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Das positive Aufgreifen des Begriffs: Bekenntnis zur missionarischen Jugendarbeit
ОглавлениеNoch 1971 versteht der EC in einer Stellungnahme zur politischen Bildungsarbeit die eigene Arbeit als „missionarische Jugendarbeit“ (Affolderbach 1982: 404).
Ein Bekenntnis zu einer ausdrücklich missionarischen Jugendarbeit ist auch die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Jugendevangelisation (AGJE) am 6. Dezember 1971 in Wuppertal. Die verabschiedete „Basis“ formuliert: Die AGJE ist „ein freier Zusammenschluß von Personen, die in der Jugendarbeit von Landes- und Freikirchen sowie in christlichen Jugendwerken tätig sind und sich um eine evangelistisch ausgerichtete Jugendarbeit bemühen. 2. Jugendevangelisation wird von den Mitgliedern der AG auf der Grundlage der biblischen Botschaft verstanden: a) als Verkündigung des Heils allein in Jesus Christus [...], b) als Ruf zur Umkehr und zur Nachfolge Jesu Christi [...], c) als Anleitung zum verbindlichen Leben in der Gemeinde Jesu Christi und in der Welt [...]. Von daher umfaßt Jugendevangelisation evangelistische Schwerpunktaktionen und kontinuierliche missionarische Jugendarbeit“ (Affolderbach 1982: 380). Die „kontinuierliche missionarische Jugendarbeit“ soll u. a. durch Veranstaltungen, Mitarbeiterschulung, Bereitstellung von Materialien geschehen.
In beiden Dokumenten wird der Begriff „missionarische Jugendarbeit“ positiv für das eigene Selbstverständnis aufgenommen. Es fällt aber auf, dass in der Basis der AGJE die Begriffe „evangelistisch“ und „Evangelisation“ dominieren. Dies betont einerseits das ausdrückliche Bejahen der Wortverkündigung als Teil der Jugendarbeit, was von den Vertretern einer emanzipatorischen Jugendarbeit kritisiert wurde. Andererseits schien der Begriff „missionarisch“, der zu dieser Zeit auch innerhalb des Ökumenischen Rats der Kirchen diskutiert wurde (vgl. Stettner 1999: 15–28; 41–50), nicht eindeutig genug die Zielsetzung der Jugendarbeit zu beschreiben. Dass „missionarisch“ immer auch die verbale Verkündigung beinhaltete, wie umgekehrt „evangelistisch“ als ganzheitliches missionarisches Handeln verstanden werden sollte, zeigt die „Theologische Erläuterung“ (1973) der Basis der AGJE durch Jürgen Blunck: „Evangelisation wird den Dienst für die Welt in dreifacher Richtung aufzeigen: missionarisch, diakonisch, gesellschaftspolitisch“ (Affolderbach 1982: 384). So kann, ebenfalls 1973, Ulrich Parzany auf einer Konferenz für Jugendarbeit im Rheinland zum Thema „Jugendevangelisation“ konkret von „jugendmissionarischer Arbeit“ (Affolderbach 1982: 385–387) sprechen.
Sind in der AGJE Einzelpersonen verbunden, die sich in den Dienst missionarischer Jugendarbeit stellen, so schließen sich 1974 nach gemeinsamen missionarischen Aktionen anlässlich der Olympischen Spiele in Deutschland (1972) und unter dem Einfluss der Lausanner Verpflichtung (Lausanner Bewegung Deutschland (2000) [1974]: 5 „dass Evangelisation und soziale wie politische Betätigung gleichermaßen zu unserer Pflicht als Christen gehören“) Werke zusammen, die sich der „missionarischen Jugendarbeit“ verpflichten. Am 5. Dezember 1974 wird der Ring Missionarischer Jugendbewegungen (RMJ, seit 2012: netzwerk-m, www.netzwerk-m.de) gegründet aus zunächst acht Missionswerken und auf der theologischen Basis der Evangelischen Allianz. Die im RMJ zusammengeschlossenen Werke kooperieren mit den Jugendverbänden (EC, CVJM, SMD, MBK), die sich ebenfalls als Träger missionarischer Jugendarbeit verstehen.
Mit beiden Gründungen wird die „missionarische Jugendarbeit“ nun auch institutionell verankert, doch nicht in einem Gegenüber zur aej, sondern als Teil dieses Dachverbands, in dem ab 1975 auch der RMJ Mitglied ist. Missionarische Jugendarbeit ist damit eine inhaltliche Konzeption, der innerhalb der aej andere Konzeptionen evangelischer Jugendarbeit gegenüberstehen. Im Selbstverständnis der Vertreter und Werke ist missionarische Jugendarbeit ganzheitlich: Sie bekennt sich zur verbalen Verkündigung des Evangeliums, beschränkt sich aber nicht auf diese, sondern bekennt sich zugleich zu einem ganzheitlichen Verständnis von Mission und Evangelisation.
Dem entspricht auch die weitere praxisbezogene Verwendung des Begriffs innerhalb der Verbände und Kreise, die jugendmissionarisch arbeiten. Hier finden sich v. a. Anleitungen zur Praxis missionarischer Jugendarbeit. So leitet 1976 Ulrich Parzany, erster Vorsitzender der AGJE und Leiter des Weigle-Hauses in Essen (1976–1984), ein breites Lesepublikum „zur evangelistischen Jugendarbeit“ mit Wortverkündigung an (vgl. Parzany 1976: 9–32). Er betont, dass missionarische und soziale Jugendarbeit zusammengehören (vgl. Parzany 1976: 33–63), und fordert zugleich zum weltmissionarischem Weitblick in der Jugendarbeit auf (vgl. Parzany 1976: 65–93). Auch hier wird innerhalb der missionarischen Arbeit die evangelistische Wortverkündigung bejaht und betont. Innerhalb der verbandlichen Jugendarbeit bürgert sich der Begriff ein, sodass z. B. 1998 anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des CVJM-Westbunds eine „Sammlung von Aufsätzen zur missionarischen Jugendarbeit“ (Dickel/Noack 1998: 8) erscheint, die den Begriff in der Einleitung prominent nennt, aber inhaltlich nicht weiter diskutiert, sondern zwölf Beiträge aus der Praxis missionarischer Jugendarbeit folgen lässt. In den 1980er-Jahren finden sich auch im landeskirchlichen Kontext Überlegungen zur „Missionarischen Jugendarbeit in der Gemeinde“ (Jaworski 1987) und Beispiele für „Missionarische Jugendarbeit in der Volkskirche“ (Winterhoff/Völkner 1988).
Im Blick auf die Publikationen seit den 1970er-Jahren fällt jedoch auf, dass das ganzheitliche Selbstverständnis von „missionarischer Jugendarbeit“ nicht zwingend der Außenperspektive auf missionarische Jugendarbeit entspricht, was sich auch in der Verwendung anderer Begriffe spiegelt.