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Franz Gerhard und Eleonore Wegeler

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Mein lieber alter Louis!

[…] Wenn du binnen den 28 Jahren, daß ich Wien verließ, nicht alle 2 Monate einen langen Brief erhalten hast, so magst du dein Stillschweigen auf meine ersten als Ursache betrachten. Recht ist es keineswegs und jetzt um so weniger, da wir Alten doch so gern in der Vergangenheit leben, und uns an Bildern aus unsrer Jugend am meisten ergötzen. Mir wenigstens ist die Bekanntschaft und die enge, durch deine gute Mutter gesegnete, Jugendfreundschaft mit dir ein sehr heller Punkt meines Lebens, auf den ich mit Vergnügen hinblicke und der mich vorzüglich auf Reisen beschäftigt. […]

Warum hast du deiner Mutter Ehre nicht gerächt [verteidigt], als man dich im Conversations-Lexikon, und in Frankreich zu einem Kind der Liebe machte? Der Engländer, der dich vertheidigen wollte, gab, wie man in Bonn sagt, dem Dreck eine Ohrfeige und ließ deine Mutter 30 Jahre mit dir schwanger gehen, da der König von Preußen, dein angeblicher Vater, schon 1740 gestorben sey, eine Behauptung, die durchaus falsch ist, da Friedrich II 1740 zum Throne kam, und 1786 erst starb. Nur deine angebohrne Scheu etwas andres als Musick von dir drucken zu lassen, ist wohl Schuld an dieser sträflichen Indolenz. Willst du, so will ich die Welt hierüber des Richtigen belehren. Das ist doch wenigstens ein Punkt, auf den du antworten wirst. – Wirst du nie den Stephansthurm aus den Augen lassen wollen? Hat Reisen keinen Reiz für dich? Wirst du den Rhein nie mehr sehn wollen? – Von Frau Lore alles Herzliche, so wie von mir.

Dein uralter Freund Wglr.

aus einem Brief Franz Gerhard Wegelers an Beethoven, Koblenz, 28. Dezember 1825.

Die 3., 1814 erschienene Auflage des Conversations-Lexikons von Friedrich Arnold Brockhaus hatte in seinem Beethoven-Artikel das in Alexandre Chorons und François Fayolles Dictionnaire historique des musiciens (Paris 1810) zuerst verbreitete Gerücht vermerkt, Beethoven sei ein natürlicher Sohn Friedrich Wilhelms II. von Preußen (1744–1797). Für ihn schrieb Beethoven 1796 seine Sonaten für Klavier und Violoncello op. 5. In der in London erscheinenden Musikzeitschrift Harmonicon vom November 1823 ist unter irreführendem Bezug auf Friedrich Wilhelm I. zu lesen: »but if this prince were really his father, he is the greatest prodigy the world ever saw, or most likely, will ever see again: for as Frederick II. [gemeint ist der »Soldatenkönig« Friedrich Wilhelm I. (1688–1740)] died in 1740, the period of Mad. Beethoven’s gestation must in such a case, have been exactly thirty years.« Wegeler bezieht sich auf den »Alten Fritz« (1712–1786), den Sohn Friedrich Wilhelm I. und Onkel Friedrich Wilhelms II.

Mein alter geliebter Freund!

Welches Vergnügen mir dein, u. deiner Lorchen Brief verursachte, vermag ich nicht auszudrücken. Freylich hätte pfeilschnell eine Antwort darauf erfolgen sollen; ich bin aber im Schreiben überhaupt etwas nachlässig, weil ich denke, daß die bessern Menschen mich ohnehin kennen. Im Kopf mache ich öfter die Antwort, doch wenn ich sie niederschreiben will, werfe ich meistens die Feder weg, weil ich nicht so zu schreiben im Stande bin, wie ich fühle. Ich erinnere mich aller Liebe, die du mir stets bewiesen hast; z. B. wie du mein Zimmer [in der Wenzelgasse in Bonn] weissen ließest u. mich so angenehm überraschtest, – eben so von der Familie Breuning. Kam man von einander, so lag dieß im Kreislauf der Dinge; jeder mußte den Zweck seiner Bestimmung verfolgen, u. zu erreichen suchen. Allein die ewig unerschütterlichen, festen Grundsätze des Guten hielten uns dennoch immer fest zusammen verbunden. – […] Du schreibst, daß ich irgendwo als natürlicher Sohn des verstorbnen Königs von Preussen angeführt bin; man hat mir davon schon vor langer Zeit ebenfalls gesprochen. Ich habe mir aber zum Grundsatze gemacht, nie weder etwas über mich selbst zu schreiben, noch irgend etwas zu beantworten, was über mich geschrieben worden. Ich überlasse dir daher gerne, die Rechtschaffenheit meiner Ältern, u. meiner Mutter insbesondre, der Welt bekannt zu machen. – […]

Vor Kurzem hat ein gewisser Dr. Spicker [der Bibliothekar der Königlichen Bibliothek in Berlin Samuel Heinrich Spiker] meine letzte große Symphonie mit Chören [9. Sinfonie op. 125] nach Berlin mitgenommen; sie ist dem Könige gewidmet, u. ich mußte die Dedication eigenhändig schreiben. Ich hatte schon früher bey der Gesandtschaft um die Erlaubniß, das Werk dem Könige zueignen zu dürfen, angesucht, welche mir auch von ihm gegeben wurde. Auf Dr. Spickers Veranlassung musste ich selbst das corrigirte Manuskript mit meinen eigenhändigen Verbesserungen demselben für den König übergeben, da es in die k. Bibliothek kommen soll. Man hat mir da etwas von dem rothen Adler-Orden 2ter Klasse hören lassen; wie es ausgehn wird, weiß ich nicht, denn nie habe ich derley Ehrenbezeugungen gesucht. Doch wäre sie mir in diesem Zeitalter wegen Manches Andern nicht unlieb. [Beethoven blieb die Ehrung, die Wegeler (Roter Adler-Orden 1830 zunächst 3. Klasse, 1839 dann 2. Klasse) für seine Verdienste als Medizinalbeamter erhielt, verwehrt. Er erhielt lediglich ein Dankschreiben und einen Brillantring.]

– Es heißt übrigens bey mir immer: Nulla dies sine linea [»Kein Tag ohne Linie«, Sprichwort abgeleitet von Plinius’ d. Ä.; Anekdote über den Maler Apelles], u. la[s]se ich die Muse schlafen, so geschieht es nur, damit sie desto kräftiger erwache. […]

Mein geliebter Freund! Nimm für heute vorlieb, ohnehin ergreift mich die Erinnerung an die Vergangenheit; u. nicht ohne viele Thränen erhältst du diesen Brief. Der Anfang ist nun gemacht, u. bald erhältst du wieder ein Schreiben; und je öfter du mir schreiben wirst, desto mehr Vergnügen wirst du mir machen. Wegen unsrer Freundschaft bedarf es von keiner Seite einer Anfrage, u. so lebe wohl; ich bitte dich, dein liebes Lorchen u. deine Kinder in meinem Nahmen zu umarmen u. zu küssen, u. dabey meiner zu gedenken. Gott mit euch allen!

Wie immer dein treuer, dich ehrender wahrer Freund

Beethoven

an Franz Gerhard Wegeler in Koblenz, geschrieben Wien, 7. Dezember 1826, versandt am 17. Februar 1827, fünf Wochen vor seinem Tod

Beethoven zum Vergnügen

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