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Der blaue Teppich
Оглавлениеvon Brigitte Zehetgruber
Als ich mit meiner Akitahündin Buki von der Stadt in unser Häuschen auf dem Land zog, waren diverse Umbauarbeiten und eine neue Möblierung fällig. Auch die Auswahl eines neuen Teppichs in der Stube gehörte dazu. Da sich dieser Teppich an – für meinen Hund – strategisch wichtiger Stelle befand (genau zwischen Küchentür und Esstisch), war die Qual der Wahl groß: Nehme ich einen hellen Teppich, sehe ich zwar keine weißen Hundehaare, aber dafür diverse Spuren von Leckerlis oder schmutzigen Hundepfoten. Nehme ich einen dunkleren, sehe ich zwar keine Schmutzspuren, dafür aber jedes Hundehaar.
Ich entschied mich für einen wunderschönen dicken dunkelblauen Gabeh, der von Buki sofort nach dem Auflegen in Beschlag genommen wurde. Von dort aus konnte sie mich »unauffällig« bei meinen Tätigkeiten in der Küche beobachten und ganz schnell zur Stelle sein, wenn eventuell etwas zu Boden fiel.
Dann kam der Tag, an dem ich mich von Buki nach fast taggenau zwölf gemeinsamen Jahren verabschieden musste. Völlig verloren stand ich – nachdem sie im Garten ihren letzten Platz gefunden hatte – in der Gegend herum und versuchte krampfhaft, etwas Sinnvolles zu machen. Da kam ich auf den Gedanken, Bukis »Lieblingsteppich« in die Wäscherei zu bringen – er hatte es doch nötig.
Beim Abholen übergab mir die Verkäuferin die Rolle mit den Worten »So, jetzt haben Sie wieder einen sauberen Teppich«. »Ja, « meinte ich, »aber leider keinen Hund mehr. Ein nicht so sauberer Teppich und ein noch lebender Hund wären mir bedeutend lieber.« Wir kamen ins Gespräch, ich erzählte von Buki und der Rasse Akita. Sie berichtete, dass sie im Internet Akita-Welpen gesehen hätte, da sie schon seit einiger Zeit einen kleinen Hund für ihren Sohn suchen würde.
Eigentlich war mir klar, dass ich keinen Welpen haben wollte, da – meiner Meinung nach – ein Welpe in einer Familie aufwachsen sollte, wo immer was los ist und er viel kennenlernen kann. Mir wäre ein etwas älterer Hund aus dem Tierschutz lieber, dem ich mit einem ruhigen Plätzchen, einer gut gefüllten Futterschüssel, vielen Streicheleinheiten und gemütlichen Spaziergängen eine Freude machen könnte.
Ich habe dann am Abend doch die Internetseite gesucht und auch die genannten Welpen gefunden. Aber ein Klick weiter unten blickten mich ein paar braune Augen etwas neugierig, aber auch vorsichtig an. Der Text dazu lautete: »Akita-Mix-Hündin Stella sucht ein Zuhause«. Die angegebene Telefonnummer gehörte zu einem kleinen privaten Tierheim, das in diversen östlichen Nachbarländern immer wieder mit Futter und auch Kastrationsprojekten hilft und »auf der Heimreise« jedes Mal ein paar Hunde aus diesen Ländern mitnimmt und sie hier vermittelt.
Stella
Schon ein paar Tage später war ich auf dem Weg, um Stella kennenzulernen. Bewaffnet mit einer großen Tüte Leckerlis ging ich auf den Hundeauslauf zu – die meisten Hunde standen direkt am Maschendrahtzaun, hüpften in die Höhe und machten einen Höllenlärm. Ich suchte nach Stella und dann sah ich sie: Etwa zwei Meter hinter dem Zaun auf einem kleinen Hügel stand sie ganz ruhig und blickte mich Stella aufmerksam an. Nachdem sämtliche Leckerlis in Windeseile in diversen Hundemägen verschwunden waren und wieder Ruhe einkehrte, erzählte die Betreuerin, dass Stella bereits als Welpe in einer Tötungsstation gelandet und von einem Tierfreund in eine »Auffangstation« gebracht worden wäre. Vor ca. sechs Wochen wäre sie dann mit der Ausreise nach Österreich dran gewesen.
Ich versuchte Kontakt mit Stella aufzunehmen, rief sie leise beim Namen. Sie kam ganz vorsichtig, schnupperte an meiner Hand, ließ sich streicheln, legte mir dann ihr Schnäuzchen aufs Knie und blickte mich seelenvoll an. Somit war klar, Stella würde bei mir einziehen.
Stella war ganz deutlich ein Mischling, ihre Beine und Pfoten sind für einen Akita zu schmal, die Rute liegt nicht auf dem Rücken, sondern zeigt senkrecht nach oben und auch der schwarze Fleck auf der rechten Schulter wurde sicher vom Vater vererbt. Dennoch, sie hat ein wunderschönes, weiches, silberbrindel Fell mit roter Unterwolle, aufmerksame Stehohren und sehr viel Akita-Charakter. Da schon seit geraumer Zeit meine Holzstiege im Haus geschliffen und frisch lackiert werden musste, habe ich Stella nicht gleich mitgenommen.
Die Renovierung habe ich immer wieder mit der Begründung »Das mache ich, wenn Buki einmal nicht mehr ist« hinausgeschoben, da ich ihr weder den Staub, noch den Lärm und den Geruch des Lacks zumuten wollte. Aber jetzt, da Stellas Einzug bevorstand, war es dringend. Als ich das Hundegehege verließ, drehte ich mich noch einmal um. Stella stand wieder auf diesem Erdhügel und blickte mich an, als wollte sie sagen: »Jetzt hast du dich die ganze Zeit mit mir beschäftigt und dann gehst du wieder?«
Eine Woche später glänzte die Stiege wie neu und ich stand mit Geschirr und Leine wieder vor dem Hundegehege. Ich hatte den Eindruck, dass Stella ihre bellenden Mitbewohner nicht ungern verließ. Kaum hatte sie ihr Geschirr an, zog sie mich zum Ausgang und sprang sofort fröhlich zu mir ins Auto.
Daheim angekommen, inspizierte sie das ganze Haus sehr genau. Sie nahm vorsichtig ein Leckerli und suchte sich dann einen Platz, um den Keks genussvoll zu verspeisen. Wo? Auf dem blauen Teppich, den sie seither als ihr Eigentum betrachtet. Er liegt ja auch strategisch günstig.