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Einleitung
ОглавлениеInnerhalb einer links-aktivistischen Szene scheint es in diskriminierenden Situationen einen Konsens über angemessene Handlungsweisen zu geben. Das Spektrum reicht davon eine von Abschiebung bedrohte Person zu verstecken, sexistischen und rassistischen Sprachgebrauch zu problematisieren und geht bis dahin Diskussionen über mögliche diskriminierende Lesarten einzelner Wörter, Kleidungsstile und Frisuren zu führen (vgl. u.a. Latton 2016: o.S.; Yaghoobifarah 2016a: o.S.; 2016b: o.S.).
Aber wie sieht es mit einem Konsens darüber aus, eine Person zu verstecken und zu unterstützen, die zwangsbehandelt werden soll? Schnell heißt es, dass von außen nicht nachvollziehbares Verhalten ›krank‹ sei und die Betroffenen ›professionelle Hilfe‹ bräuchten. Aber wodurch legitimiert sich ›professionelle Hilfe‹ eigentlich? Und was bedeutet eigentlich ›krank(haft)‹? Schon die ›Alte Psychiatriekritik‹, eine Bewegung vor allem kritischer Wissenschaftler_Innen und vereinzelt auch praktizierender Psychiater_Innen in den 1960er Jahren, hat sich mit diesen Fragen beschäftigt und es ist ihnen gelungen, eine emanzipative Kritik an vorherrschenden medizinisch geprägten Erklärungsmodellen zu formulieren (vgl. u.a. Basaglia: 1980; Chesler: 1977; Cooper: 1972; Dörner: 2001; Foucault: 1973; Laing: 1994; Schaps: 1982; Szasz: 1972) und ›psychische Krankheiten‹ als maßgeblich gesellschaftlich bedingt zu theoretisieren und damit zu entmystifizieren (vgl. Trotha, 2001 o.S.). Im Zuge dieser Bewegung begannen verschiedene Betroffenengruppen sich in Verbänden und Initiativen zu organisieren, eigene Kritiken zu formulieren und selbstbestimmte Unterstützungsstrukturen aufzubauen (die sogenannte »Neue Antipschiatrie« der 1980er Jahre) (vgl. ebd.).
Ziel dieses Artikels ist es, eine kleine Einführung in die formulierten Kritiken dieser Bewegung zu geben. Dabei sollen weniger die einzelnen Akteur_Innen im Vordergrund stehen, sondern der Fokus auf einer Zusammenfassung der Theorien liegen. Diese Theorien – so sehr auch diese bei weitem nicht frei von Kritik sind (vgl. Dudek 2015: 313 ff.) – können helfen, menschliches Verhalten zu entmystifizieren, die Bedeutung subjektiven Empfindens und Deutens hervorzuheben und Lebenssituationen in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge zu setzen. Dies stellt eine notwendige Grundlage eines emanzipatorischen Diskurses zur Unterstützung von Menschen dar.
Abschließend leite ich aus den theoretischen Vorarbeiten Reflexionsmaßstäbe her, welche bei der Selbstreflexion helfen sollen, um bei sich selbst sowohl diskriminierende Denk- und Verhaltensmuster zu entdecken und zu verändern, als auch es einem_R zu erleichtern, sich für und in der Unterstützungsarbeit zu sensibilisieren.