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Wer erleuchtet mich?

Ilse Junkermann ist Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Geboren ist sie 1957 im landwirtschaftlich geprägten Dörzbach im Nordosten Baden-Württembergs.


„... und an Lichtmess habe ich dort aufgehört als Magd und bin zum Bauern B im übernächsten Dorf.“ Bei dieser Erzählung meiner Großmutter ist mir zum ersten Mal dieser Tag „Mariä Lichtmess“ begegnet. Er war in der bäuerlichen Kultur der Tag des Arbeitsplatzwechsels: Man ging woandershin „in Stellung“, wie meine Großmutter den Arbeitsplatzwechsel noch nannte. Und die Handwerker gingen ab 2. Februar wieder auf die Walz.

So war das kirchliche Fest Mariä Lichtmess mit der gesamtgesellschaftlichen Arbeitskultur, zumindest auf dem Land, verbunden. Es war in den Rhythmus des bäuerlichen Arbeitsjahres eingebunden. Das eigene Leben mit seinen Wechselfällen war eingeschrieben in das Kirchenjahr mit seinen Festen. Ob auch deshalb dieses Fest bzw. dieser Tag im Kirchenjahr fast ganz aus der Festtagskultur verschwunden ist, weil es keinen gemeinsamen Rhythmus des Arbeitens mehr gibt?

Ursprung des Festes – seine Bedeutung für mich heute

An Mariä Lichtmess wird zweierlei gefeiert: Im Lukasevangelium (Lukas 2,22–24) wird uns erzählt, dass Jesu Eltern ganz entsprechend den Bestimmungen der Thora handelten: 40 Tage nach der Geburt eines Sohnes erfolgt die kultische Reinigung der Mutter (vgl. 3. Mose 12,1–4), für die sie das vorgeschriebene Opfer im Tempel bringt: Für Arme waren dies zwei Tauben oder Turteltauben (vgl. 3. Mose 12,6–8). Und zugleich bringen die jungen Eltern Gott ihren Erstgeborenen dar, wie es in 2. Mose 13,2 geboten ist, als Erinnerung an die von Gott verschonte männliche Erstgeburt in der Nacht vor dem Auszug aus Ägypten. Diese Darbringung heißt in Luthers Übersetzung „Darstellung im Tempel“.

So betont der Evangelist Lukas: Der neugeborene Jesus ist Jude, seine Eltern halten sich streng an die Gebote der Thora. Die nachfolgende Erzählung (Lukas 2,25ff) unterstreicht die Sendung dieses Kindes für sein Volk und alle Völker. Der alte Simeon wird von Gottes Geist in den Tempel geführt. Dort nimmt er das Kind auf seinen Arm, preist es als Messias und Trost Israels und als „ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel“. Die Eltern wundern sich über diese Worte, auch über die bekräftigenden nachfolgenden der Prophetin Hanna. Damit ist die Erzählung von der Geburt Jesu beendet.

Das Fest Mariä Lichtmess stellt heraus: Maria hat den zur Welt gebracht, der das Licht der Welt ist, der, zum Volk und Bund Gottes mit Israel gehörend, das Licht für alle Völker ist. Mit diesem Fest ist der Weihnachtsfestkreis zu Ende. Mariä Lichtmess ist das Fest auf der Grenze zwischen der Weihnachts- und der Passionszeit. Seine Darbringung im Tempel und dass er als Erstgeburt nicht wie vorgesehen durch ein Opfer ausgelöst wird, weisen auf seine Hingabe und sein Ganzopfer in Passion und Kreuzigung voraus. Der Neugeborene ist zur Hingabe bestimmt. Lange bevor er ein Opfer der Macht und Gewalt von Menschen wird, wird er – wie jede Erstgeburt – Gott zum Opfer gebracht, im Tempel dargestellt, Gott geweiht. So erinnert Mariä Lichtmess noch vor Beginn der Passionszeit daran: Jesu Weg der Hingabe und Passion ist ein Weg im Auftrag Gottes. Er ist Licht der Welt, das an das Licht als erstes und einzig ungeteiltes Schöpfungswerk Gottes erinnert, und mit dem in diesem Kind die Neuschöpfung (vgl. 2. Korinther 5,17 und 2. Korinther 4,6) ihren Grund und Anfang nimmt. Durch die Taufe sind wir in diese Neuschöpfung hineingenommen, leben in diesem neuen Licht.

So wurde Mariä Lichtmess mit einer Lichterprozession und der Segnung von Kerzen für das kommende Jahr gefeiert. Die Kerzen konnten auf der „Mess“, dem extra für diesen Kerzenkauf stattfindenden Lichtermarkt, erworben werden.

Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird Mariä Lichtmess nicht mehr als Marienfest, sondern als Herrenfest gefeiert und heißt: Fest der Darstellung des Herrn. Auch in der neuen Perikopenordnung der evangelischen Kirche ist der 2. Februar unter den weiteren Festen und Gedenktagen als „Tag der Darstellung Jesu im Tempel (Lichtmess)“ vorgesehen.

Auch wenn dieses Fest nur selten mit einem Gottesdienst oder einer Abendandacht gefeiert wird, ist doch in den meisten römisch-katholischen und manchen evangelisch-lutherischen Gemeinden der Brauch erhalten geblieben, erst nach Mariä Lichtmess den Christbaum, auf jeden Fall die Krippe und den weiteren Weihnachtsschmuck zu entfernen und damit für alle sichtbar so lange, bis vierzig Tage nach dem 1. Christfesttag Weihnachten, die Geburt Jesu als Licht der Welt zu feiern.

Warum ist mir dieses Fest wichtig geworden?

Es ist eines der wenigen Feste, das explizit der Israelvergessenheit in der Kirche wehrt; denn es erinnert: Jesus, der Jude, von einer jüdischen Mutter geboren, ist dem Gott Israels verdankt und geweiht, in den bleibenden Bund Gottes mit Israel hineingeboren und als solcher vom Gott Israels zum Licht für alle Völker gemacht. Wir Christen aus den sogenannten Heiden sind deshalb dem Volk Israel bleibend verbunden. Die Geschichte des christlich motivierten und legitimierten Antisemitismus, der immer wieder zu schrecklichen Judenverfolgungen geführt hat, reicht bis heute, ja, flammt nach der unvorstellbaren Vernichtung der Shoa in unserem Land neu auf. Mariä Lichtmess begehen, heißt deshalb für mich als Erstes, als Christen der bleibenden Verbundenheit mit Gottes ersterwähltem Volk zu gedenken.

Zum Zweiten erinnert mich das Fest Mariä Lichtmess: Auch ich, auch wir stehen in diesem Licht. Es leuchtet durch alle dunkle Zeit hindurch und führt mich dereinst durch das Dunkel des Todes zum Licht seiner Herrlichkeit. Die Kerzen, die ich bewusst zu Mariä Lichtmess für das ganze Jahr kaufe, stellen mir das ganze Jahr hindurch vor Augen: „Jesus Christus ist das wahre Licht. Lass dich nicht blenden von den vielen Lichtern, die dir den Weg leuchten wollen, die dieses Licht überblenden wollen.“

Und damit bin ich bei einem Dritten, bei der Frage: In wessen Dienst stehe ich? Auch wenn ich nicht den Arbeitgeber oder die Arbeit wechsle, ist Mariä Lichtmess das Fest, an dem ich mich neu von Gott in den Dienst stellen lasse. Also neu überlege und mir vor Augen halte: Gott ruft mich, schon mitten im Dunkel dieser Welt in seinem Licht zu leben. Gott braucht mich, um sein Licht der Liebe und der Versöhnung ins Dunkel dieser Welt zu tragen. Gott stärkt mir Herz und Hände, den Boden zu bereiten für ein gutes Gedeihen dessen, was er durch sein Wort und seinen Sohn in die Welt gibt: gerechtes Leben für alle in Frieden, Gerechtigkeit und Würde.

Wie feiere und begehe ich dieses Fest ganz konkret?

Leider war ich nie in einer Gemeinde, die Mariä Lichtmess mit einem Gottesdienst oder einer Licht-Andacht, Luzernar genannt, abends begangen hat. So halte ich die Andacht am

2. Februar – meine persönliche oder eine, die ich öffentlich zu halten habe –, indem ich die biblischen Texte lese, die zu diesem Fest gehören. So vergegenwärtige ich mir auch die Bedeutung des Festes und bedenke die oben beschriebenen drei Aspekte.

Und auch ganz praktisch begehe ich diesen Tag: Gegen den Trend zu einem raschen Wechsel von der Weihnachtsdeko zu der von Silvester und dann zu Fasching lasse ich zwar nicht den Christbaum so lange stehen. Aber die Sterne, die seit Advent im Fenster und der Wohnung die Geburt dieses Lichtes angekündigt und dann beleuchtet haben, sie hängen und leuchten bis zum 2. Februar. Und auch mein schöner Lichterbogen mit der Krippe bleibt so lange stehen. So lebe ich bewusst gegen die Beschleunigungskultur unserer Gesellschaft, in der gerade im Weihnachtsfestkreis alles vorgezogen und entsprechend früher beendet wird. Mariä Lichtmess stärkt mich darin, das Licht, das mit Christi Geburt in die Welt gekommen ist, nicht gleich wieder aus der Welt schaffen, es vielmehr weiter leuchten lassen, es über dem Alltag und d. h. ja auch dem Dunkel dieser Welt leuchten sehen.

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