Читать книгу Die Kraft des Miteinander - Группа авторов - Страница 11

Was braucht es zur Wiedergutmachung?

Оглавление

Wiedergutmachung ist ein Prozess der Reintegration in die Gemeinschaft, an dem Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Betreuerinnen und Betreuer und das Kind oder der Jugendliche beteiligt sind. Folgende Grundvoraussetzungen gibt es:

1. Es braucht eine wertschätzende Haltung zu dem Kind. Das bedeutet, das Kind so zu akzeptieren, wie es ist, seine Stärken zu erkennen und zu sehen, anstatt es durch die Linse des Versagens oder des Fehlverhaltens zu betrachten.

2. Es braucht Erwachsene, die sich gegenseitig achten, unterstützen und bereit sind, sich zu vernetzen.

3. Es braucht die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und Deeskalation. Diese entsteht nicht automatisch, kann aber gemeinsam erlernt werden. Letztendlich braucht es auch Souveränität, um diese Wiedergutmachung durchführen zu lassen.

Folgendes Beispiel zeigt, wie Wiedergutmachung ins Spiel gebracht werden kann.

ELTERN Anton, du hast etwas von deiner Cousine gestohlen. Wir stehen zu dir, aber hier hast du Unrecht getan – und das nicht nur ihr gegenüber. Die Stimmung der Familie ist ebenfalls getrübt. Da nun Schaden entstanden ist, muss es auch eine Entschädigung geben.

ANTON Aber ich habe mich doch entschuldigt! Mehr könnt ihr nicht verlangen.

ELTERN Durch dein Verhalten ist etwas zu Bruch gegangen. Das muss auf jeden Fall wiedergutgemacht werden.

ANTON Das mag schon sein, aber mir ist das egal. Ich habe mich schon entschuldigt.

ELTERN Okay, aber du sollst wissen, dass wir nicht vergessen, dass noch eine Wiedergutmachung aussteht. Vielleicht wäre es gut, wenn du einen Vorschlag machst. Wir haben Zeit und warten auf deine Ideen.

Nach einem solchen Gespräch können die Eltern einige Tage abwarten. Zu diesem Zeitpunkt kann auch der Unterstützerkreis hinzugezogen werden, den die Eltern aufgebaut haben. Eine Person, zu der das Kind einen guten Draht hat, bringt sich dann in den Prozess ein.

In Antons Fall ist eine solche Person seine Tante.

TANTE Ich habe gehört, was passiert ist. Deine Eltern haben vorgeschlagen, dass du Ideen für eine Wiedergutmachung anbietest, und darüber möchte ich gerne mit dir sprechen.

ANTON Okay, aber ich verstehe das nicht ganz. Was meinen sie mit Wiedergutmachung?

TANTE Überlegen wir doch gemeinsam, was als Wiedergutmachung für dich infrage kommen würde. Ein paar gute Ideen werden wir wohl zusammensammeln können. Der Vorschlag sollte sowohl mit deiner Würde vereinbar sein als auch deine Eltern zufriedenstellen.

ANTON Aber warum? Ich sehe nicht ein, warum ich mir jetzt darüber Gedanken machen muss!

TANTE Wenn du keine Vorschläge machst, werden deine Eltern sich etwas als Wiedergutmachung überlegen. Möglicherweise musst du dafür tief in die Tasche greifen, oder sie kürzen sogar dein Taschengeld. Aber ich bin mir sicher, dass, wenn du ihnen mit meiner Hilfe einen konstruktiven Vorschlag machst, sie ihn bestimmt annehmen werden. Ich werde dann auch versuchen, sie von deiner Idee zu überzeugen. Dann sind sowohl sie als auch ich zufrieden.

ANTON Das klingt gut, aber ich verstehe noch immer nicht, was das Ganze mir bringt.

TANTE Wenn du eine Wiedergutmachung vorschlägst, gehst du damit den ersten Schritt und zeigst, dass dir deine Familie wichtig ist und du dazugehören möchtest. Du verlierst nicht an Ansehen, sondern gewinnst welches.

ANTON Na schön, das ist vielleicht wirklich nicht so schlecht. Aber wie soll ich das jetzt machen?

TANTE Wie gesagt, ich bin gerne bereit, dir zu helfen. Wir können Möglichkeiten suchen, die auch für dich in Ordnung sind. Es geht hier nicht darum, wer der Boss ist! Du sollst einfach nur mit einer Geste deiner Cousine und deiner Familie zeigen, dass es dir nicht egal ist, was passiert ist.

Der Wiedergutmachungsprozess bringt festgefahrene Situationen wieder in Gang. Anstelle des problematischen Verhaltens des Kindes stehen die Lösungsansätze im Vordergrund. Ein Vorteil der Wiedergutmachung ist, dass ein Kind einen solchen Vorschlag akzeptieren kann, eine demütigende Strafe hingegen nicht. Durch die Teilnahme an einer Wiedergutmachung erfährt das Kind bzw. der Jugendliche Würdigung. Es kann darauf stolz sein und sich als selbstwirksam erleben. Dies ist gerade im Kindergarten ein wirksames Instrument.

Durch den gewaltlosen Widerstand und die Wiedergutmachung öffnen sich in problematischen Situationen neue Türen und während der Suche nach einer geeigneten Handlung entsteht Kontinuität. Die Anzahl an Möglichkeiten steigt und dadurch die Wahrscheinlichkeit für eine gute, konstruktive Lösung. Die Wiedergutmachung bezieht sich außerdem nicht nur auf den konkret angerichteten Schaden, sondern auch auf den Schaden, der in den Beziehungen zu anderen Personen entstanden ist. So kann das Kind wieder Verbundenheit und Zugehörigkeit zu seinem Umfeld – sei es die Familie, der Kindergarten oder die Schulklasse – erleben.

Die Kraft des Miteinander

Подняться наверх