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3.2. Von 1965 bis 1971

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Einen Kulminations- und wohl auch Wendepunkt im Pontifikat Papst Pauls VI. bildete die Veröffentlichung der Enzyklika Humanae Vitae am 25. Juli 1968.13 Um eine begründete Entscheidung vor allem in der Frage der Erlaubtheit der Verwendung von künstlichen Mitteln zur Empfängnisverhütung vorzubereiten, hatte der Papst eine Kommission eingesetzt, die ihn in dieser Frage beraten sollte. Die Entscheidung in der strittigen Frage sollte eingebettet sein in eine umfassende Behandlung der Sexualität und der Ehe in christlicher Sicht. Der Gesamtentwurf fand fast überall Anerkennung. Nicht zuletzt die Ausrichtung der Ehe auf Fortpflanzung, aber auch auf gelebte Partnerschaft (schon von Pius XII. hervorgehoben) kam in diesem Dokument überzeugend zum Ausdruck. Man hätte aus dieser doppelten Ausrichtung auch folgern können, dass es für die sittliche Bewertung der gelebten Geschlechtlichkeit ausgereicht hätte, wenn ein ganzes Eheleben auf Nachwuchs und Partnerschaft ausgerichtet bleibt, auch wenn nicht jeder Geschlechtsakt tatsächlich auf Zeugung ausgerichtet ist. Dies war die Meinung der Mehrheit der von Papst Paul VI. einberufenen Kommission. Die Minderheit sah dies anders. Um ihr mehr Geltung zu verschaffen, berief der Papst zusätzlich eine Kommission von zehn Theologen seines Vertrauens, die für eine Beibehaltung der bisherigen Regelung stimmte. Am Ende zog sich der Papst noch einmal nach Castelgandolfo ins Gebet zurück und entschied dann im Sinne des Endtextes von Humanae Vitae. Bis zuletzt standen sich hier zwei unterschiedliche Auffassungen des Naturrechts unversöhnt gegenüber und sie tun es bis zur Stunde.

Das Echo auf die Enzyklika ließ nicht lange auf sich warten. In der Weltpresse zeigt sich wenig Verständnis für die Position und die Entscheidung des Papstes, und auch Bischofskonferenzen trafen sich zu Krisensitzungen. In Deutschland berief Kardinal Julius Döpfner als Vorsitzender der Bischofskonferenz eine Sondersitzung ein. Auf ihr machten sich die Bischöfe der Bundesrepublik Deutschland die Gedanken der sogenannten „Königsteiner Erklärung“ zu eigen, nach der auch in der Frage der Geburtenregelung für den Christen das eigene Gewissen die letzte Instanz bildet.

Für die Stellung und das Ansehen des Papstes hatte Humanae Vitae eine doppelte schwerwiegende Folge. Auf der einen Seite sahen sich diejenigen bestätigt, die seit dem Aufkommen der empfängnisverhütenden Mittel den Eindruck hatten, kirchliche Lehre und verantwortungsvolles Handeln von Christen seien gerade im Bereich der Sexualmoral nicht mehr zur Deckung zu bringen. So wurden auch vorehelicher Verkehr und das Zusammenleben von Paaren, auch von Katholiken, vor der Hochzeit mehr und mehr zur Regel und sind es bis zur Stunde geblieben. Die andere Folge von Humanae Vitae war eine Erosion der päpstlichen, um nicht zu sagen kirchlichen Lehrautorität ganz allgemein. Die Kirche wurde zunehmend in ihren Äußerungen zum Zusammenleben von Menschen nicht mehr ernst genommen, wobei das Schicksalsjahr 1968 sicher auch eine Rolle spielte und die Enzyklika nicht die Alleinverantwortung trägt.

