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Mariä Lichtmess

An Lichtmess 1935 entließ der Seewirt zwei Knechte, berichtete der Schriftsteller Josef Bierbichler in seiner 2011 erschienenen Erzählung „Mittelreich“. Sie waren überflüssig geworden. Nur zum Durchfüttern, sagte der Seewirt, „behält man höchstens ein altes Ross, aber auch nur, wenn es ein langes und fleißiges Arbeitsleben hinter sich gebracht hat“.

Seit 1912 ist Mariä Lichtmess kein gesetzlicher Feiertag mehr.

Bis dahin war innerhalb des Kirchenjahres am 2. Februar die Weihnachtszeit zu Ende. Im bäuerlichen Jahr neigte sich der Winter dem Ende zu. Bevor, wie es in einem Volkslied heißt, „im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt“, um die Felder und Wiesen für die Saat vorzubereiten, war es gut, vier Wochen Zeit zu haben, sich an neue Knechte und Mägde zu gewöhnen. Und sie selbst hatten Zeit, sich auf einem neuen Hof zurechtzufinden.

So steht Mariä Lichtmess für den möglichen Wechsel des Arbeitgebers und der Arbeitskräfte. Und: für den Zahltag. Denn mit Mariä Lichtmess war auch die Entlohnung für das Arbeitsjahr verbunden: Geld oder neue Schuhe, eine neue Schürze, Hose oder ein neues Kleid für Knecht oder Magd. Und: Mariä Lichtmess war der Auftakt der einzigen freien Tage im Jahr: Bis Agatha, dem 5. Februar, hatten die Knechte und Mägde frei, für den Umzug zum nächsten Hof oder für einen Besuch bei den Eltern und Geschwistern.

Das Industriezeitalter hat Mariä Lichtmess überrollt wie die Vorboten der digitalen Revolution das Handwerk der Schrift­setzer und der satellitengestützte Traktor des Bauern das hektar­-

große Feld. Im Märzen spannt kein Bauer mehr die Rösslein ein. Er hat in den Winternächten am Bildschirm den Leasingvertrag für einen Säzug erstellt und nach Förderprogrammen der Europäischen Union gefahndet. Jetzt koppelt er das gelieferte Gerät an den Schlepper. GPS-gestützt lässt er die Technik gerade Furchen ziehen und zugleich mit dem Säen wieder glätten. Knechte und Mägde? Wären zu teuer, denn sie müssten Mindestlohn bekommen und Tarifurlaub. Und fast hätte die Koalition 2017 die sachgrundlose Befristung wegverhandelt. Dann würde man die Arbeitskräfte kaum wieder los. Im Spätsommer, zur Ernte, mietet der Bauer für drei Tage die Mähdreschergruppe. Der Obstbauer lässt über seinen Vermittler eine polnisch-ukrainische Pflückertruppe kommen. Und die Digitalisierung wird weitere Berufe erledigen, eher früher als später.

Immer stärker definieren sich Menschen deshalb nicht nur über ihre Arbeit. Das ist gut. Und geblieben ist der Neuanfang, im Beruf, in der Partnerschaft, im Jahr. Das wird in diesem Fest abgebildet. Der Neuanfang begann an Weihnachten und wird jetzt abgeschlossen, damit der Alltag einsetzen und eine neue Festzeit beginnen kann. Maria und Josef bringen ihren Sohn Jesus in den Tempel, damit er die Reise seines Lebens und seiner Berufung antreten kann. Zudem werden die Tage wieder länger. Irgendwann musste niemand mehr bei Kerzenschein spinnen, deshalb haben sich Kerzen als Feierbeleuchtung etabliert. Sie stehen für die Entschleunigung: Noch einmal kurz aus dem Alltag aussteigen. Und sich zugleich eingewöhnen. Ilse Junkermann sagt, was man alles in dieses Fest hineinpacken kann, auch wenn kein Bauer mehr Knechte und Mägde braucht.

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