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4 Forschung zu Gesundheit und Arbeitsbelastung in den ländlichen Räumen Englands

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Im Vergleich zur deutschsprachigen Forschung zu ländlichen Räumen machte der anglikanische Theologe, Pädagoge und Psychologe Leslie J. Francis früh auf die Problemlagen ländlicher Räume aufmerksam. Schon 1985 beschreibt er die Problemlagen im ländlichen England: »The problems faced by rural Anglicanism during the past twenty years have been greatly compounded by the sharp decrease in the resources available to it.«51 Francis beschreibt den Rückgang der Finanzen, der zu Zusammenlegungen von Parochien führte und die eingeschränkten Möglichkeiten, Pfarrer in Vollzeit anzustellen. Hinzu kamen Personalmangel sowie die Verteilung des vorhandenen Personals zu Ungunsten ländlicher Gebiete.52

1996 widmet Francis der Kirche in ländlichen Räumen ein ganzes Buch, um »Ländlichkeit« genauer zu beschreiben und zu erfassen.53 Er folgt darin der Beschreibung verschiedener Siedlungsstrukturen und statistischen Markern.54 2016 wird dann auf der Grundlage von Francis und anderen ein Modell zur Unterscheidung von ländlichen und urbanen anglikanischen Diözesen vorgelegt.55 Edwards empfiehlt sein 10-Faktor-Modell für künftige Forschung, damit ländliche und urbane Diözesen miteinander verglichen werden können. Daran wird zweierlei deutlich: Erstens: die praktisch-theologische Forschung in England untersuchte zunächst die Problemlagen ländlicher Räume eigenständig. Zweitens: erst später kam die Abgrenzung und Unterscheidung städtischer Diözesen hinzu, um für die generierten Forschungsergebnisse als Kontrollgruppe zu fungieren. Das bedeutet nun insgesamt, dass Vergleiche hinsichtlich der Unterschiede bei Pfarrern auf dem Land und in der Stadt noch am Beginn der Erforschung stehen!

Die Forschungsergebnisse von Francis und Arbeiten aus seinem Umfeld haben demnach zuerst ihren Mehrwert in der Beschreibung dessen, was ländlich ist und der Anwendung unterschiedlicher psychologischer Inventare, die helfen, die Herausforderungen und Ressourcen der Probanden vor diesem Hintergrund zu verstehen. Die Kenntnis der ländlichen Situation gibt so Aufschluss über mögliche Ressourcen oder auch unumgängliche Problemlagen, die der kirchlichen Organisation auf diesem Feld begegnen. So kommen die Forscher in England in ihren Umfragen wiederholt zu dem Ergebnis, dass 32 % der Probanden stark bis sehr stark belastet sind.56 Gleichfalls haben 83 % dieser Probandengruppe eine hohe oder sehr hohe Arbeitszufriedenheit.57 Zusätzlich konnten Gründe für Belastungen und Potentiale zur Verbesserung erhoben werden.58 Sieht man nun die Ressourcen und Problemlagen im Zusammenhang mit den Möglichkeiten, die in einer ländlich-peripheren Umgebung gegeben sind, wäre es kirchenleitend möglich, mit vorhandenen Potentialen und zielgerichteten, neuen Strukturen oder Maßnahmen zur Stressreduktion und damit Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Pfarrer beizutragen.

Neben der Frage nach kontextspezifischen Gegebenheiten für die Implementierung salutogenetischer Maßnahmen steht die Frage, inwiefern der Kontext selbst einen positiven oder negativen Einfluss auf die Mitarbeiterschaft hat. Die Ergebnisse der praktisch-theologischen Forschung aus England zeigen hier ein differenziertes Bild:59 Bei der Verwendung eines für den kirchlichen Dienst angepassten Burnout-Inventars (modifiziertes Maslach Burnout Inventar60) konnten auf den ersten Blick keine signifikanten Unterschiede zwischen Probanden in ländlichen und städtischen Diözesen festgestellt werden.

