Читать книгу ACT in Klinik und Tagesklinik - Группа авторов - Страница 68
Praktisches Beispiel
ОглавлениеTherapeutin Frau M. hat Frau Z. mit einer schweren psychotischen Symptomatik (ausgeprägtes Misstrauen, Schuldwahn) sowie einer schweren Zwangserkrankung (umfangreiche Schutzrituale, Kontaminationsängste, Waschzwänge etc.) über ca. sechs Monate behandelt. Der Verlauf war schleppend, die Behandlungserfolge begrenzen sich auf eine deutliche Entlastung und Begrenzung einer drohenden Ausweitung der seit Jahrzehnten bestehenden chronischen Symptomatik. Die Patientin kann zeitnah wieder in das ambulante Setting wechseln, wo bereits mehrere Hilfsangebote installiert sind, wie etwa eine betreute Wohnform und Wiedereingliederungshilfe. Die Patientin ist in der ersten Rücksprache zum Entlasstermin sehr aufgebracht und formuliert, sie könne jetzt noch nicht gehen und habe Angst vor der Verschlimmerung von Schuld- und Verfolgungserleben und dem Wiederauftreten suizidaler Gedanken.
Frau Z.: Sie verstehen das nicht, es ist wirklich unmöglich, dass ich Ende nächster Woche entlassen werden soll. Ich kann mir das nicht vorstellen.
Therapeutin Frau M.: Beschreiben Sie mir doch gerne einmal genauer, was in Ihnen im Moment vorgeht.
Frau Z.: Ich fühle mich doch morgens immer so schuldig und wenn ich dann aufstehe und in die Tageklinik komme, wird es besser. Wenn ich nicht mehr herkomme, werde ich liegenbleiben und mich quälen. Ich kann das aber auch keinem Betreuer sagen, die werden sich lustig machen.
Therapeutin Frau M.: Das heißt, Sie haben Gedanken wie »Ich kann nicht entlassen werden« und »Die Schuldgefühle werden wieder mehr werden« … und »Die Betreuer werden sich lustig machen«? Ist das richtig?
Frau Z.: Ja.
Therapeutin Frau M.: Was taucht noch auf?
Frau Z.: Ich denke, ich falle allen zur Last. Fühlt sich schlimm an.
Therapeutin Frau M.: Da ist ein Gedanken wie »Ich falle allen zur Last«, und ein Gefühl wie »schlimm«. So wie »nicht okay« oder »Scham«?
Frau Z. nickt.
Therapeutin Frau M.: Da ist es ja sehr verständlich, dass Sie den Gedanken haben »Ich kann nicht entlassen werden«, wenn wir berücksichtigen, dass Sie auch Gedanken haben wie »Die Schuldgefühle werden wieder mehr werden« oder »Die Betreuer werden sich lustig machen« oder dieses unangenehme Gefühl von »schlimm«, was auch auftaucht.
Therapeutin Frau M. (Nimmt wahr, dass sie den Gedanken hat »Vielleicht hast Du Dich nicht genug angestrengt, Du hättest mehr für Frau Z. tun müssen«, sowie den Impuls, den Aufenthalt erneut zu verlängern. Gleichzeitig kennt sie dies von sich als eine Weg-Bewegung, welche der Vermeidung des Gefühls, nicht zu genügen, dient. Sie fragt sich, was ihr in der Behandlung für Frau Z. wichtig ist, nämlich »unterstützend zu sein« und entscheidet sich, nach den Werteorientierungen der Patientin zu fragen und diese zu reaktivieren): Das heißt, es treten eine ganze Reihe Ereignisse in Ihrem Inneren auf, so wie innere Barrieren, die Sie ja auch an anderer Stelle schon kennengelernt haben. Wozu laden sie Sie ein, was empfehlen diese unangenehmen Gedanken und Gefühle?
Frau Z.: Na, dass ich unbedingt noch nicht gehen kann!
Therapeutin Frau M.: Ja, das verstehe ich. Wenn Sie sich an das erinnern, was Ihnen für sich und Ihr Leben wichtig ist … Erinnern Sie sich? Führt Sie dies dann in diese Richtung oder davon weg?
Frau Z.: Hm, das war unabhängiger werden, irgendwie selbstbestimmter. Da bin ich aber ja noch nicht.
Therapeutin Frau M.: Das kann sein. Ist es Ihnen denn wichtig, auch wenn Sie noch nicht dort sind?
Frau Z. nickt.
Therapeutin Frau M.: Und diesen unangenehmen Gedanken und Gefühlen zu folgen und in der Tagesklinik zu bleiben, würde Ihnen das dabei hilfreich sein? Unabhängiger und selbstbestimmter zu werden.
Frau Z.: Ja klar, weil ich dann irgendwann weiß, wie ich diese quälenden Gedanken loswerde.
Therapeutin Frau M.: Gut, dass Sie das sagen, das kommt mir bekannt vor. Sie haben ja schon viel Zeit und Mühe und Kraft investiert, um die Gedanken und Gefühle loszuwerden oder nicht zu spüren, die sie Sie schon so lange quälen…
Frau Z.: Ja, leider. Ich erinnere mich… bisher sind sie davon nicht weggegangen, nur zwischendurch.
Therapeutin Frau M.: Wie würde »unabhängiger und selbstbestimmter sein« denn mit Blick auf die Entlassung aussehen? Was brauchen Sie dazu, um sich in diese Richtung zu bewegen? Was braucht es auch im Umgang mit diesen unangenehmen Gedanken und Gefühlen, die ja ganz verständlicherweise auftauchen? Wie können Sie sie vielleicht in Richtung »unabhängiger und selbstbestimmter sein« mitnehmen? Denn es ist Ihnen ja wichtig, dort hinzukommen.
Frau Z.: Vielleicht könnten wir nochmal schauen, was ich alles gelernt habe und was funktioniert. Und mit wem ich darüber sprechen kann.
Therapeutin Frau M.: Sehr gerne.