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3.4 Neutralitätsgebot der öffentlichen Hand versus subjektives Religionsverständnis
ОглавлениеIm letzten hier vorgestellten Beispiel für Normkonflikte geht es um die Kopftuch tragende Lehrerin. Hinter dem damit verbundenen Konflikt steht abermals die Abwägung unterschiedlicher Rechtsgüter, und zwar um das Ausleben des subjektiv empfundenen Religionsverständnisses und das Neutralitätsgebot der öffentlichen Hand im Mittelpunkt. Theologisch ist das Tragen eines Kopftuches nicht zwingend und daher auch kein Bestandteil einer objektiven Religionsfreiheit, sondern eines subjektiv empfundenen Religionsverständnisses.
Der Fall: Einer muslimischen Lehrerin und einer muslimischen Sozialpädagogin aus Nordrhein-Westfalen war es laut nordrhein-westfälischen Schulgesetzen untersagt, im Dienst ein Kopftuch (bzw. eine Mütze als Kopftuchersatz) zu tragen. Die Lehrerin bestand jedoch darauf und klagte. Der Konflikt wurde bis zum Bundesverfassungsgericht getragen, das in seinem Urteil keine generelle Gestattung religiös motivierter Bekleidungsformen im öffentlichen Dienst vorsieht. Damit besagt das Urteil nicht, dass das Tragen eines Kopftuches generell erlaubt wäre, es verbietet das Tragen aber auch nicht. Im Urteil wird ausgeführt, dass jene Bekleidung zu wählen ist, die auf substantielle oder auch nur potentielle Konfliktlagen in der Schule Rücksicht nimmt. Wenn Unfrieden droht oder eine Kopftuch tragende Lehrerin das Neutralitätsgebot verletzt, dann ist das Tragen eines Kopftuches nicht erlaubt, sonst schon. Zu entscheiden hat das die lokale Schulverwaltung.
Das ist ein unbefriedigendes Urteil, denn die Definition eines drohenden Unfriedens ist ausgesprochen unscharf. Unfrieden kann Unterschiedliches bedeuten und auch unterschiedliche Ursachen haben. Unfrieden kann aktiv durch schulinterne Umstände herbeigeführt werden, Unfrieden kann aber auch von außen in die Schule hineingetragen werden. Unfrieden kann vom Verhalten Dritter abhängig sein, die ihre Vorstellung vom »korrekten Erscheinungsbild« einer Lehrerin durchsetzen wollen, und jedes Mal verlangt das Gesetz eine Entscheidung von den für einen Schulstandort Verantwortlichen, was eine unglaublich schwierige Situation darstellt.
Es sollte wohl selbstverständlich sein, dass Lehrerinnen im nicht bekenntnisorientierten Unterricht auch aus Respekt dem säkularen Staat gegenüber in öffentlichen Schulen auf das demonstrative Tragen religiöser Symboliken verzichten, und dazu zählt auch das Kopftuch. Das religiös-weltanschaulich neutrale Auftreten und Verhalten der Repräsentanten des öffentlichen Dienstes ist ein hohes Gut des säkularen Staates und er kann zu Recht auf dessen Einhaltung pochen.