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Komponenten der Tätertheologie

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Am Beispiel der Theologie von Schmaus, die kein Einzelfall ist, lässt sich das Zusammenwirken der Momente des Objektivismus, der Subjektverbergung und des Diskurses der Un-/Schuld deutlich machen:

Die objektivistische Form der Gottesrede, die Gott nicht bezeugt, sondern als quasi-gegenständliche Wirklichkeit einführt, hat einerseits die Tendenz, auch alle übrige Wirklichkeit als göttlich sanktioniert zu betrachten und so die Unterwerfung unter bestehende Herrschaft theologisch begründet einzufordern; andererseits führt sie das Unvermögen, die Subjektgebundenheit des eigenen Glaubens zu erkennen, dazu, andere subjektgebundene Glaubensweisen nicht als gleichberechtigt zu respektieren (und mit ihnen auf dieser Basis um die Wahrheit zu streiten), sondern sie als grundsätzlich irrig und feindlich abzulehnen. Die eigene Auffassung bezieht sich auf „das Objektive“, auf die „Wirklichkeit“; alle anderen Überzeugungen sind „Hirngespinste“. In diesem Objektivismus sind Antijudaismus und Inkommunikabilität gegenüber anderen Konfessionen und Religionen strukturell enthalten (d.h. sie sind auch vor und nach der NS-Zeit in solcher Theologie präsent), ohne immer thematisch ausgeführt werden zu müssen. Sie werden ans Licht treten, wenn es gesellschaftlich und politisch Raum dafür gibt, und in die Latenz zurücksinken, sobald sie inopportun erscheinen. Die Subjektverbergung ist zugleich Form und Inhalt der objektivistischen Theologie. Form ist sie insofern, als das sprechende Subjekt bei der Rede von Gott nicht thematisiert wird und subjektgebundene Gehalte des Glaubens nicht transparent gemacht werden. Der „objektive Gott“ ist nicht gebunden an ihn bezeugende Subjekte, er herrscht unabhängig von ihnen in reiner Aseität und fordert Gehorsam. Die an ihn Glaubenden sind nicht Subjekte, sondern Objekte dieses Gottes bzw. dieser Theologie. Entsprechend bedeutet auf der Inhaltsseite Gehorsam in erster Linie eine Objektivierung des Selbst: Glaube ist das Absehen von der eigenen Subjektivität, von eigenen Bedürfnissen und Bedenken – die Unterwerfung unter den göttlichen Willen.

Der theologisch solchermaßen Theologie Treibende verbirgt seine persönliche Verantwortung für seine Gottesbehauptungen, Gehorsamsforderungen und Feinderklärungen mit Hinweis auf die objektive Wirklichkeit, die er lediglich feststellt, und befindet sich damit schon in einem Un-/Schuldsdiskurs, die seine persönliche Beteiligung relativiert. Der solchermaßen an Gott „Glaubende“ sieht seine Bestimmung ausschließlich im Gehorsam; Täter ist letztlich immer ein anderer – Gott oder die herrschende Macht, was hier gar nicht mehr klar zu trennen ist.

Subjektverbergung und Subjektobjektivierung werden so (nicht nur als theologisches, sondern als gesellschaftliches Phänomen) zum Ermöglichungsgrund für die „unschuldige“ Beteiligung am Holocaust – selbst über eigene Bedenken hinweg. Wenn Beteiligte später – wie an den Reaktionen auf die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941–1944“ vielfach zu beobachten war – jegliche Möglichkeit eines persönlichen Schuldiggewordenseins weit von sich weisen, bestätigen sie nur auf tragische Weise diesen Befund. Damit in Zusammenhang stehende soziale Kompetenzen bleiben in der Folge – oft lebenslang – zerstört: „[d]ie politische Urteilskraft, die Fähigkeit zur Scham, die Gabe zur Artikulation moralischer Gefühle, kurzum alle jene kulturellen Potentiale, derer es bedarf, damit Verantwortungsübernahme auf den Weg kommen kann“ (Dubiel 2001).

