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3. Ethnologie – Interkulturalität – Theater

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Der im Kontext von Ethnologie und Theater verhandelte Begriff der Interkulturalität ist prinzipiell immer auch danach zu hinterfragen, ob er nicht doch ontologisch verfestigte statt antiessentialistische Vorstellungen von Kultur transportiert.1 Die Beantwortung der Frage, wenn sie ins Allgemeine gehen soll, hängt freilich nicht vom Begriff der Interkulturalität alleine ab, so als würde mit ihm eine Setzung nach Art einer Quasi-Ontologisierung erfolgen, sondern auch von der jeweiligen Forschungsrichtung und ihrer analytischen Praxis. Es geht dabei neben dem Kulturbegriff, der zugrunde gelegt wird, um den Standpunkt des Beobachters und seine Bereitschaft, die eigene Position immer wieder aufs Spiel zu setzen und die interkulturelle Praxis zur „Umgestaltung bestehender Denk- und Handlungsformen“ zu nutzen.2 Von dieser Warte aus liefert die neuere Forschung weitere Ansatzmöglichkeiten, Interkulturalität nicht als Substanzbegriff, sondern als „Kultur-im-Zwischen“ und „Prozess“ bzw. als „Projekt“ zu begreifen – eine Vorstellung,3 die Richard Schechner bereits in den 1970er Jahren in Ansätzen und speziell für das Theater stark gemacht hat.

Interkulturalität kann insofern zur weiteren Klärung der für das Verhältnis von Ethnologie und Theater spezifischen Voraussetzungen beitragen; sie kann aber auch, wie ein Blick in die Geschichte und jüngere Vergangenheit zeigt, selbst das Vehikel für eine von ethnologischen Prämissen geleitete Theaterarbeit und umgekehrt für eine durch das Theater inspirierte Kulturanthropologie sein. „Dass Theatertheoretiker, Theaterschaffende und Anthropologen bzw. Ethnologen wichtige Berührungspunkte und gemeinsame Interessen entdeckten, hängt […] mit der Affinität der westlichen Avantgarde bereits um 1900 und dann wieder in den 1960er Jahren zum außereuropäischen Theater und zu Ritualen zusammen.“ Auf der anderen Seite existiert in der Ethnologie, bedingt durch die Auseinandersetzung mit außereuropäischen Kulturen und deren oralen Tradition, „ein spezifisches Interesse am Performativen“.4 Das Bedingungsverhältnis, in dem Theater und Ethnologie stehen, wird sinnfällig in der Zusammenarbeit zwischen Richard Schechner, Clifford Geertz und Victor Turner in den 1970er und 80er Jahren einerseits und angesichts der Wirkung, die Turners Ritualtheorie auf die Theaterwissenschaft in den 1990er Jahren ausgeübt hat, andererseits. „Whether practitioners and scholars of either discipline like it or not, there are points of contact between anthropology and theatre; and there are likely to be more coming”, so Schechners einführende Prognose in seiner Abhandlung Between Theater and Anthropology.5 Gerade Schechner ist es auch, der nach eigener Aussage Anfang/Mitte der 1970er Jahre damit beginnt, den Begriff der Interkulturalität – er spricht ursprünglich von „interculturalism“ zur Abgrenzung von Phänomenen des „internationalism“ – in die theoretische Diskussion einzuführen,6 wobei er damit neben seinen eigenen Projekten vor allem Arbeiten von Peter Brook, Jerzy Grotowski und Eugenio Barba in Zusammenhang bringt. An diesen Arbeiten ließe sich exemplifizieren, was interkulturelles Theater ist bzw. sein könnte. Doch das ist nicht die Aufgabe meines einführenden Ausblicks, noch will ich in dieser Hinsicht den nachfolgenden Beiträgen vorausgreifen. Wenn es aber um das Verhältnis von Ethnologie und Theater geht, kann die Interkulturalitätsforschung bzw. können interkulturell avancierte Perspektivierungen die Funktion haben, zu einer theoretischen und tendenziell auch analytischen Flankierung dieses Verhältnisses beizutragen. Ebenso können umgekehrt Ethnologie, Theateranthropologie und das Theater selbst als Ort inszenierender und inszenierter Interkulturalität auf das Verständnis von Interkulturalität verändernd und erweiternd einwirken. Grotowski, Brook, Barba, Turner und Turnball haben nach Schechner auf eine Weise zusammengearbeitet, die interkulturell und interdisziplinär zu nennen ist.7 Wer sich für die Beziehung von Ethnologie und Theater interessiert oder sogar einen Beitrag zur Ethnologie des Theaters leisten will, kann hinter dieser Position nicht mehr zurück.8. Sie bildet vielmehr die Grundlage, von der aus es erst zu Weiterungen, Korrekturen oder Verschiebungen in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema kommen kann.

Theater und Ethnologie

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