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1 Grundlagen der Brandschutzentwicklung 1.1 Einführung
ОглавлениеDie Geschichte des Brandschutzes wird anfangs ausschließlich von der Wahrnehmung der Brandkatastrophen (Mittelalter) geprägt. Es folgen Erklärungsversuche und erste präventive Maßnahmen (Frühe Neuzeit) bis die Moderne schließlich überzeugte Versuche der direkten Einflussnahme auf die Brandsicherheit brachte. Begleitet wird diese Entwicklung vom Glauben an die Vermeidung von Brandkatastrophen. Dieser Glaube, Gefahren reduzieren und Risiken beherrschen zu können, wurde geboren nach der kollektiven Schadenserfahrung und er ist gewachsen mit den technischen und logistischen Möglichkeiten im Bau- und Löschwesen. Dieser Glaube hatte am Beginn der Brandschutzgeschichte viel mit Gott zu tun, später mit Technik und Innovation.
Die Brandschutzentwicklung im Bauordnungsrecht zu kennen und zu verstehen ist gerade heute von so großer Bedeutung, weil im Zuge von staatlicher Deregulierung, gesetzlicher Vereinheitlichung oder gar von Abschaffung sicherheitsrelevanter Vorschriften einfache Fragen im Raum stehen, die zu beantworten sind:
– Kann man sicherheitsrelevante, technische Gesetze abschaffen ohne Risikoerhöhung?
– Schaffen wir sie ab, weil wir sie nicht mehr brauchen? Oder schaffen wir sie ab, weil wir sie nicht mehr bezahlen wollen?
– Wenn wir sie heute nicht mehr brauchen, haben wir sie in der Vergangenheit gebraucht?
– Was hat sich geändert, dass wir sie heute nicht mehr brauchen?
– Wer hat Auswirkungen und Folgen im gesamtgesellschaftlichen Blick und welchen Einfluss hat die Trägheit der Brandschutzgesetze?
Um diese Fragen zu beantworten, ist die Kenntnis der historischen Brandschutzalgorithmen sehr hilfreich, mehr noch, sie ist essentiell. Denn Brandschutz gehört zu den ältesten Ordnungssystemen der Menschheit. Er bestimmt seit dem Mittelalter das öffentliche Bauen und die innere Sicherheit. Brandschutz ist damit seit Anbeginn Teil der staatlichen Ordnung. Sein Erfolg oder Misserfolg muss sich anhand von „Staatsaktivitäten“ und der Fortentwicklung der Brandschutzgesetze nachweisen lassen. Denn die Geschichte des Brandschutzes ist eng verbunden mit der obrigkeitlichen, später staatlichen Durchsetzung der präventiven Sicherheitsmaßnahmen.
Die folgenden Erkenntnisse resultieren also aus einer empirischen Untersuchung der rechtshistorischen Brandschutzvorschriften (Gesetze, Edicte, Ordnungen), die als Primärquellen, auch in digitalen Sammlungen, zur Verfügung stehen. Sekundärquellen, wie Geschichtsdarstellungen oder Dissertationen zum Brandschutz oder zum Bauordnungsrecht, vervollständigen das Bild, das fortführend und ausführlich in [1] nachzulesen ist, was insbesondere die vollständigen Primärquellenlisten und konkreten Fundstellen betrifft.
Seit Beginn der kollektiven Schadenserfahrung kämpft die Gesellschaft darum, in brandfreien Zeiten für die Brandkatastrophe vorzubeugen. Ein Kampf, der offensichtlich nicht in jedem Fall gewonnen wurde und manchmal mehrere Jahrhunderte dauerte. Und so neigt auch der moderne Staat des 21. Jahrhunderts dazu, Ressourcen anderweitig als im Brandschutz einsetzen zu wollen, was legitim ist, aber mit Sorgfalt und Weitsicht abgewogen werden muss.
Das Brandrisiko ist ein systemimmanentes Risiko. Es ist untrennbar mit dem menschlichen Leben verbunden. Es hat seinen Ursprung im menschlichen Handeln. Solange der Mensch kann, handelt er und erzeugt so Brandgefahren. Kein menschliches Handeln ist fehlerfrei oder frei von Optionen, sodass der Mensch mit jeder Tat ein Risiko eingeht, dem allerdings auch eine Chance gegenübersteht. Einerseits besteht das Risiko, einem Brandgeschehen ausgesetzt zu werden und Werte oder gar das Leben zu verlieren und andererseits die Chance, durch zielgenaues, aber gefahrenbehaftetes Handeln Werte zu schaffen. Es ist das Risiko, dem sich der Mensch täglich seit Jahrhunderten aussetzt; in eine Gefahrensituation zu kommen oder ihr auszuweichen.
Bild 1. Die Aneignung des Feuers, 1547, Johann Petrejus [1]
Der handelnde Mensch erlebt dieses Wechselspiel und entscheidet kontrolliert oder unkontrolliert, beeinflussbar oder unausweichlich, abhängig oder ohne Rücksicht, bewusst oder unbewusst über „Wohl und Wehe“ seines Daseins. Dabei liegt es in der Natur des Menschen, ein lange erfahrenes und stetig steigendes „Wohl“ allzu leicht und ohne Not zu opfern, indem er Bewährtes in Frage stellt oder alternativlose Sicherheit durch Einsparungen, Unachtsamkeit oder gar Unbedachtheit gefährdet. Dies lässt sich einerseits aus dem obrigkeitlichen Handeln, aber auch aus der örtlich sehr differenten Durchsetzung der Gesetze und Regeln erkennen. Schauen wir also zunächst auf die drei Grundformen der Gesetzgebung.