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2.2.2 Das Beispiel „Graswurzel“ MethodeGraswurzel-
ОглавлениеIm Modellversuch „Entwicklung, Erprobung und Verbreitung einer ausbildungsprozessintegrierten Qualitätsentwicklung und -sicherung in der betrieblichen Berufsausbildung (Graswurzel QES)“ wurde ein bottom-up-orientiertes Verfahren entwickelt (vgl. Brater 2013, Maurus et al. 2016), das es ermöglicht, die Qualität von Lehr-Lernprozessen zu sichern und zu entwickeln. Die Gestaltung der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden ist das Kernelement, das über die Qualität von Lehr-Lernprozessen entscheidet. Entsprechend wurde an der Basis, bei den Lehrenden und Lernenden ansetzend, eine „wiederkehrende Abfolge von Schritten der allmählichen Annäherung eines Istzustandes an ein Soll über eine Kette von Handlungen“ (Brater 2013:17) entwickelt, inkl. der zugehörigen Überprüfungen, Modifikation etc. Es handelt sich hier um eine dialogische, auf „gleicher Augenhöhe“ angelegte Kommunikationsstruktur zwischen Lehrenden und Lernenden, die ganz besonders beim Element der „gemeinsamen Gestaltung der Lehr-/Lernprozesse“ zum Ausdruck kommt. Denn „für hohe Ausbildungsqualität sind […] bestimmte anspruchsvolle Kommunikationsformen wichtig, die das Lernen stützen und einen tragenden klimatischen Rahmen schaffen (Beziehungsgestaltung, gegenseitige Anerkennung und Achtung usf.)“ (ebd.:19).
Diese im Sinne der erwähnten Ermöglichungsdidaktik angelegte Struktur der Kommunikation berücksichtigt auch, dass die Möglichkeiten des Miteinander-Sprechens nicht in erster Linie von der Sprachfähigkeit der Lernenden abhängt, sondern sehr deutlich auch davon, ob sich ein Lernender sozial eingebunden fühlt, wie mit ihm persönlich gesprochen wird (bspw. wertschätzend oder abwertend). Seine Möglichkeiten, Machbarkeit, Beherrschung und Erfolg beim Lernen zu erleben, sind wiederum eng damit verbunden, wie mit ihm über seine Arbeit kommuniziert wird. Werden in erster Linie Fehler sprachlich (negativ) thematisiert, Fortschritte jedoch kaum, wirkt das völlig anders als wenn Fortschritte in den Mittelpunkt sprachlicher Rückmeldung gerückt und Fehler als Chance kommuniziert werden.
Was bedeutet das konkret für die Sprache und Kommunikation von Ausbildenden bzw. Lernbegleitern? Im Graswurzel-Kontext wurde hierzu auf den personenzentrierten Ansatzpersonzentrierter Ansatz von Rogers (2014) zurückgegriffen, der besagt, dass Menschen sich nur verändern können, wenn sie das Empfinden einer „sicheren Beziehung“ haben. Förderlich für eine dergestaltige Sprache und Kommunikation sind demnach vor allem Akzeptanz, Empathie und Kongruenz. Dies hat entscheidende Konsequenzen für die Haltung sowie die sprachliche wie auch nonverbale Kommunikation seitens der ausbildenden/lehrenden Personen:
„Sprache der Achtung und positiven Zuwendung (Akzeptanz)“ |
Die Sprachäußerungen, Aktivitäten, Gestik und Mimik zeigen, dass jeder Lehrende die Lernenden als Personen grundsätzlich gleichen menschlichen Wertes ansieht und respektiert. Die Äußerungen sind sozial-reversibel, d.h. Lernende können sie dem Lehrenden gegenüber in gleicher Weise verwenden, ohne dass ein Mangel an Achtung/Respekt vorhanden wäre. Lehrende empfinden Anteilnahme/Wärme für den Lernenden, sind rücksichtsvoll, haben eine positive, annehmende Einstellung gegenüber dessen Erlebniswelt, akzeptieren die Person. Sie suchen, die Selbstbestimmung und persönliche Entwicklung des Lernenden deutlich zu fördern. Sie haben keinen Wunsch, über die Lernenden zu dominieren, Macht auszuüben oder sie in Abhängigkeit zu halten. Sie nehmen Schwierigkeiten der Lernenden ernst, berücksichtigen deren Wünsche und Bedürfnisse bzw. nehmen darauf Rücksicht, selbst dann, wenn sie diese nicht erfüllen können – es ist keine Abwertung, kein Herabblicken vorhanden. |
„Sprache des einfühlenden, nicht-bewertenden Verstehens der Erlebniswelt des Gegenübers (Empathie)“ |
Die Anliegen, Gedanken, Motive, Gefühle, die Art, wie Lernende sich und ihre Umwelt wahrnehmen, wollen verstanden werden (aktives Zuhören, Paraphrasieren, Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte). Lehrende bemühen sich, aktiv und intensiv zu verstehen, welche Bedeutungen die eigenen Äußerungen und Verhaltensweisen für die Lernenden haben und wie sie sich fühlen. Sie verstehen die Schwierigkeiten der Lernenden und berücksichtigen die seelische Situation Lernender – wenn situationsangemessen: Mitteilung dazu an Lernende. |
„Sprache der Kongruenz, Aufrichtigkeit und Echtheit“ |
Aufrichtigkeit, Echtheit: Übereinstimmung von Fühlen, Denken, Äußerungen und Handlungen des Lehrenden gegenüber Lernenden, aufrichtige Äußerungen. Keine Fassadenhaftigkeit, panzerndes professionelles, routinemäßiges Gehabe. Lehrende verhalten sich natürlich, spielen keine (falsche) Rolle, geben sich so, wie sie wirklich sind und sind offen für Verbesserungswünsche und Kritik der Lernenden, und fragen auch danach. |
Übersicht 2: Kompetenzentwicklungsförderlicher Sprachgebrauch der Lehrenden (nach Maurus & Schrode 2015: 5–8)
Das „Graswurzel“-Modell, das grundsätzliche Elemente der Lernbegleitung aufnimmt, sucht somit bereits auf der Strukturebene, Möglichkeiten für die Entwicklung sozial-kommunikativer Kompetenz zu ermöglichen und zu verankern. Diese Struktur bliebe allerdings leer und „sprachlos“, würde sie nicht belebt durch die persönliche „dialogische Haltung“ (vgl. Maurus et al. 2016:107) der Lehrenden – die ihren Ausdruck auch in ganz spezifischen, insb. „subjektivierenden“ Sprachformen findet, etwa in (nach-)fragenden, in bildhaften, assoziativen, beziehungsstiftenden u.ä.
Der Gedanke der Kompetenzentwicklung/-reifung ermutigt aus unserer Sicht zur Orientierung an den individuellen Stärken und Ressourcen der LernendenRessourcenorientierung-StärkenorientierungRessourcenorientierung und zur Nutzung der Potenziale handlungsbestimmter, selbstorganisierter Lernprozesse in sprechenden, weil realen Kontexten. Kompetenzen entstehen durch Handeln. Sozial-kommunikative Kompetenzen entstehen in Lern- und Sprachstrukturen, welche die Herausforderung zu selbstorganisatorischem und kreativem Handeln in sich tragen – etwa dem Gedanken folgend:
Nicht zufällig bezog sich Chomsky, der Erfinder der Sprachkompetenz, auf Humboldt. Auf das Vermögen, von den endlichen Mitteln einer Sprache selbstorganisiert und kreativ unendlichen Gebrauch zu machen (Arnold & Erpenbeck 2014:32).