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Täterprofile

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Generationell umfaßt unser Sample die Mitglieder von drei Jahrgangskohorten: die vor der Jahrhundertwende Geborenen, die noch am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatten; die zwischen 1901 und 1912 Geborenen, die beim Machtantritt Hitlers mindestens 21 Jahre alt und damit volljährig waren sowie die nach 1912 Geborenen, die erst als eben Erwachsene den Weg zum Nationalsozialismus fanden. Die Mehrzahl der Täter entstammt der nach der Jahrhundertwende geborenen sogenannten Kriegsjugendgeneration31 (Bergmann, Gaier, Slottke: 1902; Nord, Pallmann, Zapp: 1904; Michalsen, Seetzen, Zill, Koch: 1906; Hamann, Tessmann: 1908; Krüger: 1909; Ehrlinger: 1910). Diese hatten den Ersten Weltkrieg allenfalls aus der Perspektive als Jugendliche oder Kinder erlebt. Der Zweitjüngste unseres Samples war der erst 1913 geborene spätere Gestapo-Chef von Minsk, Georg Heuser, der bei Hitlers Machtantritt noch keine 20 Jahre alt war. Der Jüngste, der spätere SS-Sturmbannführer Walter Reder, kam gar erst 1915 zur Welt.

Mit ihrer in den Jahren der Republik erworbenen Radikalität und Unbedingtheit haben die Männer gerade der Kriegsjugendgeneration in den letzten Jahren unser Bild der NS-Täter wesentlich geprägt. Wie einige Beiträge dieses Bandes jedoch belegen, greift dieses Deutungsmuster und die Annahme der jugendlichen‘ Täterschaft zu kurz, hatten etliche Täter zu Kriegsbeginn 1939 das 40. und sogar das 50. Lebensjahr bereits überschritten und eine politische Sozialisation wesentlich noch im Kaiserreich erfahren (Bechtolsheim: 1889; von Bomhard: 1891; Lombard, Dirlewanger: 1895; von Gottberg: 1896; Szymanowski: 1899). Der Inspekteur der Vernichtungslager – Christian Wirth, Jahrgang 1885 – befand sich sogar bereits im sechsten Lebensjahrzehnt. Und auch an Radikalität konnten es die Älteren mit den Jüngeren durchaus aufnehmen, wie Knut Stang am Beispiel von Oskar Dirlewanger, einem der Protagonisten der blutigen Niederschlagung des Warschauer Aufstandes, überzeugend darlegen kann.

Weder regional noch sozial bilden die hier vorgestellten Täter einen repräsentativen Querschnitt der deutschen Gesellschaft. Ähnlich wie in dem Sample von Michael Mann, in dem Täter aus den vom Grenzkampf geprägten Regionen des Reiches bzw. aus den durch den Versailler Vertrag abgetrennten Gebieten überdurchschnittlich repräsentiert waren,32 hatten immerhin sechs der hier vorgestellten Täter ihre Kindheit oder Jugend in solchen grenzpolitisch aufgeladenen Regionen verlebt (Michalsen in Oberschlesien; Slottke in Danzig; Krüger in Posen; von Gottberg in Ostpreußen; Szymanowski und Hamann in Schleswig-Holstein). Krüger hatte noch als Kind in Posen die Anfänge des deutsch-polnischen „Volkstumskampfes“ miterlebt, als sein Vater verhaftet und zusammen mit der Familie ausgewiesen wurde.

Sozial entsprachen diese Personen eher der typischen NSDAP-Klientel, die Jürgen Falter schon vor Jahren als „Volkspartei mit ausgeprägtem Mittelstandsbauch“ charakterisiert hat,33 weniger dem Typus des „ordinary German“. Während mit dem Dachauer Schutzhaftlagerführer Egon Zill nur ein einziger Täter aus der Arbeiterschaft kam und Adolf von Bomhard, Curt von Gottberg und Gustav Freiherr von Mauchenheim, genannt Bechtolsheim, adeligen Familien entstammten, rekrutierte sich die Mehrzahl der Täter aus dem unteren teils selbständigen, teils abhängig beschäftigten ‚älteren‘ Mittelstand. Bei den Vätern von Oskar Dirlewanger, Heinrich Hamann, Georg Heuser und Heinz Seetzen handelte es sich um Kleingewerbetreibende und Kaufleute. Rudolf Pallmann kam aus einer Landwirtsfamilie. Die Väter von Christian Wirth und Gertrud Slottke waren Küfermeister bzw. Mühlenwerkführer gewesen. Hans Krüger, Walter Nord, Georg Michalsen und Ernst Szymanowski entstammten Familien aus der unteren Beamtenschaft. Bei Erich Ehrlinger handelte es sich um den Sohn eines Stadtpflegers und späteren Bürgermeisters. Lediglich Walter Reders Vater gehörte als Fabrikant zum Besitzbürgertum.

