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2.3 Ein Konzeptionsbegriff etabliert sich (1974–1980)

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Diese Diskussion findet einen vorläufigen Schlusspunkt auf der aej-Mitgliederversammlung im März 1974, auf der Werner Schanz, Leiter des Studienzentrums für evangelische Jugendarbeit in Josefstal, den emanzipatorischen Ansatz gegenüber „missionarischer Jugendarbeit“ (Affolderbach 1982: 157) noch einmal vorstellt, und Klaus Teschner, Direktor der Arbeitsgemeinschaft MBK, den Ansatz der missionarischen Jugendarbeit referiert (vgl. Affolderbach 1982: 153–173). Dabei spricht Teschner fast ausschließlich von einer „missionarisch-evangelistischen Jugendarbeit“, die „verkündigungsorientiert“ (Affolderbach 1982: 162) ist. Darin wird deutlich, dass der zu betonende, da umstrittene Punkt das Bejahen der verbalen Verkündigung des Evangeliums ist, der zum Bindestrich-Adjektiv „missionarisch-evangelistisch“ führt.

Trotz der unterschiedlichen Ansätze bemühen sich die Träger evangelischer Jugendarbeit ab 1974 um eine gemeinsame Praxis. Die Frage der unterschiedlichen Konzeptionen bleibt offen. Sie wird 1976 nochmals aufgegriffen in Klaus Teschners Überlegungen zu „missionarisch-biblischen Diensten“ und Bernd Hasslers zu „biblisch-missionarischer und politisch-sozialer Jugendarbeit“ (vgl. Hassler 1976; Teschner 1976). Auch die Referate im Jahr 1981 von Hartmut Bärend zur „Missionarischen Jugendarbeit“ (vgl. Bärend 1981: 109–126) und von Tilman Schmieder „zu einer Weiterführung des emanzipatorischen Ansatzes evangelischer Jugendarbeit“ (vgl. Schmieder 1981: 78–108) zeigen die Koexistenz zweier Konzeptionen, für deren eine sich der Begriff „missionarische Jugendarbeit“ verfestigt.

Bärend, zu dieser Zeit Direktor der Arbeitsgemeinschaft MBK, sieht den Gegensatz zwischen missionarischer und emanzipatorischer Jugendarbeit als überwunden an, insofern auch missionarische Jugendarbeit emanzipativ sei (Bärend 1981: 111). Doch hält er am sachlichen Vorrang der missionarischen Verantwortung fest. Denn Jugendarbeit, „die dem Evangelium verpflichtet ist, kann sich ebenfalls nicht anders darstellen, als daß sie missionarische Jugendarbeit ist [...] daß alle möglichen Gestaltungsformen christlicher Jugendarbeit dem missionarischen Dienst verpflichtet sind“ (Bärend 1981: 112). Missionarisches Handeln bedeutet für Bärend auch das „Eintreten für andere, das Teilen und Teilhaben lassen, bis ins Materielle hinein“, aber „Herzstück aller missionarischen Jugendarbeit“ ist für ihn der „Ruf zum persönlichen Glauben“ (Bärend 1981: 116 f.): „Ich bin durch meine Lebens- und Glaubensgeschichte der missionarischen Jugendarbeit verpflichtet [...] Warum? Weil ich vor rund 25 Jahren einen Anstoß aus Kreisen missionarischer Jugendarbeit bekommen habe, der [...] mein Leben geprägt hat. Wenn ich Ihnen sage, wie dieser Anstoß aussah, nenne ich Ihnen schon das Wesentliche über meine Sicht der missionarischen Jugendarbeit. Ein älterer Jugendmitarbeiter stellte mir damals die sogenannte ‚Knopflochfrage‘: ‚Kennst Du Jesus Christus als Deinen persönlichen Heiland?‘“ (Bärend 1981: 109)

Bärends persönliche Worte sind im Blick auf das Selbstverständnis missionarischer Jugendarbeit um 1980 erhellend: Missionarische Jugendarbeit wird als eine, ja die Konzeption evangelischer (als evangeliumsgemäßer) Jugendarbeit verstanden. Zur ihr gehört auch die verbale Einladung zum Glauben, die persönliche Ansprache des Jugendlichen und dessen Entscheidung für eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Damit knüpft Bärends Bestimmung unmittelbar an die erwecklichen Ursprünge im 19. Jh. an.