Dass die objektivistische Theologie und Religiosität sich auch dann als kompatibel erweisen, wenn einmal Demokratie die „objektive Macht“ darstellt, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Diese Tatsache legt aber nahe, nicht nur Texte der NS-Zeit dekonstruktiv nach den genannten Komponenten zu durchforsten, sondern auch die Theologie und Zivilreligion der Gegenwart – die eigene theologische Produktion immer eingeschlossen. Wie ich am eigenen Beispiel gezeigt habe, sind wir – auch in der dritten Generation – nicht gefeit vor der (unbewussten, halbbewussten) Teilnahme an den beschriebenen fatalen Diskursen, wenn wir von Gott reden im Land der Täter.

Anmerkungen

1 Jüdinnen und Juden befinden sich hier in einem gänzlich anderen Fragengeflecht, wie Elisa Klapheck in diesem Band deutlich macht.

2 Vgl. z.B. den Beitrag von K. Hannah Holtschneider in diesem Band.

3 Vgl. hierzu Paul Petzels Vorschlag in diesem Band, den christlichen Zugang zum Tenach bzw. dem „Alten Testament“ so zu bestimmen, dass die Grenzen zwischen Fremdem und Eigenem nicht verwischt werden.

4 Mit dem Begriff der „Beteiligung“ ist hier insgesamt der Verantwortungszusammenhang in Bezug auf den Holocaust – „und sei es auch in einer indirekten Form oder durch Nicht-Handeln“ (Dubiel 2001) – gemeint. Er umfasst mehr als juristisch greifbare Taten wie z.B. Morde und Gewaltakte.

5 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Dagmar Mensink in diesem Band, worin sie die Koordinaten dieses Raums bezüglich der Verständigung zwischen Zeugen und Nachgeborenen bestimmt.

6 In diesem Band machen beispielsweise Barbara Meyer und Tania Oldenhage solche Erfahrungen fruchtbar.

7 Ausführlicher geht Gregor Taxacher dieser Frage in diesem Band nach.

8 Vgl. aber jüngst: R. Bucher, Kirchenbildung in der Moderne, Stuttgart 1998.

Literatur

Krondorfer, B., 1995: Remembrance and Reconciliation. Encounters between Young Jews and Germans, New Haven/London

Broszat, M., 1987: Nach Hitler. Der schwierige Umgang mit unserer Geschichte, München

Denzler, G., 1996: Wenn Gottesgelehrte völkisch denken. Vom christlichen Antijudaismus zum Antisemitismus – Drei Beispiele: Karl Adam, Michael Schmaus und Anton Stonner, in: Süddeutsche Zeitung, 21./22. Dezember

Dubiel, H., 2001: Der Zufall der späten Geburt. „68“ – die Nachgründung der Bundesrepublik, in: Süddeutsche Zeitung, 2. Februar

Greive, H., 1969: Theologie und Ideologie. Katholizismus und Judentum in Deutschland und Österreich 1918–1935, Heidelberg

Metz, J.B., 1984: Im Angesichte der Juden. Christliche Theologie nach Auschwitz, in: Concilium 20, 382–389

Müller-Hohagen, J., 1988: Verleugnet, verdrängt, verschwiegen. Die seelischen Auswirkungen der Nazizeit, München

Petzel, P., 1993: Was uns an Gott fehlt, wenn uns die Juden fehlen. Eine erkenntnistheologische Studie, Mainz

Rahner, K.,Vorgrimler, H., 1985: Art. Gott, in: dies., Kleines theologisches Wörterbuch, Freiburg/Basel/Wien, 15. Auflage

Reck, N., 1996: Festhalten an der Untröstlichkeit. Die Gottesfrage in der katholischen Theologie seit Auschwitz, in: Stimmen der Zeit 214, 186–196

Schmaus, M., 1934: Begegnungen zwischen katholischem Christentum und nationalsozialistischer Weltanschauung (Schriftenreihe „Reich und Kirche“), Münster, 2. Auflage

– 1938: Katholische Dogmatik, 2. Bd.: Schöpfung und Erlösung, München, 1. Auflage

– 1949: Das Verhältnis der Christen und Juden in katholischer Sicht, in: Judaica 5, 182–191

– 1954: Vom Wesen des Christentums, Ettal, 3. Auflage

Taxacher, G., 1998: Nicht endende Endzeit. Nach Auschwitz Gott in der Geschichte denken, Gütersloh

Tillich, P., 1975: Wesen und Wandel des Glaubens, Frankfurt am Main/Berlin/Wien

Welzer, H., 1997: Verweilen beim Grauen. Essays zum wissenschaftlichen Umgang mit dem Holocaust, Tübingen

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