Das Maslach Burnout Inventar konzeptionalisiert Burnout in drei Bereiche: emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und das Gefühl, etwas (oder dann auch »nichts«) zu erreichen.61 Hinsichtlich der beiden ersten Bereiche gab es keinen Unterschied zwischen Stadt und Land. In Bezug auf den dritten Bereich, dem »Gefühl, etwas zu erreichen«, konnte festgestellt werden, dass er bei einer ländlichen Klientel geringer ausgeprägt ist.62 Hier konnten die Forscher einen Zusammenhang mit den folgenden Umgebungsfaktoren feststellen: Länge der Dienstzeit in der betreffenden Kirche, Anzahl der Kirchen im Verantwortungsbereich, Assistenzpastor (curate) und Dienstgemeinschaft (ministry team).63 Vor allem die soziale Unterstützung durch einen Assistenzpastor und Arbeiten in der Dienstgemeinschaft erwiesen sich hier als von Bedeutung.

Insgesamt bedeutet das, dass Unterschiede zwar bestehen, sich aber nicht an der Oberfläche zeigen, sondern eher spezifischer und gradueller Natur sind. Schließlich zeigt nur eine der drei Skalen des Maslach Burnout Inventars einen Unterschied an und die genannten Umgebungsfaktoren stehen nicht vollumfänglich für das, was man alles als »Ländlichkeit« bezeichnen könnte.

Auch wenn hier der Faktor soziale Unterstützung zuerst benannt wurde, scheint die Umgebung einen Unterschied zu machen. In unterschiedlichen nationalen und internationalen Studienvergleichen, bei denen das Francis Burnout Inventar als eine weitere Möglichkeit, Burnout zu erfassen, angewandt wurde, konnten Francis/ Brewster feststellen, dass anglikanische Landpfarrer höhere Werte hinsichtlich der Erschöpfung und geringere Werte hinsichtlich der Zufriedenheit im Dienst aufweisen.64

Hinsichtlich einer arbeitszeitbezogenen Überlastung (time-related overextension) konnten Francis/ Brewster ein Zweifaches feststellen: Zum einen sind Landpfarrer mit drei oder mehr Kirchen in ihrem Verantwortungsbereich spezifisch65 überlastet; zum anderen tragen weitere erschwerende Umgebungsfaktoren, wie beispielsweise ein oder zwei weitere Kirchen/Predigtstätten nicht mehr zur Verschärfung der Überlastung bei.66

Schaut man auf die Gemeinden, die zusammengelegt wurden, dann gibt es indirekte Anzeichen dafür, dass die Arbeitsbelastung der Geistlichen am Limit ist. Müssen die anglikanischen Geistlichen mehrere Kirchen oder fusionierte Kirchenverbände betreuen, dann folgen daraus rückläufige Entwicklungen in allen relevanten anglikanischen Gemeindestatistiken.67 Hier zeigt sich dann das Phänomen, das von Miggelbrink »Gemeindeburnout« genannt wurde.68 Wenn auch die Studien von Francis zeigen, dass soziale Unterstützung am Arbeitsplatz durch weitere Mitarbeitende sich positiv auf deren Belastungsniveau auswirkt, so gilt auch für solche Teampfarrämter, dass sie für die Entwicklungen der Gemeinden in der Tendenz hinderlich sind.69 Insofern die Vergrößerung der Verantwortungsbereiche keine größeren Belastungen mit sich bringt, die Gemeinden jedoch schrumpfen, zeigt sich hier ein Limit der Arbeitsbelastung von Pfarrern, welches nicht mehr ihre Gesundheit betrifft, jedoch Auswirkungen auf die Entwicklungen der Kirchen vor Ort hat.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Forschung aus England Verschiedenes zeigt: Als Erstes lässt sich erkennen, wie durch modifizierte und verbesserte Inventare der Pfarrberuf immer präziser untersucht wurde. Dann ist die Erforschung des Kontextes Land ein Wert an sich, insofern hier Ressourcen und Problemlagen des Kontextes identifiziert werden können. Weiterhin gibt es Anzeichen, dass der Kontext selbst zu Mehrbelastungen beiträgt. An einigen Stellen stehen diesbezüglich Tests mit Kontrollgruppen noch aus. Damit steht die Frage im Raum: Wirkt die Umgebung als Mehrbelastung oder Ressource auf die Belastung der Pfarrer ein? Spielt sie eventuell nur eine zu vernachlässigende Rolle oder gibt es so etwas wie ein bestimmtes Profil für Belastungen in ländlichen Räumen? Von Seiten der Kirchentheorie ist zu fragen, wie der Personaleinsatz und die Entwicklungen von Gemeinden und Gemeindeverbünden zusammenhängen.

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