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Vorwort
ОглавлениеDagmar Denker
Es mag sein, dass „Land“ und „Stadt“ einmal sehr unterschiedliche Lebensräume waren – zumindest in den Bildern, die wir in uns tragen. Das habe ich als „westfälisches Landei“ sehr eindrücklich erlebt. Wir spielten im Dorf auf dem Hof und auf der Straße, jeder kannte jeden, alles war vertraut und geregelt; wir feierten zusammen und weinten gemeinsam, wir kauften in „unserem“ Laden, gingen in „unsere“ Kirche.
Natürlich erlebten wir alle die Kehrseite dieser Idylle: soziale Kontrolle, Engstirnigkeit, sehr begrenzte Freiräume, wenig Mobilität ∇ eine kleine Welt eben. Aber es waren und sind doch vor allem die positiven Bilder, die blieben − schöngefärbt und schöngeredet. Die „große“ Stadt, damals in unerreichbarer Entfernung (40 Kilometer), war Reiz und Bedrohung zugleich.
Es ist kein Geheimnis, dass diese Bilder heute nicht mehr stimmen – und vermutlich die Wirklichkeit immer nur sehr unzureichend abgebildet haben. Dennoch verstärkt sich der Eindruck, dass sich ein nicht unerheblicher Rest dieser Vorstellungen erhalten hat und gepflegt wird; nicht zuletzt, weil wir uns nicht davon trennen wollen. Ein Rest an Nestwärme und Idylle möchten wir uns nur allzu gern erhalten.
Ähnlich gilt das auch für unsere religiösen Sehnsüchte und Vorstellungen. Auch da sehnen wir uns allzu oft nach Bildern der Vergangenheit, die sich in der Rückschau mehr und mehr verklären und die Wirklichkeit verschwimmen lassen. Umso bedeutsamer ist es, bei allen pastoralen Fragen (eine) Wirklichkeit wahrzunehmen, die möglichst unbelastet ist von überholten Bildern, übersteigerten Ängsten und gepflegter Wehmut. Es geht um eine Wirklichkeit, die geprägt wird von Menschen dieser Zeit, in diesen Sozialformen, mit ihren Ängsten und Sorgen, ihrer Trauer und Angst dieser Tage.
Wie werden wir die Frage nach Gott in Zukunft (noch) vernehmbar und überzeugend stellen können? Wie werden wir das Evangelium lebendig halten und weitersagen? Wie und wo werden wir miteinander unseren Glauben feiern – in 10 Jahren, in 20 Jahren, in der kommenden Generation? Wie werden wir als Kirche weiterhin im Leben der Menschen in unterschiedlichen Lebensräumen Bedeutung haben? Das sind die eigentlichen Fragen, die sich hinter all den Bemühungen um die Pastoral und eben auch hinter dem Schlagwort der „Landpastoral“ verbergen.
Wir haben inzwischen verstanden, dass wir bei allen pastoralen Überlegungen sehr viel genauer hinschauen müssen auf die Lebensräume, die Menschen prägen und die von Menschen geprägt werden; dass wir die differenzierten Lebensentwürfe wahrnehmen müssen, die sie entwickeln, und dass wir gefordert sind, Wege zu finden, mit ihren veränderten Lebensumständen umzugehen: mit Vereinzelung, zerbrochenen Biografien und brüchigen Beziehungen. Immer wieder in Erinnerung rufen müssen wir uns, dass wir auf all diese bedrängenden Fragen nur dann eine Antwort geben können, wenn unser Suchen nach Antworten durchdrungen ist vom Vertrauen in einen Gott, der uns nicht jenseits dieser Wirklichkeit, sondern in den Menschen dieser Zeit entgegenkommt. Ich bin zutiefst überzeugt, dass in einem aufrichtigen und einem dem Menschen zugewandten Suchen für uns als Kirche die wirklichen Aufbrüche und die eigentliche Erneuerung liegen.
Das Hünfelder Symposion zur Landpastoral, das in diesem Band wesentlich dokumentiert wird, hat viele der oben aufgeführten Blitzlichter im Licht der Wissenschaft und der kirchlichen Dokumente in den Blick genommen und hinsichtlich einer zukunftsfähigen Pastoral beleuchtet. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag zu all den Prozessen, die im Moment nicht nur im Bistum Fulda zu tief greifenden Veränderungen führen und führen müssen. Viele Beiträge dokumentieren darüber hinaus, dass es bereits viele sehr konkrete Ansätze und gelungene Antwortversuche gibt. Dennoch markiert diese Dokumentation nicht das Ende, sondern einen neuen Abschnitt eines interessanten Weges, den wir vor uns haben − der allerdings durch die Erfahrungen ebendieser Veranstaltung noch einmal neuen Schwung aufgenommen hat.