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Journalismus, wie hältst du es mit…
Оглавление»Haltung bewahren!« Wer konnte seinerzeit ahnen, dass diese konservativ anmutende Aufforderung zum Kern eines der hitzigsten Aufregerthemen der medialen Selbstreflektion der letzten Jahre werden würde. Braucht der Journalismus Haltung? Wenn ja, wieviel – und welcher Art? ›Haltungsjournalismus‹ ist heute in manchen Kreisen ein Schimpfwort vergleichbar der ›Lügenpresse‹. Und dennoch stehen zahlreiche Vertreter der Zunft zur Forderung nach Haltung im Journalismus. Hinter dem schillernden Begriff verbirgt sich dabei alles Mögliche: unverdächtige Überlegungen, wie das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, diskutable Aufforderungen, wie das Vertreten eines individuellen oder organisationalen Wertekanons – man denke etwa an die Grundsätze des Axel-Springer-Verlags –, oder eben der streitbare Einsatz für politische Projekte, wie etwa die ›Willkommenskultur‹.
Debatten bleiben meist unfruchtbar, wenn der Gegenstand der Debatte nicht klar definiert ist. So ist es auch beim Haltungsstreit. Sehen manche in journalistischer Haltung ein selbstverständliches Bekenntnis zu Berufsnormen, entdecken andere einen Verrat an genau diesen, eine Aufforderung zu Gesinnungsjournalismus, zu politischem Aktivismus statt distanzierter journalistischer Professionalität. Tatsächlich lässt sich im Fachdiskurs beobachten, wie Experten immer lautstarker gegen Ausgewogenheitsnormen argumentieren (›False Balance‹) und für klare normative Positionsbezüge (›Moral Clarity‹). Die Bewegung des ›konstruktiven Journalismus‹ möchte mehr als nur Probleme diagnostizieren, sie will Lösungsvorschläge unterbreiten. Vor allem jüngere Journalisten sehen nicht nur kein Problem, sondern gar eine Notwendigkeit darin, politische Anliegen wie den Klimaschutz oder die Flüchtlingsaufnahme zu unterstützen.
Wenn aber der Journalismus Distanz fallen lässt und Position bezieht, dann stellt sich die Frage: Wo genau findet sich diese Position? Wie tickt der Journalismus, welche Anliegen unterstützt er, welche lehnt er ab? Wo endet Journalismus, und von welchem Punkt an wechselt ein Journalist auf die ›Gegenseite‹, wird de facto Öffentlichkeitsarbeiter und PR-Experte, der bestimmte Anliegen, Persönlichkeiten oder Organisationen fördert?
Die Journalismusforschung bietet viele wertvolle Erkenntnisse zu Berufsnormen. Alle paar Jahre mal wird auch mit Hilfe von Umfragen gezeigt, welche politischen Parteien unter Journalisten mehr oder weniger populär sind. Doch insgesamt wissen wir erstaunlich wenig über die politischen Orientierungen im Journalismus, wie sie die berufliche Selbstselektion beeinflussen, redaktionelle Prozesse lenken, Machtdynamiken in Redaktionen prägen und am Ende in das journalistische Produkt einfließen. Dies gilt insbesondere für den Liberalismus und die Liberalität von Journalisten.