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1 Epidemiologie und Kosten osteoporotischer Frakturen in Deutschland

Kilian Rapp, Dietrich Rothenbacher und Hans-Helmut König

Die bedeutsamsten osteoporotischen Frakturen treten am Oberarm, Unterarm, den Wirbelkörpern, dem Becken und der Hüfte auf. Sie sind ganz überwiegend ein Problem des höheren und sehr hohen Alters. Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Frakturtypen bezüglich ihrer Alters- und Geschlechtsverteilung. So werden z. B. handgelenksnahe Frakturen sehr häufig bei noch relativ jungen Frauen zwischen 50 und 70 Jahren beobachtet, während Frakturen der Hüfte oder des Beckens bei beiden Geschlechtern typische Frakturen des hohen und sehr hohen Alters sind. Dies spiegelt sich auch in den typischen »Frakturbiografien« wider, in denen auf zunächst weniger dramatische Frakturen mit zunehmendem Alter funktionell immer folgenreichere Frakturen auftreten. So hatte z. B. mindestens die Hälfte der Personen mit einer Hüftfraktur zuvor eine andere osteoporotische Fraktur erlitten.

Im Jahr 2019 wurden nach der offiziellen Statistik des Bundes etwa 431.000 Personen über 65 Jahre aufgrund einer Fraktur am Oberarm, Unterarm, den Wirbelkörpern, dem Becken und der Hüfte behandelt. Hüftfrakturen führten mit 39 % am häufigsten zu einer stationären Behandlung. Allerdings werden Frakturen des Unterarms oder der Wirbelkörper häufig nicht stationär, sondern ambulant behandelt, und deshalb – zieht man nur die Krankenhausstatistik zu Rate – deutlich unterschätzt. Valide Daten für die Krankheitslast aller osteoporotischer Frakturen liegen für Deutschland nicht vor. Für Europa wird geschätzt, dass etwa 30 % der Frakturen auf die Hüfte, 28 % auf den Unterarm, 24 % auf die Wirbelkörper und 12 % auf den Oberarm entfallen (Johnell und Kanis 2006).

Merke:

Die Hüftfraktur ist die am häufigsten im Krankenhaus behandelte Fraktur.

In Deutschland finden sich 3 von 4 der osteoporotischen Frakturen bei Frauen. Dies liegt zum einen an einem generell erhöhten Frakturrisiko, zum anderen aber auch an einer höheren Lebenserwartung. Bei Frauen beträgt das Lebenszeitrisiko in Deutschland für eine der hauptsächlichen osteoporotischen Frakturen (Hüfte, Unterarm, Wirbelkörper, proximaler Humerus) im Alter von 50 Jahren circa 35 %, bei Männern 20 %. Die rohe Inzidenz bei Männern und Frauen im Alter von 50 Jahren oder darüber in Deutschland betrug im Jahr 2017 23 pro 1.000 Personen und war damit nach Schweden die zweithöchste in Europa (Borgström et al. 2020).

Merke:

Etwa jede dritte 50-jährige Frau und jeder fünfte 50-jährige Mann wird im Laufe des Lebens eine osteoporotische Fraktur erleiden.

Da das Frakturrisiko mit dem Alter zunimmt, ist aufgrund der demografischen Alterung unserer Gesellschaft in den nächsten Jahren auch mit einer Zunahme osteoporotischer Frakturen zu rechnen. Wenn man davon ausgeht, dass sich das alters- und geschlechtsspezifische Risiko, eine Fraktur zu erleiden, in den nächsten Jahrzehnten nicht ändert, so ist bis 2030 bzw. 2050 mit einer Zunahme der Frakturen um 21 % bzw. 57 % zu rechnen (eigene Hochrechnung). Bei Hüftfrakturen muss bis 2050 sogar mit einer Zunahme von circa 70 % ausgegangen werden, sollte es nicht gelingen, das Frakturrisiko deutlich zu senken. Das wiegt deshalb besonders schwer, da die Hüfte die Frakturlokalisation ist, die sowohl funktionell als auch finanziell die weitreichendsten Folgen hat. Deshalb soll hier auf diesen Frakturtyp etwas ausführlicher eingegangen werden.

