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Wiederaufbau – Neubauwohnungen – „Wohlstand für alle“

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Mitte der 1950er Jahre war die Not der Nachkriegsjahre überwunden. Es überwog ein grenzenloser Optimismus. Schon im Januar 1956 wurde gemeldet, dass die Bombenschäden fast vollständig beseitigt waren. Nun war Oberhausen, verglichen mit den Nachbarstädten, mit 35 Prozent Gebäudeschäden noch glimpflich davongekommen. Dass aber ein Jahrzehnt nach Kriegsende „Trümmer in Oberhausen schon Mangelware“ wurden, dass der „Wiederaufbau zu 87 Prozent erledigt“7 war, erfüllte den Vorsitzenden des Bauausschusses, der diese Zahlen vermelden konnte, mit berechtigtem Stolz. Es war längst nicht mehr nur der Wohnungsbau, der großen Baufirmen und Handwerkern Arbeit verschaffte. Die größten Baustellen lagen 1956 im Zentrum von Alt-Oberhausen, in einem Kreis mit 500 Meter Radius um die Verkehrsspinne Schwartz-, Tannenberg- und Danziger Straße. Für die damals riesige Gesamtsumme von sechs Millionen DM wurde an Erweiterungsbauten für das Naturwissenschaftliche Gymnasium, am Amtsgericht und am Rathaus gearbeitet. Innerhalb des 500-Meter-Kreises lagen auch die weitgehend schon fertig gestellten Gebäude des wieder aufgebauten Theaters, des Hauptbahnhofs, der Christuskirche und des Staatlichen Gymnasiums sowie die Neubauten des Gesundheitsamtes und des Europahauses. Hinzu kam 1958 die Fertigstellung des Friedensplatzes mit seinen Bäumen und Wasserspielen und der Baubeginn am Litopalast als Rahmen für die Lichtburg.8 Nur knapp außerhalb des genannten Kreises lag das alte Geschäftszentrum Marktstraße, wo auch fieberhaft gebaut wurde, wo z. B. C&A Brenninkmeyer gerade ein neues Groß-Kaufhaus hochzog. Die bis 1956 getätigten Bauinvestitionen allein für Behörden- und Geschäftsgebäude im Stadtkern summierten sich auf mindestens 30 Millionen DM, trieben in diesem Bereich die Grundstückspreise nach oben, hatten aber, wie man hoffte, weite „Ausstrahlungen in das Oberhausener Geschäfts- und Wirtschaftsleben“.9 Mit der stürmischen Bautätigkeit einher ging das rasante Wachstum der Stadtsparkasse, die im Januar 1957 ihr neues, drei Millionen DM teures Gebäude an der Marktstraße eröffnete.10


Abb. 2: Das wieder aufgebaute Theater, 1949

Parkplatzprobleme waren die zwangsläufige Folge der vielen neuen Gebäude, die in der Innenstadt hochgezogen wurden, ebenso wie des stark ansteigenden PKW-Verkehrs: „‚Ruhender Verkehr‘ quillt über“, titelte der „Generalanzeiger“ 1957. Die Photos, die das Problem mit dem „ruhenden Verkehr“ illustrieren sollten, nimmt der heutige Leser eher mit Schmunzeln zur Kenntnis: Auf der Nohlstraße zählt man um die Mittagszeit etwa zehn geparkte Autos, auf der Gewerkschaftsstraße sechs, auf der Saarstraße neun und auf der Gutenbergstraße acht Fahrzeuge.11

Anders als im Umkreis der „Verkehrsspinne“ an der Schwartzstraße funktionierte im Oberhausener Norden die Bebauung nicht plangemäß. Zwar widersprach niemand den Parolen: „Unsere Zukunft liegt im Norden“ oder „Stadt wandert zum Wald“.12 Mancher träumte auch von einer Straßenbahnlinie bis zum Forsthaus Specht im Norden von Bottrop. Aber die Realisierung des am Buchenweg, im Sterkrader Norden, geplanten „Villenviertels“ kam nicht so recht voran. Dort sollte eigentlich attraktives Baugelände bereitgestellt werden, um Oberhausener Bürger, die viel Einkommenssteuer zahlten, in der Stadt zu halten. Die Erschließung dieses Geländes stagnierte aber, was den SPD-Fraktionsvorsitzenden Meinicke zu der bissigen Kritik veranlasste, Oberhausen sei in dieser Hinsicht noch „ein Dorf geblieben“. Wohlhabende bauwillige Einwohner neigten dazu, nach Mülheim, Kettwig oder Essen abzuwandern; diese Städte hätten „das Rennen gegen den Oberhausener Norden bisher klar gewonnen“. Der Kritiker Wilhelm Meinicke setzte in der Bauausschusssitzung durch, dass 40.000 DM für den Ausbau der Hagenstraße in Buschhausen verwendet wurden. Wohl nicht ganz zufällig lag dieses Projekt in seinem Wahlbezirk, was im „Straßenkampf“ um städtische Investitionen auch von den Genossen seiner eigenen Fraktion süffisant vermerkt wurde.13


Abb. 3: Das Europahaus, 1956

Bauland wurde in dieser Zeit bereits so knapp, dass im Bauamt damit begonnen wurde, die letzten Trümmergrundstücke und generell alle erschlossenen Flächen systematisch zu erfassen. Selbst über Enteignungen für den Fall, dass Grundstückseigentümer nicht selbst bauen wollten, wurde nachgedacht. Ob dies rechtlich überhaupt möglich war und ernsthaft erwogen oder nur als Drohung in den Raum gestellt wurde – allein die Erwähnung dieses Instruments mag die Grundstücksspekulation gebremst haben. Mit Erstaunen registrierten die Zeitgenossen in diesen stürmischen Aufbaujahren, mit wie wenig Eigenkapital man zum stolzen Besitzer eines Eigenheims werden konnte: Tausende bauten mit weniger als zehn Prozent eigenem Geld. Ein ganz besonders raffinierter Bauherr hatte es sogar mit nur 31,40 DM geschafft, sich ein Haus im Wert von 100.000 DM hinzusetzen. Das war der Stadtverwaltung aufgefallen, als dieser Herr die Ämter mit Beschwerden bombardierte.14

Ausdruck des neuen Wohlstandes war auch schon der Massentourismus, der Mitte des Jahrzehnts mit voller Wucht einsetzte. Tausende Oberhausener entflohen „der sommerlichstickigen Dunstglocke des Kohlenpotts“, die meisten noch ins Sauerland, an die Nord- oder Ostsee, in den Schwarzwald oder ins Allgäu. Zunehmend verkauften die Reisebüros aber schon Pauschalreisen nach Mallorca und zu anderen Zielen am Mittelmeer, insbesondere in Italien. Selbst Flugreisen kamen schon in Mode.15



Abb. 4: „Die Flucht ins Nasse!“ Bericht über das Freibad am Stadion Niederrhein, GA vom 27./​28. Juni 1959

Die meisten Dunstglocken-Flüchtlinge fanden während der allsommerlichen Hitzewellen jedoch immer noch ganz in der Nähe Zuflucht in den Freibädern. „Die Flucht ins Nasse!“ titelte der Generalanzeiger seinen Bericht über das Freibad am Stadion Niederrhein. „Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die wasserlechzend hier zusammenkamen.“ Ein Luftbild diente als Beleg für die Notwendigkeit großer Freibäder: „Wir müssten sie heute bauen, wenn sie nicht bereits da wären.“16

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4

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