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3 Religionswissenschaftliche Kritik

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Eine nochmals anders gelagerte Kritik an der Darstellung der Frauengeschichte kommt aus der Religionswissenschaft. Sie stellt heraus, dass die Drei Wellen als Entwicklungsgeschichte analog zur Säkularisierungsthese erklärt werden und suggerieren, der Feminismus sei ein emanzipativer Loslösungsprozess, weg von der moralischen Einengung durch Religion hin zu einer säkularen Frauenbewegung.12 Damit hat die Frauenbewegung ein von männlichen Wissenschaftlern vertretenes Narrativ übernommen.13 Mit Blick auf die Rolle von Frauen in religiösen Symbolsystemen und deren Tradierungsprozessen muss die Säkularisierungsthese relativiert werden.14 Trotzdem fehlen in den obengenannten Ausrichtungen des Feminismus, die verschiedenen Handbüchern zu feministischer und Gender-Theorie entnommen worden sind, Kategorien rund um Religion. Der Index des Einführungsbandes zu feministischer Theorie von Susan Archer Mann (2012) weist kein Schlagwort wie religion, theology, spiritualism oder belief auf. Das Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung enthält zwar einen Eintrag Religionen, darin geht es jedoch um den Einfluss des Feminismus in der Religionswissenschaft und Theologie und eben gerade nicht um die Bedeutung von Religion für den Feminismus.15 Dass Religion in den meisten feministischen Theorien unterschlagen wird, ist insofern erstaunlich, als beispielsweise intersektionale Ansätze explizit für sich in Anspruch nehmen, das Zusammenwirken verschiedener Identitätskategorien zu berücksichtigen.16

Aus religionswissenschaftlicher Perspektive können drei Kritikpunkte an der feministischen Theoriebildung angeführt werden: Erstens, dass die Geschichte der Frauenbewegung mit der »großen Erzählung« der Säkularisierung als Merkmal der Moderne parallelisiert wird; zweitens, dass Religion als Identitätskategorie in Prozessen der Vergeschlechtlichung vernachlässigt wird; und drittens, dass Religion nicht als hermeneutische Kategorie in feministische Erkenntnisprozesse einbezogen wird.

Letztlich verzichtet der Feminismus durch die Vernachlässigung der Biografien und Schriften religiöser Frauen darauf, die Vielfalt der Lebensentwürfe und Erfahrungsbereiche von Frauen in den Blick zu nehmen. Und er verzichtet auf die Erkenntnisse aus der kirchlichen Frauenbewegung und der feministischen Theologie bezüglich der wirklichkeitsschöpfenden Kraft der Sprache,17 der kreativen Re-Lektüre religiöser und literarischer Kanons18 und der Möglichkeiten alternativer Gemeinschaftsbildung im Zusammenhang mit Institutionen und etablierten Hierarchien. Letzteres wird anhand der Biografie von Marga Bührig besonders deutlich.

Handbuch Gender und Religion

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