Читать книгу Sprachtherapie mit Kindern - Группа авторов - Страница 6

Оглавление

Vorwort

1995 erschien das Lehrbuch „Sprachtherapie mit Kindern“, herausgegeben von Stephan Baumgartner und Iris Füssenich, in der ersten Auflage. Es lieferte Studierenden der Sprachheilpädagogik und Auszubildenden der Logopädie, aber auch Lehrkräften und Sprachtherapeuten in der Praxis einen umfassenden Einblick in normale und auffällige Entwicklungsverläufe auf den unterschiedlichen Ebenen des Sprachsystems, in die komplexe Symptomatik sprachlicher Beeinträchtigungen sowie die Möglichkeiten, diese diagnostisch zu erfassen und ihnen therapeutisch zu begegnen. Bis zum Jahr 2002 erschien dieses Werk in insgesamt fünf überarbeiteten Auflagen, ein Beleg für die Relevanz und Notwendigkeit eines solchen Buchs für Studierende, Wissenschaftler und Praktiker.

Seit der letzten Auflage sind mittlerweile 15 Jahre vergangen. Innerhalb dieses Zeitraumes haben sich in der sprachtherapeutischen und sprachheilpädagogischen Landschaft massive Umstrukturierungen ergeben. In der schulischen Sprachheilpädagogik lässt sich eine zunehmende Abkehr von einer institutionsgebundenen Sprachförderung bzw. Sprachtherapie an Sprachheilschulen hin zu einer personenorientierten Ermittlung sonderpädagogischen Förderbedarfs feststellen, dem unabhängig vom Förderort entsprochen werden soll. Seit der Ratifizierung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2008 und dem damit verbundenen sukzessiven Aufbau eines inklusiven Schulsystems werden sprachlich beeinträchtigte Kinder vermehrt an Regelschulen beschult.

Diese Entwicklung geht einher mit einem Abbau therapeutischer Inhalte in der Ausbildung im Lehramt Sprachheilpädagogik zugunsten allgemein heilpädagogischer Inhalte und einer eher unspezifischen Sprachförderung im Unterricht.

Parallel dazu wurde die grundständige Akademisierung der Sprachtherapie vorangetrieben. Auch wenn dieses Ziel bis zum Jahr 2017 nicht vollständig erreicht wurde, wurden durch zahlreiche neu konzipierte grundständige oder weiterqualifizierende Studiengänge an Fachhochschulen und Universitäten vielfältige Zugangswege zu einer akademischen Sprachtherapie geschaffen. Eine zentrale Aufgabe der sich im deutschen Sprachraum nun immer stärker entwickelnden Sprachtherapie-Forschung ist die theoretische Fundierung und Evaluation des sprachtherapeutischen Handelns, um langfristig das Ziel einer evidenzbasierten Praxis in der Therapie kindlicher Sprachstörungen erreichen zu können.

Als Herausgeber sind wir der Überzeugung, dass die damit einhergehende Auseinanderentwicklung der Ausbildungsinhalte und des beruflichen Selbstverständnisses der beiden Berufsgruppen sowie die massive Reduzierung therapeutischer Inhalte in den universitären Curricula der Studiengänge im Lehramt Sprachheilpädagogik keine positive Entwicklung darstellen. Eine qualitativ hochwertige Versorgung betroffener Kinder und Jugendlicher kann u. E. vielmehr nur in kooperativer Praxis und vertrauensvoller Zusammenarbeit von Sprachheilpädagogen und Sprachtherapeuten umgesetzt werden. Aus diesem Grund berücksichtigt das vorliegende Buch sowohl die Therapie kindlicher Sprachstörungen als auch die Möglichkeiten der unterrichtsimmanenten Förderung bzw. unterrichtsintegrierten Therapie. Es richtet sich gleichermaßen an angehende Sprachheilpädagogen und Sprachtherapeuten. Es unterstützt (angehende) Sprachheilpädagogen dabei, neben ihrer unterrichtlichen Expertise auch therapeutische Handlungskompetenzen zu entwickeln, und gibt (angehenden) Sprachtherapeuten einen Einblick in die Gefährdung der schulischen Entwicklung sprachlich beeinträchtigter Kinder sowie die komplexen Aufgaben unterrichtlicher Förderung.

