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Stil: Ein indifferentes Merkmal und die Arbeit an Erkenntnis

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Sabine Huschka

Der Stil ist nichts anderes als die Anordnung und die Bewegung, die man in seine Gedanken legt. (Buffon)1

In seinem Spätwerk The Mastery of Movement legt Rudolf Laban nachhaltig ein bewegungstheoretisches Denken über die Tragweite von Stil vor. Es besagt:

Daß Bewegung unter ästhetischen und praktischen Gesichtspunkten gesehen werden kann und man von diesem oder jenem Tennisspieler, Eisläufer, sonstigem Sportler oder Filmstar sagt, er habe ›Stil‹, beruht häufig auf winzigen Details einer Bewegungsgewohnheit. Der winzige Unterschied zwischen einer schöpfenden oder streuenden Fußstellung etwa vermag Einfluß darauf zu haben, ob in den Augen der Zuschauer ein Superathlet oder Filmstar ›Stil‹ hat oder nicht. […] Ein darstellender Künstler indes will und muß mehr wiedergeben können als typische Stile, das typisch Schöne.2

Veranschlagt wird ein Modus der Überschreitung und eine qualitative ›Winzigkeit‹, die dem tänzerischen Stil bewegungsästhetisch zu eigen ist und ihn auffällig macht. Diesem Stil wohnt etwas Indifferentes bei, denn ihm ist nur schwer – etwa über klare ästhetische Merkmale – beizukommen. Und doch steht er dem Tänzer und mit ihm der Kunst als Aufgabe vor.

Zeitgenössische Ästhetikdiskurse wie der von Karl Heinz Bohrer betonen vergleichbar ebenso einen Modus der Überschreitung, über den Stil als transzendierende Leistung von Leben und Alltag erkennbar wird:

Stil ist […] als eine Überhöhung des Alltäglich-Selbstverständlichen angesehen worden. Ob man nun vom antiken Terminus ›stilus‹ spricht oder mit Buffons berühmtem Satz davon, daß der Stil der Mensch selbst sei, immer geht es um die Fähigkeit zur Objektivierung von bloß tautologisch Gefühltem: Stilvermögen ist dann eine intellektuell-reflexive Fähigkeit, die qua eines spezifischen Ausdrucks bezüglich einer Sache ihren Adressaten besonders anspricht. Die Sache also ist die nicht zu übersehende Ursache eines jeweiligen Stils, so wie es Goethe 1789 […] formuliert hat: […] Stil beruhe ›auf den tiefsten Grundfesten der Erkenntnis‹.3

Die Perspektiven, in welchen Grundfesten Stil sich verankert zeigt und welche Dispositionen sein dem Allgemeinen dienender Ausdruck bildet, prägen seit dem 18. Jahrhundert das ästhetische Denken über Stil. Ausgehend von Buffon und seiner am 25. August 1753 gehaltenen Rede Discours sur le style zur Aufnahme in die Académie Française setzt ein Stildiskurs ein, der – eingebettet in ein Denken über einen guten Schreibstil und die Aufgabe eines Autors – das Subjekt als erkenntnistragende Instanz ins Zentrum rückt.

Allein die gut geschriebenen Werke werden die Nachwelt erreichen; die Vielfalt der Kenntnisse, die Einzigartigkeit der dargestellten Ereignisse, ja selbst der Innovationscharakter von Entdeckungen – all das sind keine Garantien für die Unsterblichkeit; […] der Stil aber ist der Mensch selbst; den Stil kann man ihm nicht nehmen, er kann sich nicht abheben und nicht verändern: wenn er hoch, edel und erhaben ist, dann wird der Autor zu allen Zeiten bewundert werden; denn es gibt nur eine dauerhafte, ja ewige Wahrheit.4

Stil zeigt sich als ein erkenntnisgeleitetes Ausdrucksvermögen, das mit einem Bewegungsakt der Überschreitung einer rein subjektiven Äußerung hin zum Allgemeinen übereinkommt. Denn, so Buffon weiter: »Es ist die Macht des Genies, sich alle allgemeinen und besonderen Sinnstrukturen (idées) unter ihrem wahren Blickpunkt vorzustellen; nur aufgrund eines besonders feinen Unterscheidungsvermögens wird man sterile Gedanken von fruchtbaren Ideen unterscheiden können.«5 Es bleibt ein »feines Unterscheidungsvermögen«, mit dem ein Künstler, der hier als Genie vorstellig wird, zur Ausbildung von Stil umzugehen versteht – eine Winzigkeit, die jenen qualitativen Unterschied ausmacht, den Laban noch 200 Jahre später begrifflich als Kennzeichen eines tänzerischen Stils anführt.

Karl Heinz Bohrer unterdessen fokussiert in seinen von Friedrich Nietzsche ausgehenden Abhandlungen Stil als das menschliche Vermögen zu einem besonderen Ausdrucksverhalten, dem, wie Bohrer über Nietzsches Entwurf zum ›Großen Stil‹6 ausführt, etwas Ungeheures beiwohnt. Denn beim Stil sei stets die Rede vom »Erhabenen, dessen ästhetische Struktur bekanntlich gefaßt ist als eine vom Ungeheuren oder Schrecken gebrochene Schönheit«.7 Auf diesen mitgeführten Aspekt von Stil wird zurückzukommen sein.

Das Rauschen unter der Choreographie

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