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Stil als Arbeit an Erkenntnis

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Der Stil ist keineswegs, wie manche glauben, ein Mittel der Verschönerung, ja er ist nicht einmal ein technisches Problem, er ist vielmehr – genau wie die Farbe für die Maler – eine Art des Sehens und Imaginierens (une qualité de la vision), die Enthüllung des partikularen Universums, das jeder von uns sieht, und das die anderen nicht sehen. Das Vergnügen, welches uns ein Künstler schenkt, liegt darin, daß er uns ein weiteres Universum kennenlernen läßt.

(Marcel Proust)1

Die Frage nach dem Stil hat für den Tanz inzwischen als ästhetischer Reflexionsdiskurs an Gewicht verloren. Dies ist sicherlich – wie bereits dargelegt – auf einen Verlust einer tanztechnisch identifizierbaren Grundlegung ästhetischer Positionen zurückzuführen, die stilistische Differenzen tragen. Zugleich spiegelt sich der begriffsgeschichtliche Wandel von Stil als ästhetischer Reflexionsraum der Kunst wieder, den Gumbrecht historiographisch nachgezeichnet und dem Bohrer mehrere Essays gewidmet hat.2 Würde man einige der einschlägigen historischen Stildiskurse aufgreifen, mit denen Stil als ein menschliches Vermögen (Buffon), als die künstlerische Kompetenz, das Wesen der Dinge zu erkennen (Johann Wolfgang von Goethe),3 oder als das künstlerische Vermögen zur Visionierung ›anderer Welten‹ (Marcel Proust) aufgefasst werden, so ließe sich die ästhetische Arbeit einiger zeitgenössischen Choreograph*innen (etwa Laurent Chétouane oder Margrét Sara Guðjónsdóttir) als eine stilprägende Arbeit an einem Erkenntnisvermögen der Tanzkunst diskutieren, über sensitiv eingestimmte Körper ein ›weiteres Universum‹ wahrnehmen zu lassen. Eine solche Untersuchung wäre sicherlich lohnend.

Das Rauschen unter der Choreographie

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