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Die Botschaften aus der Mitte Deutschlands an die Politik

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Kern der Neustart!-Initiative bildeten Dialogveranstaltungen, an denen sich fast 700 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus ganz Deutschland beteiligten. Sie wählten rund 40 Botschafter, welche die Anliegen in weiteren Formaten wie den Bürger-Experten-Dialogen vertraten. Über die Neustart!-Webseite gingen etwa 270 Kommentare ein, und gut 1.000 Personen nahmen 2020 an einer repräsentativen Umfrage zu Reformansätzen für das deutsche Gesundheitssystem teil. Die wesentlichen Botschaften, die die Bürger in diesen Foren an die Politik richteten, lauten:

Im Gesundheitswesen soll der Mensch im Mittelpunkt stehen. Dass eine Selbstverständlichkeit derart betont wird, kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass das Gesundheitssystem diese Erwartung oft eben nicht erfüllt und anderen Interessen dient.

Bürgerinnen und Bürger machen sich stark für mehr Gesundheitsförderung und Prävention. Die Erhaltung der Gesundheit steht für sie an erster Stelle. Sie wünschen sich, dass die Weichen durch Gesundheitsbildung bereits in Kitas und Schulen früh gestellt werden.

Sie schlagen eine vermehrte Besteuerung gesundheitsschädlicher Nahrungs- und Genussmittel vor. Alltag und Lebenswelten sollen für alle und in allen Bereichen so gestaltet sein, dass die Entscheidung für die gesunde und nachhaltige Alternative stets die einfache und normale ist – von der Ernährung über die Mobilität bis zum Stressverhalten.

Die Menschen erwarten leicht verständliche und zugängliche und vor allem verlässliche Informationen.

Bürgerinnen und Bürger haben keineswegs nur ihre eigene Gesundheit im Blick. Die Ergebnisse der Dialoge zeigen ein ausgeprägtes Verständnis von Gesundheit als „Common Good“. Diese Haltung spiegelt sich in einigen richtungsweisenden Vorschlägen für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens wider. So sprechen sich die Teilnehmenden sowohl in den Dialogen als auch in der repräsentativen Umfrage mehrheitlich für ein solidarisches Versicherungssystem aus, zum Beispiel in Form einer allgemeinen Krankenversicherung, die die wesentliche Versorgung abdeckt und optional Zusatzleistungen anbietet.

Dieselbe Haltung kommt im Vorschlag für einen Finanzausgleich zwischen ärmeren und wohlhabenderen Regionen zum Ausdruck. Auch die Überlegungen zu „Caring Communities“, also gegenseitiger nachbarschaftlicher Hilfe, gehen in diese Richtung.

Besonders deutlich sind die Sichtweisen zu den Themen Finanzierung und Vergütung: Das Gesundheitswesen soll nach Meinung der Menschen gemeinwohlorientiert statt gewinnorientiert gestaltet werden. Einzelne Teilnehmende wünschen sich sogar ein staatlich gesteuertes Gesundheitssystem. Dies dürfte seinen Ursprung in der Sorge haben, dass Gesundheit zunehmend den Kräften des freien Marktes ausgesetzt und als „Common Good“ in Gefahr ist.

Mit dem Verständnis von Gesundheit als Gegenstand des Gemeinwohls ist eine weitere zentrale Botschaft aus den Bürgerdialogen erkennbar: Gesundheit bedarf des verantwortlichen Handelns aller Beteiligten: Die Bürgerinnen und Bürger sehen klar die Verantwortung für die eigene Gesundheit und sprechen sich für ihre Förderung aus. Zusätzlich zur Vermittlung von Grundkenntnissen bereits bei Kindern und Jugendlichen sollten weitere Möglichkeiten angeboten werden, sich gesundheitsförderlich zu verhalten. Transparente Informationsvermittlung, verlässliche Gesundheitsportale und Anlaufstellen sind ebenso wie ein konsequent nutzerfreundlich gestaltetes Gesundheitssystem insgesamt wichtige Schlüssel. Auch sollte die Fähigkeit gefördert werden, Informationen aus verschiedenen Quellen gegeneinander abzuwägen. Menschen mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz sollten gezielt unterstützt werden.

Der Anspruch an Verantwortung soll sich jedoch nicht in einem gesundheitsförderlichen Lebensstil (Ernährung, Bewegung etc.) erschöpfen. Gefordert werden auch mehr Partizipation und Mitbestimmung, was Kommunikation auf Augenhöhe mit den professionellen Helfenden voraussetzt, aber auch einen einfachen Zugang zu und transparenten Austausch mit den administrativen Bereichen des Gesundheitssystems wie zum Beispiel den Krankenkassen. So wünschen sich die Bürger mehr Mitwirkung etwa bei der Planung und Gestaltung regionaler und kommunaler Versorgungsstrukturen, zum Beispiel durch kommunale Gesundheitskonferenzen.

Mit Blick auf die Gesundheitsversorgung im engeren Sinne wünschen sich die Bürger vor allem eine gesicherte Erst- und Grundversorgung und einen niedrigschwelligen Zugang zu einer umfassenden und ganzheitlichen Betreuung. Darin und in einem breiten interdisziplinären Angebot sehen sie die Vorteile von Primärversorgungszentren, die zudem im ländlichen Raum Lücken der ärztlichen Versorgung schließen und Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention bündeln könnten.

Die Teilnehmenden der Dialogveranstaltung empfinden eine hohe Wertschätzung der Gesundheitsberufe und sehen es als wichtig an, professionelles Handeln in diesen Berufen nachhaltig zu unterstützen – durch angemessene Vergütung und mehr Zeit für die Kommunikation mit den Patienten, durch eine verbesserte Situation der Pflege und vor allem durch einfachere Prozesse und Entlastung von Bürokratie. Auch soll ärztliches, pflegerisches und therapeutisches Personal verstärkt in Kommunikations- und Sozialkompetenz qualifiziert werden, um Barrieren aufgrund von Sprache, kultureller Sozialisation, Bildungsniveau oder körperlicher bzw. kognitiver Beeinträchtigung abzubauen.

Eindeutige Kritik üben die Bürger daran, dass das Gesundheitssystem an vielen Stellen intransparent und die Interaktion vielfach mühsam sei. Vorschläge zur Verbesserung reichen von mehr Transparenz in den Abrechnungssystemen über allgemeinverständliche Befunde und Berichte bis zu seriösen Online-Rankings der Anbieter von Gesundheitsleistungen.

Bemerkenswert ist schließlich der Befund, dass Bürgerinnen und Bürger weder übertriebene Bedenkenträger noch Verhinderer sein wollen – im Gegenteil: Sie unterstützen ausdrücklich Investitionen in Innovation und Forschung. Sie wünschen einen konstruktiven Einsatz der Digitalisierung und verbinden damit die Chance, mehr Transparenz herzustellen und Bürokratie zu reduzieren. Sie heißen ein sicheres Datensystem gut, das ihre Gesundheitsdaten zentral speichert und bei dem sie selbst über den Zugriff auf ihre Akte entscheiden. Vom vermehrten Einsatz der Telemedizin erhoffen sie sich eine flexiblere und qualitativ bessere Gesundheitsversorgung.

Ein wichtiges Ergebnis der Dialoge ist schließlich auch das, was die Bürger nicht thematisiert haben. Denn auch wenn mangelnde Transparenz und Zeit im Kontakt mit den Ärzten angesprochen worden sind, hat die fachliche Qualität der medizinischen und pflegerischen Versorgung in den Bürgerdialogen kaum eine Rolle gespielt.

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