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3.2 Kindeswohl versus elterliches Recht auf religiöse Prägung

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Eine andere Sache, die in den vergangenen Jahren viel Staub aufgewirbelt hat, ist die Frage, wie weit das Recht auf religiöse Prägung von Kindern gehen darf. 2011 sind bei einem beschnittenen Jungen zwei Tage nach dem Eingriff Nachblutungen aufgetreten, die in der Kindernotaufnahme eines Krankenhauses behandelt werden mussten; dadurch wurde die Staatsanwaltschaft auf den Fall aufmerksam. Das damit befasste Amtsgericht sprach den Arzt, der die Beschneidung durchgeführt hat, zunächst frei. Die Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil Berufung ein und bekam vom Landgericht in Köln Recht. Das Gericht beurteilte das Verhalten des Arztes als rechtswidrig, ohne ihn aber zu bestrafen. Es lag ein sogenannter Verbotsirrtum vor. Der Fall reflektiert eine klassische Normkollision: das Recht auf körperliche Unversehrtheit und ebenso die negative Religionsfreiheit des Kindes auf der einen Seite und das Recht auf religiöse Erziehung des Kindes durch die Eltern auf der anderen Seite.

Das Kölner Urteil hat großes Aufsehen erregt. Jüdische und muslimische Gemeinden in Deutschland sahen dadurch die Grundlagen religiöser Lebensführung verletzt und wurden dabei von den christlichen Kirchen sowie von zahlreichen Verfassungs- und Kirchenrechtlern unterstützt. Begrüßt haben das Urteil neben humanistischen Gruppen vor allem Strafrechtler sowie der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte und die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Die Bundesregierung hat wohl zu Recht die Büchse der Pandora rasch geschlossen und im Eilverfahren die Beschneidungserlaubnisnorm erlassen, wonach die Einwilligung zu »einer medizinisch nicht erforderlichen Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes« (nicht weiblichen Kindes, sic!) als Teil der Personensorge anzusehen ist, wenn sie »nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt« wird und das »Kindswohl« dadurch nicht gefährdet ist. Das ist für die Gegenwart ein vernünftiger Zugang, denn es hat Rechtssicherheit geschaffen und ein Zeichen der religiösen Pluralität gesetzt. Dennoch sind die Religionsgemeinschaften aufgerufen, auch jahrhundertealte rituelle Praktiken zu überprüfen, zu hinterfragen und vielleicht zu modifizieren. Sie werden es wahrscheinlich nicht tun, aber es wäre notwendig, denn das Rechtsempfinden in so einem konfliktären Fall kann sich auch wieder ändern.

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