder dem Geräusch von vehement durch die Lippen ausgeblasener Luft, sobald der Name einer Person in einer Teamsitzung fällt.
Die Verhaltensweisen von Patientinnen und Patienten in Phasen geringer Therapiemotivation können dabei durchaus große Unterschiede aufweisen. Die meisten dieser Verhaltensweisen lassen sich den Vermeidungsstrategien zuordnen, die Russ Harris (2011) unter dem Akronym »DOTS« zusammenfasst:
• Dsteht für »Distractions«, also »sich ablenken«: am Handy spielen, während der Therapieeinheiten mit Mitpatientinnen plaudern etc.
• Osteht für »Opting out«: zu spät oder gar nicht in der Tagesklinik erscheinen, im Bett oder im Ruheraum verschwinden, wenn Therapieeinheiten angesagt sind etc.
• Tsteht für »Thinking«: sich in Grübelschleifen verlieren, in den Therapiesitzungen stets in der Vergangenheit bleiben und sich über erlebtes Unrecht beschweren, sich in Tagträumen oder Zukunftssorgen verlieren etc.
• Ssteht für »Substances«: Alkohol- oder Drogenrückfälle während der Therapie, aber auch Übergebrauch bzw. funktionaler Einsatz von Bedarfsmedikation etc.
Typischerweise kommt es zu Verärgerung, Frustration und Ratlosigkeit beim Team, sobald DOTS bei einer Patientin oder einem Patienten die Oberhand gewinnen. Wenn wir mit der ACT arbeiten, ist genau diese emotionale Reaktion des Teams ein wertvoller Hinweis. Was kann uns unsere Verärgerung Wertvolles über die Patientin oder den Patienten und unsere therapeutische Beziehung zu ihr/ihm mitteilen? Hier lohnt es sich also, genau hinzuschauen und den Kontext, z. B. anhand folgender zwei Aspekte, zu analysieren:
• Was will die Person selbst in der Behandlung erreichen? Was liegt ihr am Herzen? Was glaubt sie, was sich ändern sollte und wer etwas ändern sollte? Ist sie zu diesem Zeitpunkt überhaupt bereit für eine Veränderung?
• Was wollen wir selbst bei dieser Person erreichen? Worum geht es uns, was liegt uns am Herzen?
Wenn ein Team diese beiden Seiten des jeweiligen Geschehens anschauen und mögliche Antworten formulieren kann, wird meist deutlich, an welchen Stellen Diskrepanzen vorliegen. Die Arbeit nach dem Ansatz der ACT bedeutet zudem, im Team die Bereitschaft für folgende Prozesse zu fördern:
• Das eigene Unbehagen wahrzunehmen (vgl. Hier und jetzt), das entstehen kann, wenn Patientinnen und Patienten sich in Bezug auf die Therapie nicht so verhalten, wie wir selber es gerne hätten.
• Dieses Unbehagen zunächst anzunehmen (vgl. Akzeptanz), ohne dem Impuls zu folgen, sofort zu reagieren und z. B. einen unmittelbaren Veränderungsdruck auf die Patientinnen und Patienten auszuüben.
• Bei der Wahrnehmung dieses Unbehagens zunächst einen Perspektivwechsel herzustellen: Was ist der Patientin oder dem Patienten wichtig (vgl. Werte) und wie geht sie oder er aktuell mit Barrieren um, was denkt und fühlt sie oder er in Bezug auf diese Barrieren und sich selbst etc.? (vgl. Akzeptanz, Defusion und Selbst-als-Kontext). Was ist mir selbst in Bezug auf meine Arbeit mit dieser Patientin wichtig, was liegt mir selbst am Herzen? (vgl. Werte)
• Aus diesem Perspektivwechsel heraus die nächsten Handlungsschritte abzuleiten (vgl. Engagiertes Handeln)