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2 Herausforderungen, Aufgaben und Potenziale

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Im Englischen würde man das, was ich zunächst als These aufstellen möchte, einen „truism“ nennen, eine Binsenweisheit, die so wahr ist, dass sie eigentlich gar nicht der Erwähnung bedürfte. Und doch gibt es manche Selbstverständlichkeiten, die gelegentlich wieder in Erinnerung gerufen werden müssen – weil sich, wenn man länger über diese Wahrheiten nachdenkt, dann doch neue Dimensionen oder Gesichtspunkte, die man lange übersehen hat, zeigen. Die These lautet, dass der Religionsunterricht wie kein anderes schulisches Fach in einer besonderen Herausforderung steht. Diese Situation ist nicht neu, doch haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten einige Koordinaten dieser Grundsituation verschoben. Dies hat dazu geführt, dass der konfessionelle Religionsunterricht sich heute in einer zuvor in diesem Ausmaß nicht bekannten Krise befindet.

Die Bezeichnung „konfessioneller Religionsunterricht“ verweist auf die Herausforderung, in der dieses Fach steht: Es handelt sich um ein Unterrichtsfach, das zugleich eine bestimmte konfessionelle, also bekenntnishafte Orientierung hat. Der Religionsunterricht ist eine res mixta. Staat und, im Falle des christlichen Religionsunterrichts, Kirche üben gemeinsam die Aufsicht über dieses Fach aus. Religionslehrerinnen und -lehrer bedürfen daher einer kirchlichen Lehrerlaubnis. Denn sie sind nicht einfach nur staatliche Angestellte oder Beamte, sondern „gesandt“ und beauftragt, im Namen der Kirche das Fach Religion zu unterrichten. In einem weltanschaulich neutralen Staat kann diese Hybridform des Weltlichen und des Kirchlichen, um einmal so vereinfachend zu sprechen, zunächst nach einer Verletzung der gebotenen Neutralität aussehen. Dass dem nicht so ist und der Staat durchaus die Wertevermittlung an Religionsgemeinschaften delegieren kann, ja, dass er, um nicht selbst Werte zu setzen, auf diese Delegation angewiesen bleibt, ist, auch wenn es immer wieder kontrovers diskutiert wird, seit langem anerkannt.2 Und doch erheben sich in jüngerer Vergangenheit zunehmend Stimmen, die diese „Mischung“ allein schon deshalb in Frage stellen, weil wir nicht mehr in einer religiös homogenen, sondern in einer zunehmend multi- und nicht-religiösen Gesellschaft leben. Müssten die Religionsgemeinschaften nicht selbst für die religiöse Bildung ihrer Gläubigen sorgen? Und wäre in der Schule nicht ein ethisch-religionskundliches Fach besser angesiedelt, in dem Schülerinnen und Schüler verschiedener Religionen und Weltanschauungen sich begegnen, einander kennen und wertschätzen lernen und dabei auch Sprachfähigkeit in religiös-weltanschaulichen Fragen erwerben? Diese beiden Fragen sind ist nicht von der Hand zu weisen – nicht zuletzt, weil religiöses Verstehen und interreligiöser Dialog in einer religiös pluralen und zumindest auf wechselseitige Toleranz, wenn nicht sogar Anerkennung angewiesenen Gesellschaft notwendig wie selten zuvor sind.

An die Seite dieser Anfragen von außen treten andere, eher von innen kommende Anfragen. So wird auch in manchen kirchlichen Kreisen die staatliche Aufsicht über den Religionsunterricht bemängelt und einem Katechismusunterricht, der rein in kirchlichen Händen ist, der Vorzug gegeben. Man sollte diese Alternative übrigens nicht so leicht von der Hand weisen, wie es gelegentlich geschieht. Es gibt nämlich für einen solchen in den Gemeinden verankerten Unterricht durchaus didaktisch und inhaltlich beeindruckende Modelle, die vielfach den real existierenden Religionsunterricht in den Schatten stellen. Denn man darf nicht vergessen, dass die faktische Situation des Religionsunterrichts ebenfalls zu Anfragen an dieses Unterrichtsfach führt. Die Reputation des Religionsunterrichtes ist oft nicht sehr gut – und zwar sowohl unter Schülerinnen und Schülern, in den Kollegien wie auch in der Öffentlichkeit. Gewiss, vielfach mag dieser schlechte Ruf auf ungerechtfertigte Vorurteile zurückgehen oder auf einen Vorbehalt gegenüber Religion im Allgemeinen und den Einfluss der Kirche im schulischen und gesellschaftlichen Bereich im Besonderen. Es gibt ausgezeichnete Religionslehrerinnen und -lehrer, die einen anspruchsvollen Unterricht durchführen. Aber es gibt eben auch häufig schlechten Religionsunterricht, in dem zum Beispiel die ihm innewohnende Spannung zwischen Welt und Kirche in die eine oder andere Richtung aufgelöst wird – also der Unterricht zu „(lebens-)weltlich“ und un- oder sogar antikirchlich oder zu „fromm“ und kognitiv anspruchslos ist. Es finden sich zudem nicht selten wenig motivierte Religionslehrerinnen und -lehrer, die nicht aus einer inneren Motivation heraus, sondern eher aus Verlegenheit, weil das universitäre Studium für das Lehramt Religion mittlerweile als einfach gilt oder weil die Einstellungschancen nach dem Studium besonders gut sind, das Fach Religion gewählt haben. Das ist ein wohl bekanntes Geheimnis an theologischen Instituten und Fakultäten.

Die Frage, welche Zukunft der konfessionelle Religionsunterricht angesichts dieser komplexen Situation hat, ist keine rhetorische Frage. Vielleicht muss man viel radikaler über Alternativen nachdenken, um nicht den Irrtümern des Traditionsargumentes – gut scheint zu sein, was man immer so gemacht hat, weil man es immer so gemacht hat – zu erliegen. Könnte es nicht wirklich so sein, dass der schulische konfessionelle Religionsunterricht einer vergangenen Epoche angehört? Dass es geschichtslos wäre, am Modell eines Religionsunterrichts festzuhalten, das religiöse Gemeinsamkeiten in der Schülerschaft voraussetzt, die es kaum noch gibt, statt über andere Bildungsangebote nachzudenken? Zeigt die gegenwärtige Diskussion über den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht nicht auch eine grundsätzliche Verlegenheit über Gegenwart und Zukunft des Religionsunterrichts, die man allzu gerne verdrängt?

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