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1.3 Kompetenzorientierte Wende
ОглавлениеMit der sogenannten Kompetenzorientierten WendeKompetenz-Orientierung etwa ab Beginn der 1990er Jahre wurde ein Leitbegriff adaptiert, der geeignet schien, die Herausforderungen zunehmender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Individualisierung, Beschleunigung, Globalisierung, der Virtualisierung organisatorischer Strukturen u.ä. aufgreifen zu können. Auch sollte den Menschen in den neuen Bundesländern mit der Qualifizierungsoffensive verdeutlicht werden, dass „mit der Arbeit an neuen Werthaltungen und Einstellungen begonnen werden sollte“ (Kirchhoff 2007:85). Begriffe wie Werte und Haltungen stehen dem subjektzentrierten Kompetenzverständnis sehr nahe. Letzteres rückte in den Vordergrund:
Die alte Bildungslogik muss […] ergänzt werden durch eine neue Logik, die auf die Entdeckung und Entwicklung der individuellen Kompetenzen bei den Beschäftigten in der Aus- und Weiterbildung setzt (Wittwer 2015:7).
Im Kern geht es dem Kompetenzansatz daher um die Hinwendung zum arbeitenden und lernenden Subjekt.
Damit steht die jeweilige Besonderheit der Person, d.h. deren individuelle Kompetenzen im Vordergrund der Bildungsarbeit. Nur so kann das individuelle Potenzial im Sinne des Individuums, der Organisation bzw. des Unternehmens sowie der Gesellschaft genutzt werden (Wittwer 2015:3).
Kompetenzen stellen immer „das Individuum in den Fokus der Betrachtung“ (Lang-von Wins & Triebel 2006:39). Die Begrifflichkeit z.B. der „Selbstorganisationsdisposition“ Selbstorganisationsdisposition(Erpenbeck & Rosenstiel 2003: XXXI) verweist darauf, dass Fertigkeiten, Fähigkeiten, Wissen und Qualifikationen zwar unumgängliche Voraussetzungen, für sich genommen aber noch keine Kompetenzen sind.
Das, was Kompetenzen ausmacht, beinhaltet immer auch Hinweise auf die spezifischen Bedingungen ihres Erwerbs: Die Selbstorganisationsdisposition muss durch Handlung zum Leben, zur Sprache kommen. Da es bei Kompetenzen um die Bewältigung komplexer Anforderungen geht, benötigt man zu ihrer Entwicklung Lernsituationen mit direktem Praxisbezug, möglichst ein Lernen in Realsituationen. Über Wissen, Fertigkeiten und Qualifikationen hinausgehend sind auch „interiorisierte, also zu eigenen Emotionen und Motivationen verinnerlichte Regeln, Werte (Bewertungen) und Normen“ (ebd.:XXXI) Kernbestandteile von Kompetenzen. Damit wird der Wertebereich zum zentralen Drehpunkt des SubjektbezugsSubjektbezug des Kompetenzansatzes. Auf emotional gesättigte Erlebens- und Erfahrungssituationen als „Grundlagen des Kompetenzerwerbs“ (Arnold & Erpenbeck 2014:13) kommen wir noch zurück.
Der Kompetenzbegriff ist heute zu einem „Containerbegriff“ geworden, „in den man alles hineinpacken kann“ (Wittwer 2015:10). Vielfach besteht die kompetenzorientierte Wende in einer schlichten Umbenennung bisher benutzter Fähigkeits- und Qualifikationsbegriffe. Auch in diesem Band trifft man vielfach auf Kompetenzgebilde wie Sprach-, Gesprächs-, Kommunikations-, Erklärungs-, Schreib-, Lesekompetenz u.ä.m., bei denen es sich eher um Voraussetzungen für Kompetenzen handelt, nicht aber um Kompetenzen selbst. Das Verständnis von Kompetenz scheint sich „trotz gegenteiliger Beteuerung“ wieder in Richtung Qualifikation zu bewegen. Es geht jetzt „weniger um die Entwicklung ganz persönlicher Kompetenzen als um den Erwerb gesellschaftlicher bzw. betrieblich erwünschter Kompetenzen“, um den „Wunsch nach einer ‚sicheren‘ Prognose des menschlichen Verhaltens im Arbeitsprozess und dem Einsatz der Kompetenzen als betriebliches Steuerungsinstrument. […] Dieser Wunsch steht allerdings im Widerspruch zum Subjektbezug des Begriffs.“ (Wittwer 2015:11).