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Das Dauerthema: Die städtischen Finanzen (Teil 1)

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Obwohl Oberhausen finanziell eigentlich besser dastand als die meisten Nachbarstädte, schien die Oberbürgermeisterin schon bei ihrer Antrittsrede 1956 zu ahnen, dass die Haushaltssorgen in der Zukunft alle kommunalen Projekte überlagern würden. Sechs Jahre zuvor hatte ein Vergleich mit anderen Großstädten noch das überraschende Ergebnis erbracht, dass die Oberhausener Bürger zur Finanzierung städtischer Aufgaben wie der Unterhaltung der Krankenhäuser oder des Theaters pro Kopf in weit geringerem Maße herangezogen wurden als die Menschen in Köln und Düsseldorf oder in den benachbarten Ruhrgebietsmetropolen Essen und Duisburg. Auch bei den Personalkosten der Verwaltung, wieder pro Kopf der Bevölkerung gerechnet, gehörte Oberhausen zu den sparsamsten Städten! Fünf Jahre später setzte das statistische Landesamt Oberhausen hinsichtlich des Steueraufkommens auf den zehnten Platz der Ruhrgebietsstädte, hinsichtlich der Pro-Kopf-Verschuldung aber schon auf den siebten Rang. Die sich daraus ergebenden Risiken, vor allem, weil auch keinerlei Rücklagen vorhanden waren, wurden im November 1955 im Rat der Stadt diskutiert. Trotzdem meinte man in der Öffentlichkeit noch, dass Oberhausen der „‚Krösus‘ unter Bettlern“ sei. Umso erstaunlicher mutet es an, dass ein halbes Jahr später im April 1956 auf Antrag der SPD gegen den zähen Widerstand des Oberstadtdirektors und des Kämmerers die Getränkesteuer abgeschafft und die Hundesteuer gesenkt wurde. Zwar war der Haushalt über 107 Millionen DM insgesamt noch ausgeglichen, der Stand der Verschuldung blieb aber hoch. Die Mehrheit der Stadtverordneten verließ sich ganz offensichtlich auf eine anhaltend gute Konjunktur und plante, unter diesen Rahmenbedingungen die Großindustrie künftig stärker zu belasten.52

Die Ratsherren und -frauen blamierten sich mit ihren Haushaltsbeschlüssen, vor allem mit der Senkung der Getränkesteuer, gründlich, denn vier Wochen später verweigerte der Regierungspräsident dem Haushalt die Zustimmung. Er verwies darauf, dass die Stadt rechtswidrig keinerlei Rücklagen gebildet habe, und ordnete an, die Steuersenkungen rückgängig zu machen.53 Dies war der Hintergrund der Haushaltssorgen, die die neue Oberbürgermeisterin schon bei ihrer Antrittsrede zum Ausdruck brachte.

Es hatte zumindest indirekt mit den gestiegenen Grundstückspreisen zu tun, wenn das Bundeskabinett in Bonn Oberhausen im Mai 1956 in die Ortsklasse S aufstufte. Ob es wirklich „überall“ in Oberhausen mit „Genugtuung“ registriert wurde, dass die Beamten wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten mit ihrem Gehalt jetzt den höchsten Ortszuschlag erhielten? Der Kämmerer jedenfalls musste sich auf einen Anstieg der Personalkosten um mehrere hunderttausend Mark einrichten.54 Es war Ausdruck der Aufbruchstimmung in diesen Wirtschaftswunderjahren, auch des gestiegenen Selbstbewusstseins, wenn der Verkehrsverein 1958 einen Ideenwettbewerb ausrief für den besten Werbespruch der Stadt. Ein erster Preis von 100 DM war in diesen Tagen noch genügend Anreiz für zahlreiche Einsendungen. „Oberhausen – Wiege der Ruhrindustrie“ wurde von vornherein als „nicht zweckmäßig“ verworfen. „Die Stadt im Grünen“ war schon an Buer vergeben. „Oberhausen – das Paris des Ruhrgebiets“ wurde eher als Scherz aufgefasst. Aber so ganz sicher war sich der „Generalanzeiger“ mit dieser Einschätzung nicht.55

Im November 1958 standen die Oberbürgermeisterin und ihre beiden Stellvertreter zur Wiederwahl an. Luise Albertz und die beiden Bürgermeister Wilhelm Jansen (CDU) und Josef Kornelius (SPD) wurden dieses Mal fast einstimmig in ihren Ämtern bestätigt. Sehr wohl registriert wurde das traditionelle Übergewicht Alt-Oberhausens in der Riege der Stadtoberhäupter: Seit 1945, als wieder demokratisch gewählt werden konnte, stammten alle Oberbürgermeister und drei der sechs Stellvertreter aus dem Süden. Nur drei Bürgermeister hatten ihren Wohnsitz im Norden: Große-Brömer (Osterfeld), Laufenberg (Sterkrade) und Jansen (Holten).56

Am Tag vor Heiligabend legte der Kämmerer seiner wiedergewählten Chefin den Haushaltsplan für 1959 auf den Gabentisch. Er enthielt nicht „alles das, was man sich als braves Wirtschafts-Wunderkind erträumt hatte“. Der Kämmerer rechnete mit geringeren Einnahmen aus der Gewerbesteuer, den Finanzzuweisungen des Landes und selbst aus der Vergnügungssteuer, weil die Menschen nicht mehr soviel ins Kino gingen. Die Gesamtverschuldung werde auf über 105 Millionen DM steigen, wofür ein Schuldendienst von 6,8 Millionen DM in den Haushalt einzusetzen sei. Damit gerate Oberhausen spätestens 1961 „tief in die Gefahrenzone“- für den „Generalanzeiger“ Anlass für die dramatisierende Schlagzeile: „Die ‚7 fetten Jahre‘ vorüber?“.57 Bei der Einbringung des Haushalts in den Rat der Stadt nannte der Kämmerer bereits eine Gesamtverschuldung von 108 Millionen DM. Der Oberstadtdirektor malte das Gespenst einer „Bürgersteuer oder auch Negersteuer“ an die Wand, wenn es im Frühjahr keine Konjunkturbelebung gebe. Und da sah es für Oberhausen schlecht aus, weil die HOAG nicht ausschließen wollte, dass im Frühling bei weiter flauer Konjunktur der erste Hochofen ausgeblasen würde. Trotzdem versprachen die Chefs der Verwaltung hoch und heilig, dass es keinen Baustopp bei den Großbauten (neuer Rathausflügel, Handelslehranstalt, Stadthalle) geben würde.58 Genau an diesen Projekten setzte jedoch die Kritik der Opposition an: Der Bau der Stadthalle könne zugunsten des viel dringenderen Schulbaus zurückgestellt werden. Nebenbei nutzte der Fraktionsvorsitzende der CDU die Haushaltsdebatte, um die erschreckende Zunahme der Kriminalität in der Stadt zu beklagen und um neben mehr Polizisten auf den Straßen auch die Wiedereinführung der Todesstrafe für Schwerstverbrechen zu fordern.59

Wenige Jahre später, als der Geldmangel sich überall schmerzhaft bemerkbar machte, würde man sich wehmütig an die fetten Jahre erinnern, in denen ein Großprojekt wie die Stadthalle noch realisiert werden konnte. Kurz nach der Eröffnung am 1. September 1962 wusste der „Generalanzeiger“: „Hätte man sie nicht bereits, man würde heute nicht mehr an ihre Errichtung zu denken wagen – und morgen auch nicht. […] Sie war ein Meilenstein im Aufbau des Oberhausener Kultur- und Gesellschaftslebens, aber gleichzeitig auch ein Schlussstein.“60

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4

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