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2. Fachdidaktische Überlegungen zur Förderung von Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht

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Wenngleich die Entwicklung individueller Mehrsprachigkeit sowohl von der KMK als auch in den Curricula der Bundesländer als das zentrale Ziel des Fremdsprachenunterrichts betont wird (vgl. u.a. KMK 2012: 11), wurde lange Zeit das Prinzip der Einsprachigkeit als wichtiges Qualitätsmerkmal des fremdsprachlichen Unterrichts gehandelt. Begründet wurde (und wird) dies von Fremdsprachenlehr- und lernforscher/innen auf der Grundlage natürlicher Spracherwerbsprozesse, bei denen der/die Erwerbende vollständig in die fremde Sprache eintaucht und sich „aus der Not heraus“ aus dem jeweiligen Kontext und mit Unterstützung des jeweiligen Sprachpartners/der jeweiligen Sprachpartnerin die Bedeutung einzelner Wörter und Redemittel erschließt (vgl. Klippel 2016: 317). In jüngster Zeit werden jedoch Stimmen lauter, welche die klare Überlegenheit dieses recht dogmatischen Verfahrens anzweifeln.

So argumentiert u.a. Wolfgang Butzkamm (2012), dass eine ausschließlich einsprachige Unterrichtsführung gerade Sprachlernanfänger/innen nicht nur darin hindere, eine Fremdsprache möglichst schnell und ohne Umwege zu lernen (ebd.: 122), schlichtweg, weil sie ohne den Einsatz der Muttersprache nur wenig verstünden, sondern, dass das Ausklammern anderer Sprachen die Lernenden darüber hinaus auch später in ihrer Spontaneität und Kreativität hemme, weil sie stets nur das Vokabular verwenden können, das sie bereits kennen. Damit, so Butzkamm, wirke der einsprachige Unterricht der Befriedigung des Kommunikationsbedürfnisses der Lernenden deutlich entgegen. Ebenfalls verlaufe Butzkamm zufolge die (spontane) Kommunikation in Klassenräumen, in denen die Lehrkraft auf Einsprachigkeit bestehe, deutlich oberflächlicher (wenn sie überhaupt zustande kommt) als in einem mehrsprachig gestalteten Unterricht (ebd.: 123ff.).

Darüber hinaus erklärt Butzkamm, dass allein durch den direkten Vergleich der Fremdsprache mit anderen Sprachen negative Interferenzen vermieden, sowie positiver Transfer ermöglicht werden könnte (ebd.: 121f. und 128). Für Butzkamm ist die Mitwirkung der Erst- bzw. Zweitsprache der Lernenden deshalb „[…] nicht nur unvermeidlich, sondern notwendig“ (Butzkamm 2012: 122).

Doch nicht nur Wolfgang Butzkamm spricht sich für den Einbezug anderer Sprachen im Fremdsprachenunterricht aus. Auch die KMK selbst empfiehlt die Einbringung anderer Sprachen im Fremdsprachenunterricht, allerdings weniger im Sinne einer unterstützenden „Helferspache“ als als Mittel zur Förderung von Sprach(lern)bewusstheit:

Der Unterricht in der ersten Fremdsprache stellt den Erwerb der angestrebten Kompetenzen [Anm. DE: kommunikative, interkulturelle und methodische Kompetenzen] fachlich und pädagogisch dadurch sicher, dass (…) Bezüge zwischen den von den Schülerinnen und Schülern erlernten Sprachen hergestellt werden und sie durch entsprechende Methoden und Einsichten ihre Fähigkeit zu lebenslangem, selbständigem Sprachenlernen weiter entwickeln, (…). (KMK 2003: 7f.)

Weitere Überlegungen dazu, wie die bereits vorhandenen Sprachen der Schüler/innen gewinnbringend im Fremdsprachenunterricht genutzt werden können, werden seit mehreren Jahren von verschiedenen Fremdsprachendidaktiker/innen angestellt – insbesondere jenen, die sich mit der Didaktik einer zweiten schulischen Fremdsprache befassen (vgl. zusammenfassend Krumm/Reich 2016). Aber auch diejenigen, die sich mit der Didaktik des Unterrichts in der ersten Fremdsprache beschäftigen, stellen in jüngster Zeit zunehmend Überlegungen an, wie im Fremdsprachenunterricht sinnvoll und effektiv mit mehreren Sprachen gearbeitet werden kann (zusammenfassend Blell/Doff 2014).

So stellen z.B. Grünewald und Sass (2014) Überlegungen dazu an, wie man Englisch und Spanisch miteinander vernetzen kann. Die Autoren zeigen u.a. konkrete Beispiele, wie im Spanisch- oder Englischunterricht zweisprachige Songs, Videoclips, Spielfilme oder Jugendromane eingesetzt werden können, um beide Sprachen zu fördern. Leitzke-Ungerer entwirft mehrsprachige Aufgabenformate zur vernetzten Förderung sprachlicher Kompetenzen im Französischen und Englischen. Mehlhorn (2014) gibt Beispiele für die Erschließung unbekannter Texte mithilfe sprachfamilienübergreifender Interkomprehension im Russischunterricht. Kutzelmann/Massler/Peter/Götz/Ilg (2017) veranschaulichen wie man die Lese- und Sprechkompetenzen in vielen Sprachen gleichzeitig im Rahmen des Mehrsprachigen Lesetheaters fördern kann, und Elsner (2014: 2015) zeigt, wie man mehrsprachige Lesetexte für den Computer im Englischunterricht einsetzen kann.

Bei diesen und anderen Unterrichtsvorschlägen für den mehrsprachigen Fremdsprachenunterricht werden zwei Dinge deutlich: Erstens eignen sich alle sprachvernetzenden Übungen und Aufgaben grundsätzlich dazu eine oder mehrere Aspekte der drei Kernkompetenzbereiche (kommunikative, interkulturelle, methodische Kompetenz) des fremdsprachlichen Unterrichts zu unterstützen. Dies bedeutet, dass mehrsprachige Unterrichtsansätze zwar mit mehreren Sprachen arbeiten, dabei aber niemals die Kernziele des Fremdsprachenunterrichts aus dem Blick geraten. Zweitens ist allen Unterrichtsideen gemein, dass die Arbeit mit Texten in verschiedenen Sprachen im Zentrum steht, seien diese mündliche oder schriftliche Texte, kurz oder lang, visuell, audio-visuell oder rein auditiv zu entschlüsseln.

Dies ist wenig überraschend, denn Texte bilden erstens den Auslöser bzw. Motivator jeglicher fremdsprachlichen Kommunikation im Unterricht, zweitens können sie als mündliches oder schriftliches Produkt der Lernenden deren Entwicklung in der/den Fremdsprache/n sichtbar machen und drittens liefern Texte sprachlichen Input, welcher zur Weiterentwicklung in mehreren Sprachen dienlich sein und das Verständnis in der Zielfremdsprache unterstützen kann.

Im Folgenden sollen systemtatische Überlegungen angestellt werden, wie mehrsprachige Texte methodisch für den Fremdsprachenunterricht aufbereitet werden können. Desweiteren soll gezeigt werden, welche Effekte der Einsatz solcher Texte in Bezug auf die Entwicklung fremdsprachlicher Kompetenzen, insbesondere der Lesekompetenz, haben kann.

Mehrsprachige Leseförderung: Grundlagen und Konzepte

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