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Frauen in neuen Berufen
ОглавлениеNoch rumpelten die alten Straßenbahnwagen, in denen der Fahrer stand und der Schaffner mit seinem Bauchladen Fahrscheine verkaufte und mit einem Seilzug die Glocke zur Abfahrt läutete, durch Oberhausens Straßen. Nicht nur Personen wurden mit diesen immer offenen Wagen transportiert, auch tonnenschwere Güterwaggons mit Kohle für die Stadtwerke zogen die guten alten Straßenbahntriebwagen durch die Mülheimer Straße.17 Im Personenverkehr brach im Herbst 1957 jedoch eine neue Zeit an: „Hundert Schaffnerinnen knipsen vom 1. Oktober an Ihren Fahrschein.“ Offenbar eine Sensation: Die Einstellung der Frauen als Schaffnerinnen. Die Photographen waren dabei, als sich ihre männlichen Kollegen an ihre Seite drängten, um ihnen zu zeigen, wie die Fahrscheine „geknipst“ wurden. Für die Oberhausener Schaffnerinnen deutete sich 1958 das Ende der alten, offenen Straßenbahnwagen an, mit ihren starren Achsen, die deshalb in den Kurven furchtbar quietschten. Die neuen Großraumwagen wurden vorgestellt mit bequemen Sitzen für den Fahrer und seinen Schaffner, der die Haltestellen jetzt über Lautsprecher ansagte, mit automatischen Türen, so dass niemand mehr auf- oder abspringen konnte, und mit einem gelenkigen Fahrwerk, damit es in den Kurven nicht mehr quietschte. 1959 nahmen die Stadtwerke die drei ersten hochmodernen Großraumwagen vom „Oberhausener Typ“ in Empfang.18 Doch dazu später!
Die Einstellung der Frauen war durch die Arbeitszeitverkürzung auf 45 Stunden pro Woche notwendig geworden.19 Die 45-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst verstärkte aber nur einen Trend, der – ausgelöst durch den Wirtschaftsboom – seit längerem erkennbar war. Die Männer in den Redaktionsstuben der Zeitungen registrierten es mit Erstaunen: „Frauen erobern neue Berufe.“ In der Berufswelt angekommen, wiesen ihnen aber schon noch die Männer ihre Rolle zu, so z. B. der Krankengymnastin:
„Von manchen Ärzten mit einem gewissen Misstrauen betrachtet, hat sich die Krankengymnastin inzwischen zu einer Helferin des Arztes entwickelt. Nicht nur in der Chirurgie und der Orthopädie, sondern auch in der inneren Medizin, der Nerven- und vor allem der Kinderheilkunde wird sie heute bereits als Helferin des Arztes herangezogen.“
Großen Seltenheitswert hatte noch der Beruf der Bildmixerin für das Fernsehen: „Sie sitzen am Schaltbrett neben dem Regisseur und haben die Aufnahmen jeder Kamera vor sich.“ Häufiger war da schon der Beruf der Milchmixerin für die 370 deutschen Milchbars. Bei den Schneidern hatten die Frauen die Männer schon fast vollständig verdrängt. Neu war der aus den US. importierte Beruf der Zugsekretärin, die in Schnellzügen „von eiligen Geschäftsleuten“ Diktate aufnahm. „Übrigens haben diese Damen sehr große Heiratschancen, sehr viel größere als zum Beispiel die Damen, die berufsmäßig bei Schönheitskonkurrenzen aufkreuzen.“ Diese Anmerkung schien dem – natürlich männlichen – Journalisten nun doch wichtig zu sein.20 Der Weg zur Gleichberechtigung der Frauen in der Arbeitswelt – einem Ziel, das auch heute noch nicht überall erreicht ist – war damals noch sehr weit.
Abb. 5: „Hundert Schaffnerinnen knipsen vom 1. Oktober an Ihren Fahrschein“, GA vom 10. Juni 1958