Bärends Bestimmung missionarischer Jugendarbeit steht am Ende eines mehr als zehnjährigen Diskurses über die Konzeption evangelischer Jugendarbeit. Dieser Diskurs findet aber statt vor dem Hintergrund grundsätzlicher theologischer Auseinandersetzungen innerhalb der evangelischen Kirche(n) in Deutschland seit den 1960er-Jahren. Die Frage biblischer Hermeneutik, entzündet an den Thesen Rudolf Bultmanns und seiner Schüler, die Diskussion um das Missionsverständnis im Ökumenischen Rat der Kirchen und in der Lausanner Bewegung (vgl. Stettner 1999: 15–28; 41–50), aber auch um die gesellschaftliche Öffnung der Kirche prägen auch die evangelische Jugendarbeit und spiegeln sich in der Theorie-Diskussion.

Dieser Hintergrund erklärt manche Zuspitzung innerhalb der Debatte um die Konzeption evangelischer Jugendarbeit, wie z. B. die Fixierung auf die Schlagwörter „Emanzipation contra Evangelisation“ (Schmieder 1981: 89). So betonen die Vertreter einer missionarischen Jugendarbeit in diesem Kontext wiederholt und nachdrücklich die Bedeutung der verbalen Verkündigung des Evangeliums, doch in „den Abschlußreferaten wurde deutlich, daß der Streit [...] wohl um unterschiedliche theologische Ansätze und pädagogische und sozialwissenschaftliche Folgerungen [ging], nicht aber um die Frage eines diakonischen, sozialen und politischen Engagements der Jugendarbeit, das beide Parteien bejahen“ (Stettner 1999: 87). Spätestens mit den Impulsen der Lausanner Verpflichtung (1974) wird auch in den öffentlichen Äußerungen wieder verstärkt „die soziale Verantwortung missionarischer Jugendarbeit betont“ (Affolderbach/Scheunpflug 2003: 139).

Das Eintreten für ein evangelistisches Verkündigen des Evangeliums vonseiten der Vertreter missionarischer Jugendarbeit war nicht nur in den 1970er-Jahren ein Streitpunkt, sondern spiegelt sich bis heute in der kritischen Beurteilung des damaligen Missionsverständnisses in der Fachliteratur wider: „Der Begriff des ‚Missionarischen‘ stand bis in die 1970er- und 1980er-Jahre für einen bestimmten Glaubens- und Sprachstil, der Menschen in manchmal bedrängender Weise mit dem Evangelium konfrontierte und sie zu einer Entscheidung herausforderte“ (Kißkalt 2013: 418). Auch die Bezeichnung der missionarischen Jugendarbeit als „evangelikal“ in der neueren Literatur hat eine oft kritische Konnotation. So spricht Christof Bäumler im Handbuch „Kirchliche Jugendarbeit in Grundbegriffen“ (Affolderbach/Steinkamp 1985) von „missionarischer Jugendarbeit“ mit „evangelikalen Frömmigkeitsmustern“, die oft „mit einem Defizit an selbständiger Praxis christlicher Freiheit“ einhergehen (Bäumler 1985: 241), und auch Martin Affolderbach kann von einer „missionarisch-evangelikalen Konzeption“ (Affolderbach 1987: 104; vgl. Stettner 1999: 2) sprechen. Damit wird der Begriff missionarische Jugendarbeit mit der evangelikalen Bewegung verbunden, was insofern zutreffend ist, als die Träger missionarischer Jugendarbeit auch meist der Evangelischen Allianz angehörten und sich z. B. der RMJ (netzwerk-m) auf der Basis der Glaubenssätze der Evangelischen Allianz zusammenschloss. Doch trägt der diskutierte Begriff „evangelikal“ für das inhaltliche Verständnis missionarischer Jugendarbeit wenig bei.

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