Читать книгу Weißbuch Alterstraumatologie und Orthogeriatrie - Группа авторов - Страница 17
3 Herausforderungen in der Betreuung orthogeriatrischer Patienten Karsten E. Dreinhöfer und Clemens Becker Krankheitslasten
ОглавлениеWeltweit sind Muskel- und Skeletterkrankungen die führende Ursache für körperliche Funktionseinschränkungen, chronische Schmerzen und Verlust an Lebensqualität (Briggs et al. 2018b). In der Studie »Gesundheit in Deutschland aktuell« (GEDA) des Robert Koch-Instituts wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer telefonisch befragt, ob bei ihnen muskuloskelettale und andere ausgewählte Erkrankungen ärztlich diagnostiziert wurden. Die für Deutschland repräsentativen Ergebnisse zeigen eindrücklich, wie sich die Prävalenz dieser chronischen Erkrankungen mit zunehmendem Lebensalter erhöht. Insbesondere die älter werdende Bevölkerung leidet an einer oder sogar mehreren muskuloskelettalen Erkrankungen (MSK), hier liegen die höchsten Prävalenzen mit 63,7 % bei Frauen und 45,8 % bei Männern in der Altersgruppe 75 Jahre und älter. Im Vordergrund der Beschwerden stehen degenerative Gelenkerkrankungen, Rückenschmerzen und Osteoporose. In der Befragung von 2014 sind knapp die Hälfte aller Frauen und fast jeder dritte Mann über 70 Jahre von einer degenerative Gelenkerkrankung betroffen, jede dritte Frau und jeder vierte Mann hat chronischen Rückenschmerz und jede vierte Frau Osteoporose (Fuchs et al. 2013, 2017) ( Abb. 3.1).
Abb. 3.1: Prävalenz häufiger muskuloskelettaler Erkrankungen (RKI 2015, S. 70)
Auch im Vergleich zu anderen chronischen Erkrankungen sind muskuloskelettale Probleme bei älteren Menschen sehr häufig ( Abb. 3.2). Auf Basis der GEDA 2009 zeigte sich, dass bei den Über-75-Jährigen lediglich hoher Blutdruck häufiger ist. Fast die Hälfte aller Befragten (47,9 %) gaben an, eine Arthrose diagnostiziert bekommen zu haben, direkt gefolgt von Rückenschmerzen (41,2 %) und Nackenschmerzen (31 %). Es waren bei allen MSK-Erkrankungen deutlich mehr Frauen als Männer betroffen (RKI 2015).
Abb. 3.2: Prävalenz häufiger Erkrankungen im Alter (in %) (GEDA 2009, eigene Darstellung nach RKI 2015, S. 412)
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berechnet die Krankheitslast auf Bevölkerungsebene, indem Mortalität und Morbidität in einer Maßeinheit (DALY – disability adjusted life years) zusammengeführt wurden und damit heterogene Krankheitszustände vergleichbar wurden. Dieser Wert setzt sich zusammen aus dem vorzeitigen Versterben aufgrund einer Krankheit (YLL – years of life lost) und dem Morbiditätseffekt oder den mit einer Behinderung bzw. Einschränkung verbrachten Jahren (YLD – years lived with disability). In Deutschland dominieren die Erkrankungen und Verletzungen der Haltungs- und Bewegungsorgane bei diesem Maß der chronischen Krankheiten, die mit erheblichen Einschränkungen aber nicht tödlich verlaufen (Plass et al. 2014). Die Gruppe der MSK-Erkrankungen allein ist in der Gesamtbevölkerung für ein Drittel aller YLDs verantwortlich, Verletzungen für weitere ca. 10 %. An zweiter Stelle folgen psychische und Verhaltensstörungen mit 21 % (ebd.). Bei den Über-70-Jährigen sind die MSK weiterhin führend – allerdings nicht mehr ganz so deutlich ( Tab. 3.1). An zweiter und dritter Stelle folgen Erkrankungen der Sinnesorgane und psychische und Verhaltensstörungen mit etwas mehr als 10 % (Global Health Estimates 2020). In Deutschland sind laut der WHO-Studie auf der Ebene der Einzeldiagnosen die fünf führenden Gründe für YLDs Rückenschmerzen, Depressionen, Stürze, Nackenschmerzen und andere Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems. Addiert man zu den YLDs noch die durch Krankheit verlorenen Lebensjahre (YLL), erhält man die behinderungsbereinigt verlorenen Lebensjahre (DALY). In Deutschland stehen bei den DALYs die Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen aufgrund der verkürzten Lebenszeit auf den ersten beiden Stellen, gefolgt von den nicht-tödlichen muskuloskelettalen Erkrankungen und Verletzungen (Plass 2014; Global Health Estimates 2020).
Tab. 3.1: Krankheitslast – years lived with disability (YLD) (eigene Berechnungen nach Global Health Estimates 2020)
FrauenMännerGesamt50–5960–6970+50–5960–6970+50–5960–6970+