Ein Einfluß der Eltern auf die politische Sozialisation ist im Falle von Michalsen, dessen Elternhaus betont deutsch-national orientiert war, sowie bei Szymanowski nachweisbar, dessen Eltern explizit nationalsozialistisch eingestellt waren und bereits früh der NSDAP beitraten. Mindestens drei der vorgestellten Täter wuchsen vaterlos auf. Die Väter von Nord und Lombard waren frühzeitig verstorben, der Vater von Hamann hatte sich selbst getötet. Dies entspricht den Beobachtungen von Michael Mann, wonach 17 Prozent seines immerhin 1581 Personen umfassenden Tätersamples elternlos bzw. in unvollständigen Familien aufwuchsen.34

Korrelationen zwischen erworbener schulischer bzw. universitärer Bildung und NS-Täterschaft sind nicht erkennbar. Die vorgestellten Täter weisen sowohl eine einfache Volksschulbildung (Bergmann, Koch, Michalsen, Pallmann, Tessmann, Wirth, Zill), eine mittlere Schulbildung (Hamann, Reder, Slottke) sowie eine gehobene humanistische Gymnasialbildung (von Bomhard, Dirlewanger, Ehrlinger, Heuser, Lombard, Nord, Seetzen, Szymanowski, Zapp) mehrheitlich mit anschließendem Hochschulstudium auf. Lombard, Nord und Zapp allerdings hatten ihr Studium aus finanziellen Gründen abbrechen müssen. Um Vollakademiker handelte es sich bei Szymanowski, der ein Studium der evangelischen Theologie absolviert hatte, bei Heuser, Ehrlinger und Seetzen, die Rechtswissenschaften studiert hatten, sowie bei Oskar Dirlewanger, der promovierter Diplom-Volkswirt war. Eine Korrelation zwischen Schule/Universität und NS-Täterschaft läßt sich allerdings insofern vermuten, als weder humanistische Gymnasialbildung noch Universitätsstudium lebensgeschichtlich irgendwelche Resistenzen gegenüber der barbarischen Versuchung verankert, sondern vermutlich im Gegenteil völkisch-nationalistische Einstellungen und Dispositionen befördert hatten.35 Denn seit 1921/22 hatten völkische Aktivisten die Mehrheit der Mandate bei Wahlen zu den Allgemeinen Studentenausschüssen erhalten und die Universitäten zu Bollwerken des Antisemitismus gemacht.36

Von ihren erlernten Berufen her zählen die Täter dieses Bandes mehrheitlich zum unteren Mittelstand. Die Mehrzahl von ihnen hatte einen handwerklichen bzw. landwirtschaftlichen Beruf (von Gottberg, Krüger, Tessmann, Zill), einen kaufmännischen Beruf (Hamann, Lombard, Zapp) bzw. einen Büroberuf (Koch, Michalsen, Slottke) erlernt. Kaum jemand jedoch hatte längere Zeit in seinem Ausbildungsberuf gearbeitet, weil dieser entweder keine berufliche Sicherheit oder wenig Arbeitszufriedenheit versprach. Typisch hierfür ist Dirlewanger, der bis 1933 keine seiner Ausbildung entsprechende Beschäftigung gefunden bzw. Arbeitsstellen mehrfach wegen Fehlverhaltens verloren hatte. Vor 1933 fallen lediglich von Gottberg und Szymanowski aus dem Rahmen, die es zum selbständigen Siedlungsunternehmer bzw. zum Pastor gebracht hatten. Arbeitslosigkeit bildete, sieht man von Krüger ab, keine zentrale Erfahrung unseres Samples,37 so wie Arbeitslosigkeit auch auf der Ebene der Wähler nach Jürgen Falter kein verläßliches Kriterium für die Erklärung des Aufstiegs der NSDAP ist. Allenfalls kurzfristig und dann mitunter selbstverschuldet, waren einige spätere Täter in der Endphase der Republik erwerbslos gewesen. Ausgesprochene Deklassierungserfahrungen sind nur für Zapp überliefert.

Wie bei Michael Mann fällt eine Überrepräsentation von Angehörigen des öffentlichen Dienstes in den Bereichen Militär und Polizei auf.38 Den mit ihren erlernten Berufen unzufriedenen Männern bot vor allem der Quereinstieg in den Polizeidienst Existenzsicherheit und Karrierechance. Damit verbunden war eine z.T. langjährige Ausbildung und politische Sozialisation innerhalb der polizeilichen Institutionen der gehegten, d.h. der reglementierten Gewalt und des für diese charakteristischen antirepublikanischen Ressentiments,39 die sich für die spätere Täterkarriere als förderlich erwiesen haben könnten. Als Angehörige der Weimarer Polizei verfügten sie aber auch als Opfer wie als Akteure über massive Gewalterfahrungen und hatten sich nicht selten an Grausamkeiten und willkürlichen Tötungen beteiligt; exemplarisch läßt sich dies am Verhalten der Schutzpolizei beim Märzaufstand 192140, beim Berliner „Blutmai“ 192941 oder beim Altonaer „Blutsonntag“ 193242 zeigen.

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg war der gelernte Sägereiarbeiter Wirth über die Schutzpolizei zur Kriminalpolizei gekommen. Bergmann hatte eigentlich Soldat werden wollen, sich 1923 dann aber zum Eintritt in den Polizeidienst entschlossen. Auch der aktive Soldat von Bomhard war wie zahlreiche seiner Kameraden zu Beginn der 1920er Jahre zur Polizei gewechselt. Pallmann hatte maximal drei Jahre als Schreiner in seinem erlernten Beruf gearbeitet, bevor auch er sich 1924 bei der Polizei bewarb. Für Nord bot die preußische Schutzpolizei 1925 nach einem abgebrochenen Studium eine neue berufliche Orientierungsmöglichkeit. Der Machtantritt der Nationalsozialisten und der damit verbundene Ausbau des Polizeiapparates eröffnete weitere Karrierechancen. Seetzen avancierte 1934 nur kurz nach dem zweiten juristischen Staatsexamen zum Leiter einer kleinen Stapo-Stelle. Der gelernte Gärtner Tessmann wechselte durch Vermittlung eines Bekannten 1934 in den Wachdienst des Konzentrationslagers Hamburg-Fuhlsbüttel. Heuser kam 1938 als ausgebildeter Jurist zur Kriminalpolizei.

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