Für Deutschland liegen gute Daten für die Inzidenz von Hüftfrakturen vor (Icks et al. 2008). Während es in mehreren anderen Industrieländern in den letzten 10 Jahren zu einem Rückgang der altersspezifischen Frakturrate kam (Cooper et al. 2011), ist dies für Deutschland bisher noch nicht zu verzeichnen (Icks et al. 2013). Ein besonders hohes Risiko für Hüftfrakturen haben Personen, die bereits pflegebedürftig sind, unabhängig davon, ob sie zuhause oder im Pflegeheim leben. So verursachen 12 % der Personen über 65 Jahre, die Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, etwa die Hälfte aller in Deutschland auftretenden Hüftfrakturen (Rapp et al. 2012). Für Pflegeheimbewohner verfügt Deutschland über die derzeit weltweit besten Inzidenzdaten (Rapp et al. 2008; Rapp et al. 2012). So sind z. B. jährlich 3 bis 4 Hüftfrakturen pro 100 Bewohnerplätze zu erwarten. Werden Bewohner zeitlich ab ihrer Aufnahme ins Pflegeheim beobachtet, so ist die Anzahl noch höher. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass das Risiko einer Fraktur in den ersten Monaten in der neuen Umgebung erheblich erhöht ist (Rapp et al. 2008).

Merke:

Personen mit Pflegebedarf haben ein besonders hohes Frakturrisiko.

Die Folgen einer Hüftfraktur sind noch immer erheblich. Die modernen Osteosyntheseverfahren und die damit einhergehende frühe Mobilisierbarkeit der Patienten führten zwar in der Vergangenheit zu einem deutlichen Rückgang der Mortalität. Allerdings versterben noch immer bis zu 36 % der Patienten innerhalb der ersten 12 Monate nach einer Hüftfraktur (Abrahamsen et al. 2009). Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass es sich bei diesen Patienten um häufig sehr gebrechliche Personen mit einem ohnehin erhöhten Mortalitätsrisiko handelt. Die funktionellen Folgen einer Hüftfraktur wie z. B. eine eingeschränkte Geh- oder Selbstpflegefähigkeit sind für die weitere Lebensplanung der Patienten ganz erheblich. So werden z. B. in Deutschland 30 % der Frauen und 27 % der Männer, die das Krankenhaus nach einer Hüftfraktur lebend verlassen, im Rahmen der Pflegeversicherung innerhalb von 6 Monaten erstmalig als pflegebedürftig eingestuft (eigene Daten). Eine Aufnahme ins Pflegeheim erfolgt innerhalb desselben Zeitraums bei immerhin 15 % aller weiblichen und 12 % aller männlichen Hüftfrakturpatienten (Rapp et al. 2015).

Neben der hohen Krankheitslast von osteoporotischen Frakturen haben diese auch eine erhebliche ökonomische Relevanz. Der größte Anteil der medizinischen Versorgungskosten wird dabei im akutstationären Bereich und durch frakturindizierte Pflegeheimaufenthalte verursacht (Konnopka et al. 2009; Bleibler et al. 2013). In Deutschland lagen im Jahr 2009 die Kosten für stationäre Frakturbehandlung von Patienten über 50 Jahren bei ca. 2,4 Mrd. Euro. Circa 73 % dieser Versorgungskosten fielen bei weiblichen Patienten an, wobei 42 % der Kosten durch proximale Femurfrakturen entstanden. Dabei sind 36 % der stationären Versorgungskosten auf den Risikofaktor Osteoporose (Knochendichte T ≤ –2,5) zurückzuführen (Bleibler et al. 2014). Aufgrund des demografischen Wandels ist davon auszugehen, dass die Frakturkosten, vor allem die durch Osteoporose bedingten, überproportional stark ansteigen werden. Dieser starke Kostenanstieg ist vor allem durch zu erwartende frakturbedingte Kosten im Bereich der stationären Pflege zu erklären (Bleibler et al. 2013). Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass die gesamten jährlichen Versorgungskosten (einschließlich stationärer Pflege) für osteoporotische Frakturen in Deutschland von ca. 11,3 Mrd. Euro im Jahr 2017 auf ca. 13,9 Mrd. Euro im Jahr 2030 ansteigen werden (Borgström et al. 2020).

