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Geleitwort
ОглавлениеKrankheiten können heute zunehmend behandelt und geheilt werden. Gesundheit ist aber viel mehr als Medizin. Während sich in den letzten Jahrzehnten die globale Gesundheit deutlich verbessert hat, stellen die menschenverursachten weitreichenden Veränderungen der natürlichen Ökosysteme unserer Erde eine wachsende Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar. Das Ausmaß der Folgen des globalen Klimawandels, des Biodiversitätsverlusts, des Landnutzungswandels, der Bedrohung der Meere und Küsten, der Veränderung der Stoffkreisläufe, der mangelnden Wasserverfügbarkeit, der Desertifikation oder der Schadstoffbelastungen wird immer deutlicher sichtbar und erfordert ein Umdenken, auch im Gesundheitsbereich. Das vorliegende Buch gibt hierfür wichtige Grundlagen und Einblicke.
Die Anwendung hervorragender Wissenschaft und Medizin für die Prävention und Behandlung ist eine wichtige aber nicht ausreichende Voraussetzung. Die Erhaltung von Gesundheit und Wohlergehen für auch künftige Generationen kann nur im Zusammenschluss aller Akteure bewältigt werden: Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Aufbau inter- und transdisziplinärer Strukturen, Partnerschaften und effiziente Governance sind eine Notwendigkeit. Und Bildung ist der wichtigste Faktor für Nachhaltigkeit immer und überall – so auch für die Gesundheit in aller Welt: „Education is the best Vaccination!“ Die Bevölkerung wird nur dann gesund bleiben, wenn sie auch als für sich selbst verantwortliches Subjekt zur Verbesserung ihrer eigenen Situation beiträgt, und wenn sie dazu in die Lage versetzt wird.
Zu den für das Jahr 2030 anvisierten „Sustainable Development Goals“ (SDG) der Vereinten Nationen zählt „Health and Well-Being for All“. Was gibt es Wichtigeres als Wohlbefinden und Gesundheit für den Einzelnen und für die Gesellschaft? Was gibt es Wichtigeres als interdisziplinäre Zusammenarbeit für ein Ziel mit so hohem Anspruch? „Planetary Health“, „One Health“ und andere Schwerpunktthemen ordnen sich, richtig verstanden, ein unter dem holistischen Dach der SDG. Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften nimmt sich diesem Thema an. „Wissenschaft muss Verantwortung übernehmen“ ist der Titel eines Aufsatzes, der von Mitgliedern des Akademischen ThinkTanks „M8 Allianz“ verfasst wurde, der den World Health Summit in Berlin organisiert und inspiriert hat. Alexander von Humboldt hat mit seinem Naturgemälde diese holistische Sicht auf die Erde und auf den Menschen als erster erkannt, beschrieben und bekannt gemacht. Charles Darwin hat sich in seiner Evolutionstheorie auf diese holistische Sicht berufen.
Seit Anbeginn des Lebens wurde die Weitergabe der genetischen Information niemals unterbrochen, das individuelle Erbgut repräsentiert daher auch die im Laufe der Phylogenese angesammelten Veränderungen. Mit der Auswanderung des Homo sapiens aus Afrika änderten sich die Umweltbedingungen entscheidend: z.B. Klima, Lichtexposition, Agrarwirtschaft, Ernährungsbedingungen, industrielle Nahrungsmittelproduktion, und dieses in kürzester Zeit mit weitreichenden Konsequenzen für Gesundheit und Krankheit. Das alles sind Gründe, eine ganzheitliche, holistische Sicht auf die Biologie des Organismus, seine Umgebung und sein kulturell geprägtes Verhalten zu entwickeln. Es gilt hier in besonderer Weise: je umfassender Komplexität von einer Theorie erfasst und beschrieben wird, desto weitreichender ist sie. Sie erweitert die medizinischen Wissenschaften um die Beantwortung der wichtigen krankheits-ätiologisch relevanten Frage des „Warum werden wir krank?“ und nicht nur des mechanistischen „Wie entstehen Krankheiten?“. Dieses holistische Verständnis hilft auch der klinischen und präventiv-medizinischen Forschung und Lehre im Kontext von Planetary Health. Die Prinzipien der Evolution gelten fundamental über alle Öko-und Organsysteme und Spezies hinweg; ihre Berücksichtigung ist daher zwingend, um neue Ansätze zu entwickeln.
Damit die Gesundheitsforschung dieses Ziel erreicht, sind die Komplementärwissenschaften gefragt, die in einem strategisch angelegten Innovationszentrum, Politik-, Sozial-, Geistes-, Kultur-, Geo-, Wirtschafts- und Technikwissenschaften mit der Medizin verknüpfen. Ein intellektueller Exzellenzverbund wäre für ein solches holistisches „One Planet – One Health“-Konzept ein guter Ausgangspunkt. Das Buch „Planetary Health“ liefert dafür eine gute Grundlage. In diesem Sinne wünsche ich diesem Buch eine neugierige Leserschaft.
Prof. Dr. med. Detlev Ganten, August 2021