Im Vergleich zu seinem Vorgänger haben wir das vorliegende Lehrbuch um einige Kapitel erweitert. Neben den klassischen Störungsbildern im Kontext spezifischer Spracherwerbsstörungen (Aussprache, Wortschatz, Grammatik) und den im schulischen Kontext häufig offensichtlich werdenden Schriftspracherwerbsstörungen findet der Leser einen Beitrag zum Stottern und erstmals auch zu pragmatischen Störungen, einer Sprachebene, die erst seit dem Jahr 2000 in der Sprachheilpädagogik und der Sprachtherapie verstärkte Aufmerksamkeit erhalten hat, sodass es im Jahr 2017 erstmals möglich ist, fundierte diagnostische Verfahren und therapeutische Handlungsmöglichkeiten vorzustellen und kritisch zu reflektieren. Dasselbe gilt für die Redeflussstörung Poltern, für die im deutschsprachigen Raum bislang nur wenige praxisorientierte Publikationen vorliegen. Schließlich wurde auch das komplexe Störungsbild Mutismus aufgenommen, das im deutschsprachigen Raum seit dem Jahr 2000 intensiv erforscht wird. Sicherlich hätte es noch einige weitere Themen gegeben, die im Rahmen eines Einführungsbuches zu kindlichen Sprachstörungen hätten Berücksichtigung finden können, aufgrund des naturgemäß beschränkten Umfangs eines Lehrbuches jedoch nicht aufgenommen werden konnten. Aus unserer Sicht deckt das vorliegende Buch jedoch die häufigsten Handlungsfelder der Therapie sowie der unterrichtlichen Förderung von Kindern ab.

Das Ziel des Lehrbuchs besteht darin, den Lesern einen Einblick in den „state of the art“ zu geben, was den ungestörten Erwerb, die Symptomatik des Störungsbildes, diagnostische Möglichkeiten, therapeutische Ansätze und schulische Handlungsmöglichkeiten angeht. Aus dieser Zielsetzung leitet sich der Aufbau der einzelnen Beiträge ab. Wir haben uns dabei bemüht, einen möglichst umfassenden Überblick zu liefern, so dass insbesondere die zahlreichen therapeutischen Ansätze nicht immer in der notwendigen Tiefe behandelt werden konnten. Der Leser findet deshalb an entsprechenden Stellen weiterführende Literaturhinweise, die eine intensivere Auseinandersetzung ermöglichen. Nichtsdestotrotz sind wir der Überzeugung, dass es uns gelungen ist, der Zielgruppe des Buches einen fundierten Einstieg in die Komplexität sprachlicher Beeinträchtigungen im Kindesalter zu ermöglichen und Lust darauf zu machen, das Wissen in diesen Bereichen zu vertiefen.

Wir freuen uns, dass wir für die einzelnen Beiträge ausgewiesene Experten gewinnen konnten, die unser Anliegen, wissenschaftliche Forschung mit praktischen Handlungsmöglichkeiten zu verknüpfen, engagiert und kompetent umgesetzt haben und bedanken uns an dieser Stelle ganz herzlich für die vertrauensvolle und effektive Kooperation mit den Autorenteams, die es ermöglicht hat, den hohen Anspruch, der an ein solches Lehrbuch gestellt wird, verwirklichen zu können.

Schließlich wünschen wir uns, dass das vorliegende Lehrbuch Studierende der Sprachtherapie und der Sprachheilpädagogik in ihrer Ausbildung unterstützt, dass Sprachheilpädagogen und Sprachtherapeuten Anregungen für ihre anspruchsvolle praktische Tätigkeit und Lehrende an Fachhochschulen und Universitäten Impulse für die Lehre und Forschung erhalten.

Aufgrund der leichteren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen in diesem Lehrbuch die männliche Form verwendet. Doch es sind selbstverständlich Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler etc. gemeint. Beide Geschlechter sind immer mitzudenken.

Februar 2017 Tanja Ulrich, Andreas Mayer

Sprachtherapie mit Kindern

Подняться наверх