Das andere Feld, auf dem Papst Paul VI. im Anschluss an das Konzil eine Entscheidung herbeiführte, die er auf dem Konzil nicht beraten und beschlossen sehen wollte, war die Frage der Zulassung verheirateter Männer zum Priesteramt. Eine entsprechende Forderung war bereits zur Konzilszeit laut geworden, doch zog Papst Paul VI. vor, die Frage andernorts zu entscheiden bzw. entscheiden zu lassen.14 So ließ er das Konzil durch Kardinal Tisserant wissen, man möge diese heikle Frage nicht in der Konzilsaula besprechen. Verschiedene Texte des Konzils bekräftigen die Beibehaltung des priesterlichen Zölibats und versuchen, ihn neu zu begründen.15 Doch damit sollten die Anfragen nicht verstummen.

In der nachkonziliaren Phase kam die Diskussion um den Pflichtzölibat der Lateinischen Kirche nicht zur Ruhe, vor allem in den Ländern Westeuropas.16 Um solchen Infragestellungen entgegenzuwirken, veröffentlichte Papst Paul VI. am 24. Juni 1967 seine sechste Enzyklika Sacerdotalis Coelibatus, in der er versuchte, neueren Einwänden gegen die Opportunität des Pflichtzölibats entgegenzutreten und dessen Beibehaltung theologisch, pastoral und spirituell zu begründen. Auch hier blieb die allgemeine Akzeptanz vor allem in der nördlichen Hälfte Europas aus. Das Niederländische Pastoralkonzil (1966–70) sprach sich für eine Zulassung von in Beruf und Familie bewährten Männern zur Priesterweihe aus und das gleiche tat der Primas der Kirche in Belgien, Kardinal Suenens. So machte der Papst den priesterlichen Dienst und seine Lebensbedingungen zu einem der beiden Themen (neben dem der Gerechtigkeit) auf der zweiten regulären Römischen Bischofssynode 1971. Das Für und Wider in der Zölibatsfrage war bereits in den sogenannten Lineamenta den künftigen Teilnehmern der Synode zugeleitet worden. Die Diskussion in den zehn Sprachgruppen verlief durchaus kontrovers. In der Frage der Zölibatsverpflichtung in der Lateinischen Kirche gab es eine Abstimmung, deren Ergebnis auch veröffentlicht wurde.17 107 Mitglieder der Synode stimmten für die uneingeschränkte Fortdauer der Zölibatsverpflichtung, 87 waren dafür, dass der Papst bei gegebenen Umständen auch verheirateten Männern in reifem Alter und von unbescholtenem Lebenswandel die Weihe gestatten könne. Zwei Teilnehmer enthielten sich der Stimme. Angesichts der Tatsache, dass der Synode auch eine beträchtliche Zahl von Teilnehmern angehörten, die nicht aus den Ortskirchen stammten, sondern vom Papst ernannt worden waren, will die Abstimmungsmehrheit nicht voll überzeugen. So blieb die Frage denn auch nach dem römischen Votum weiter auf der Tagesordnung, wie oben bereits gezeigt wurde.

Bereits auf der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (der sogenannten Würzburger Synode, 1972–75) kam das Problem des Pflichtzölibats im Zusammenhang der Beratungen über die Vorlage „Die pastoralen Dienste in der Gemeinde“ zur Sprache.18 Den Synodalen war klar, dass sie in dieser Frage aufgrund ihres weltkirchlichen Charakters keine Entscheidung würden fällen können. Dennoch fand der Wunsch, sie auf der Agenda zu behalten, die Mehrheit der Abstimmenden. So heißt es in dem entsprechenden Synodentext: „Darum bauen viele Mitglieder der Synode darauf, dass sich auch zukünftig genügend junge Männer für den zölibatären priesterlichen Dienst bereiterklären werden. Andererseits zwingt die gegenwärtige kirchliche Situation die Verantwortlichen, das Problem des ehelosen Priestertums unter dem leitenden Gesichtspunkt der Heilssorge zu prüfen.“19

Die Deutsche Bischofskonferenz lehnte es mit Mehrheitsbeschluss ab, die entsprechende Empfehlung der Synode an den Papst weiterzuleiten, wobei die Berufung auf die bereits in Rom erfolgte Entscheidung den Ausschlag gab.20 Man wird nicht sagen können, dass die Frage danach für alle Zeiten und Ortskirchen geklärt sei.

Ermutigung zum Aufbruch

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