Merke:

Frakturen haben schon jetzt eine hohe ökonomische Relevanz. Es ist aber davon auszugehen, dass die Kosten, die durch Frakturen verursacht werden, in den nächsten Jahren noch einmal ansteigen werden.

Literatur

Abrahamsen B, van Staa T, Ariely R, Olson M, Cooper C. Excess mortality following hip fracture: a systematic epidemiological review. Osteoporos. Int. J. Establ. Result Coop. Eur. Found. Osteoporos. Natl. Osteoporos. Found. USA. 2009 Oct;20(10):1633–50.

Bleibler F, Konnopka A, Benzinger P, Rapp K, König HH. The health burden and costs of incident fractures attributable to osteoporosis from 2010 to 2050 in Germany – a demographic simulation model. Osteoporos Int. 2013 Mar;24(3):835–47.

Bleibler F, Benzinger P, Lehnert T, Becker C, König HH. Frakturkosten im deutschen Krankenhaussektor – Welche Rolle spielt die Osteoporose? Gesundheitswesen. 2014 Mar;76:163–8.

Borgström F, Karlsson L, Ortsäter G, Norton N, Halbout P, Cooper C, Lorentzon M, McCloskey EV, Harvey NC, Javaid MK, Kanis JA; International Osteoporosis Foundation. Fragility fractures in Europe: burden, management and opportunities. Arch Osteoporos. 2020 Apr 19;15:59.

Cooper C, Cole ZA, Holroyd CR, Earl SC, Harvey NC, Dennison EM, Melton LJ, Cummings SR, Kanis JA, IOF CSA Working Group on Fracture Epidemiology. Secular trends in the incidence of hip and other osteoporotic fractures. Osteoporos. Int. J. Establ. Result Coop. Eur. Found. Osteoporos. Natl. Osteoporos. Found. USA. 2011 May;22(5):1277–88.

Icks A, Haastert B, Wildner M, Becker C, Meyer G. Trend of hip fracture incidence in Germany 1995-2004: a population-based study. Osteoporos. Int. J. Establ. Result Coop. Eur. Found. Osteoporos. Natl. Osteoporos. Found. USA. 2008 Aug;19(8):1139–45.

Icks A, Arend W, Becker C, Rapp K, Jungbluth P, Haastert B. Incidence of hip fractures in Germany, 1995–2010. Arch. Osteoporos. 2013;8:140.

Johnell O, Kanis JA. An estimate of the worldwide prevalence and disability associated with osteoporotic fractures. Osteoporos. Int. J. Establ. Result Coop. Eur. Found. Osteoporos. Natl. Osteoporos. Found. USA. 2006 Dec;17(12):1726–33.

Konnopka A, Jerusel N, König HH. The health and economic consequences of osteopenia- and osteoporosis-attributable hip fractures in Germany: estimation for 2002 and projection until 2050. Osteoporos Int. 2009 Jul;20(7):1117–29.

Rapp K, Becker C, Lamb SE, Icks A, Klenk J. Hip fractures in institutionalized elderly people: incidence rates and excess mortality. J. Bone Miner. Res. Off. J. Am. Soc. Bone Miner. Res. 2008 Nov;23(11):1825–31.

Rapp K, Becker C, Cameron ID, Klenk J, Kleiner A, Bleibler F, König H-H, Büchele G. Femoral fracture rates in people with and without disability. Age Ageing. 2012 Sep;41(5):653–8.

Rapp K, Rothenbacher D, Magaziner J, Becker C, Benzinger P, König H-H, Jaensch A, Büchele G. Risk of Nursing Home Admission After Femoral Fracture Compared With Stroke, Myocardial Infarction, and Pneumonia. J. Am. Med. Dir. Assoc. 2015 Aug 1;16(8):715.e7–715.e12.

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